Zivilcourage reicht nicht
Wolfgang Sobotka ist nicht bekannt für Ansprachen, die erwähnenswert sind – außer es geht um Historisches. Am Mittwoch hielt der Nationalratspräsident eine Grundsatzrede über Antisemitismus, die grandios war. Nur mit Zivilcourage könne die Gesellschaft den Judenhass, der immer als Bodensatz vorhanden ist, eindämmen, meinte er da unter anderem: Erst wenn man am Stammtisch aufstehe und gegen einschlägige Sprüche protestiere, werde das Problem von uns allen ernsthaft adressiert.
Sobotka hat hier sehr recht. Und gleichzeitig greift das viel zu kurz: Im digitalen Raum, in dem wir uns alle bewegen, hilft Zivilcourage nur bedingt. Wer dort attackiert wird, ist oft Ziel eines organisierten Onlinemobs, der sich auf Facebook oder Twitter verabredet. Jude zu sein reicht oft als Grund, um wüst attackiert zu werden. Frau zu sein ist nahezu eine Garantie für Herabwürdigungen oder unangebrachte Näherungen. Es ist für viele Menschen unerträglich geworden.
"Hass im Netz" ist derzeit nicht mehr als eine Floskel, die ein Phänomen umschreibt, gegen das wir als Gesellschaft nichts ausrichten können. Das ändert sich vielleicht: Vier Koalitionspolitikerinnen (Justizministerin Alma Zadić, Frauenministerin Susanne Raab, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer) haben am Donnerstag ein umfassendes Paket vorgelegt, das wirkungsvolle Maßnahmen verspricht.
So müssen Social-Media-Plattformen in Österreich künftig Ansprechpersonen haben, um bei Beschwerden gegen Postings erreichbar zu sein. Es geht nicht an, dass oft nicht einmal die Staatsanwaltschaft Auskünfte aus dem Silicon Valley bekommt, wenn es um strafrechtlich relevante Einträge geht, wie das die Justizministerin schilderte. Wenn nicht einmal der Rechtsstaat sich in diesen Fragen zu helfen weiß, kann man sich ausrechnen, wie vielversprechend es ist, privat einen Internetkonzern zu klagen. Wer online diffamiert oder herabgewürdigt wird, kann sich gern einen teuren Anwalt nehmen, um damit – leider, leider – mehr oder weniger nichts zu erreichen.
Die Zeit ist gekommen, Facebook und Co. in die Verantwortung zu nehmen. Auch international wächst der Druck: Namhafte Konzerne schalten auf betroffenen Plattformen keine Werbung, bis die endlich etwas gegen Hasspostings unternehmen.
Übrigens: Was man sich als Frau im Netz gefallen lassen muss, wurde bei der Präsentation spürbar – die Politikerinnen schilderten offen, welche Bedrohungen der digitale Raum mit sich bringt. Es gibt im Netz keinen sicheren Raum, denn sobald man das Handy in die Hand nimmt, setzt man sich Attacken aus. Rechtssicherheit ist hier ein erster Schritt. Den Rest schaffen wir dann mit Zivilcourage.
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