Trotz oder Einsicht? Wie sich die Impfpflicht auswirken wird
Der Sozialpsychologe Ulrich Wagner erklärt, welche Konflikte durch die Verpflichtung zum Stich entstehen und wie die Gesellschaft damit umgehen sollte.
Ab Februar muss man sich in Österreich gegen Corona impfen lassen, sonst drohen Strafen. Ulrich Wagner von der Uni Marburg erklärt, wie sich das auswirken wird.
KURIER: Glauben Sie, dass die Impfpflicht zum gewünschten Effekt führt?
Ulrich Wagner: Die Einführung einer Impfpflicht wird viele, die sich bisher nicht haben impfen lassen, dazu bringen, es jetzt doch zu tun. Die negativen Konsequenzen, eine Impfung weiter zu verweigern, werden einfach zu groß. Das betrifft insbesondere diejenigen, die nicht geimpft sind, weil sie Corona grundsätzlich als nicht existent ansehen, für sich selbst nicht gefährlich oder einfach darauf gewartet haben, dass sich genug andere impfen lassen. Ein Teil der jetzigen Impfgegner wird sich vermutlich aber beharrlich weiter weigern.
Befürchten Sie eine stärkere Radikalisierung innerhalb dieser Gruppe?
Insbesondere diejenigen, die die Impfung grundsätzlich ablehnen, weil sie eine massive persönliche Freiheitseinschränkung empfinden oder einen Eingriff in die eigene körperliche Unversehrtheit, werden lauter und aggressiver werden. Aber das ist ein kleiner Teil der Gesellschaft, eine Radikalisierung von wenigen. Dem werden Gesellschaft und Politik mit entsprechenden rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten müssen.
Erzeugt die Impfpflicht nicht eine Trotz-Reaktion? Nach dem Motto: „Ich wäre ja bereit gewesen, mich impfen zu lassen, aber vorschreiben lasse ich es mir nicht“?
Ja, die Einführung der Impfpflicht wird bei den grundsätzlichen Ablehnern Trotzreaktionen auslösen. Sie werden argumentieren, jetzt lasse ich mich erst recht nicht impfen. Aber das hätten sie auch ohne die Einführung einer Impfpflicht gesagt.
Woher kommt der Widerstand? Fehlt es unserer Gesellschaft an Solidarität oder ist es wirklich die Angst vor den Auswirkungen einer Impfung auf den eigenen Körper ?
Impfgegner schauen stark auf die Konsequenzen einer Impfung für die eigene Person. Eine solche Fokussierung lässt dann bei manchen auch Ängste aufkommen. Bei Impfbefürwortern stehen natürlich auch die erwarteten Auswirkung der Impfung für den eigenen Körper im Vordergrund, aber viele stimmen der Impfung auch zu, weil sie die Vorteile einer hohen Impfquote für die Gemeinschaft sehen – insbesondere für die Schwachen und diejenigen, die sich nicht impfen lassen können. Insofern haben Impfverweigerer eine weniger solidarische Einstellung als Impfbefürworter.
Was gilt es nun bei der Einführung der Impfpflicht zu beachten, damit eine weitere Radikalisierung eingeschränkt werden kann?
Ich empfehle sehr, noch einmal alle Informationen über die Vorteile der Impfung und die Nachteile der Impfverweigerung in einer groß angelegten Kampagne zugänglich zu machen. Das bedeutet, alle Kanäle zu nutzen, vor allem die Internetmedien, verschieden Sprachen zu verwenden und alle denkbaren Formate einzusetzen. Junge Menschen müssen anders angesprochen werden als alte. Gruppenspezifische Vorbilder, die zeigen, dass sie sich impfen lassen, sind wichtig. Die Betonung muss darauf liegen, dass die Bereitschaft zur Impfung ein Akt der Solidarität mit allen anderen ist.
Was ändert das?
Impfgegner überschätzen häufig, wie viele sie sind. Deshalb muss auch immer wieder hervorgehoben werden, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hinter einer Impfung für alle steht. Die verbleibenden radikalen Gegner einer Impfung müssen aber auch sanktioniert werden, wenn sie Gesetzesverletzungen begehen. Damit würde der Staat noch einmal deutlich machen, dass demokratisch getroffene Mehrheitsentscheidungen für alle gelten müssen.
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