Türkis-grüne Frauen gegen Hass im Netz, "Upskirting" wird strafbar

Türkis-grüne Frauen gegen Hass im Netz, "Upskirting" wird strafbar
Internetgiganten sollen zur Verantwortung gezogen und der Rechtsweg für Opfer vereinfacht werden. Türkis-grüne Ministerinnen wollen auch bei Gesetzen nachschärfen.

Karoline Edtstadler sei eine „Eiskönigin“ und ein „Brechmittel“, für Alma Zadić hat jemand „eine Kugel reserviert“, Sigrid Maurer wurde eine Vergewaltigung angedroht, und Susanne Raab steht nach Drohungen unter Polizeischutz.

Die drei Ministerinnen Edtstadler (Kanzleramt), Zadić (Justiz) und Raab (Frauen) sowie die grüne Klubchefin Maurer haben Hass im Netz am eigenen Leib erfahren, und schließen sich jetzt zusammen, um etwas dagegen zu unternehmen.

Upskirtingverbot und weitere Maßnahmen gegen "Hass im Netz"

Die vier sind nur die prominenten Opfer – laut Umfrage hat ein Drittel aller Frauen im Laufe eines Jahres mindestens ein Mal so eine Erfahrung gemacht, bei Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren sind es sogar zwei Drittel, sagt Frauenministerin Raab.

Die türkisen und grünen Politikerinnen rufen nun eine Taskforce ins Leben und wollen im Rahmen eines größeren Pakets noch im Juli Gesetzesentwürfe in Begutachtung schicken. Folgendes ist geplant:

1. Plattformen sollen in die Pflicht genommen werden

Noch immer werden anstößige, beleidigende oder gar verhetzende Postings auf Plattformen wie Facebook nicht schnell und zuverlässig genug gelöscht, kritisiert Medienministerin Edtstadler: „Internetgiganten machen Milliardengewinne, aber wenn man sie braucht, sind sie nicht erreichbar.“ Es sollte in Österreich einen Ansprechpartner geben.

Den Betroffenen wäre geholfen, wenn derlei Postings binnen weniger Stunden weg sind – stattdessen dauert das, wenn überhaupt, Wochen oder Monate. Die Idee ist, so einen Vorfall über ein offizielles Formular im Internet zu melden bzw. so um Löschung oder Unterlassung zu ersuchen – noch bevor der Gerichtsweg beschritten wird.

Edtstadler bereitet im Kanzleramt ein Gesetz zur Plattformverantwortlichkeit vor. Die EU-Kommission plant Ähnliches – bis das in allen Mitgliedsstaaten aber umgesetzt ist, dauert es. Österreich will nun vorangehen.

Die viel diskutierte Klarnamenpflicht ist vorerst aber nicht geplant.

2. Verhetzung soll auch bei Einzelnen strafbar sein

Nachschärfen will Justizministerin Zadić beim Verhetzungsparagraf: Er soll auch bei Einzelpersonen im Netz greifen, nicht nur bei Bevölkerungsgruppen. Ein einmaliges Posting soll ausreichen. „Das Internet ist kein straffreier Raum“, betont sie.

Immer mehr Frauen mit Migrationshintergrund ziehen sich aus den sozialen Medien zurück, weil sie den Attacken nicht mehr standhalten, sagt die Ministerin – das sei demokratiegefährdend. „Es gilt, ihre Meinungsfreiheit zu schützen, damit sie nicht mundtot gemacht werden.“

In der Corona-Zeit habe sich das Phänomen verschärft: Bei der Beratungsstelle ZARA wurden von März bis Juni 1.141 Vorfälle gemeldet, die Hälfte davon könnte strafrechtlich relevant sein.

3. Staatsanwälte sollen verpflichtend ermitteln

Viele Frauen wehren sich auch deshalb nicht, weil der Rechtsweg teuer ist und sie auf den Kosten sitzen bleiben könnten. Ab einer gewissen Schwelle soll es eine Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft geben.

Nicht zu verwechseln ist das mit dem automatischen Ermitteln bei einem Offizialdelikt wie Körperverletzung. Opfer sollen die Ermittlungen aber bei Gericht beantragen können.

Dafür sollen eigene Gruppen bei den Staatsanwaltschaften geschaffen werden, die auf das Thema spezialisiert sind.

4. „Upskirting“ soll unter Strafe gestellt werden

Frauen heimlich auf der Rolltreppe oder in der U-Bahn unter den Rock zu fotografieren ist in Deutschland bereits verboten – Österreich will nun nachziehen. Zwar gibt es das Recht auf das eigene Bild, das gilt aber nur für das Gesicht, nicht für Geschlechtsteile.

Die Rechtsmaterie ist komplex: Unklar ist, ob bzw. wie man heimliches Fotografieren überhaupt sanktionieren kann, wenn das Bild dann nicht veröffentlicht wird. Zadić sucht hier noch nach einer Lösung.

5. Zivilcourage in sozialen Netzwerken

Nicht alles lässt sich durch härtere Gesetze lösen, Bürger müssen sich auch „aktiv einmischen“ – zum Beispiel, wenn organisierte Mobs im Internet wüten, sagt die grüne Klubobfrau Maurer. „Es macht einen Unterschied, ob ich als Außenstehender solche Postings nur lese oder ob ich darunterschreibe: Ich finde das nicht in Ordnung.“

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