Thomas Schmid gegen die ÖVP: Wie der Nervenkrieg weitergeht
Warum die ÖVP durch Schmids Schweigen im U-Ausschuss einen Punktesieg errang. Warum Schmid tatsächlich schwieg. Wann die nächsten Enthüllungen kommen, und was Roland Kier seinem Klienten Thomas Schmid für die Aussagen vor der WKStA und vor dem U-Ausschuss rät, lesen Sie hier.
Auf der Homepage des Höchstgerichts liest es sich etwas trocken, hat aber spektakuläre Wirkung im realen Leben: das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Oktober 2022, Randziffer 42.
Roland Kier, der Strafverteidiger von Thomas Schmid, des angehenden Kronzeugen gegen die Verfehlungen der ÖVP, zieht aus diesem Spruch des Verwaltungsgerichtshofs den Schluss, dass sein Klient vor dem Untersuchungsausschuss in Bausch und Bogen Antworten auf alle Fragen verweigern dürfe.
Und davon machte Thomas Schmid am Donnerstag im Parlament reichlich Gebrauch. Er beantwortete beharrlich drei Stunden lang keine einzige Abgeordnetenfrage. Das ging so weit, dass er nicht einmal die Echtheit seiner Unterschrift bestätigte oder zugab, vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Aussagen getätigt zu haben.
Für die ÖVP war dieses Verhalten von Thomas Schmid ein Punktesieg. Die türkise Verteidigungslinie lautet ja, Schmid sei ein Lügner, und die Anschuldigungen, die Schmid vor der WKStA gegen die ÖVP vorbringe, habe er erfunden, um den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Vor dem U-Ausschuss hätte Schmid die Gelegenheit gehabt, den Vorwurf der Lüge zu entkräften. Hätte er jene Aussagen, die er vor der WKStA getätigt hatte, unter Wahrheitspflicht im U-Ausschuss wiederholt, hätte er deren Glaubwürdigkeit unterstrichen.
Da Schmid das unterlassen hat, fühlt sich die ÖVP bestätigt.
Neue Enthüllungen
Aber der Nervenkrieg zwischen Schmid und ÖVP geht weiter. Gleich nach seinem Auftritt im U-Ausschuss gab Schmid in einer Aussendung der ÖVP die Schuld an seinem Schweigen. Die ÖVP hätte sich nicht an die mit der Justiz vereinbarte Themenliste für die Ausschuss-Befragung halten wollen, und das hätte wiederum die Ermittlungen der WKStA gefährdet. Wörtlich kritisierte Schmid die ÖVP-Absicht, „durch Nebelgranaten eine objektive Wahrheitsfindung zu torpedieren“.
Im selben Atemzug kündigte Schmid neue Enthüllungen an: Es gebe „weitere derzeit der Öffentlichkeit nicht bekannte Ermittlungsansätze“, deren Erforschung „nicht desavouiert“ werden solle.
Dem Vernehmen nach sind im Lauf des November weitere Einvernahmen bei der WKStA geplant.
Der Helfer für Sebastian Kurz
Thomas Schmid war ein Helfer beim Aufstieg von Sebastian Kurz zum Bundeskanzler. Er war Generalsekretär im Finanzministerium und später Chef der Staatsholding ÖBAG. Schmid ist in mehreren ÖVP-Affären Beschuldigter. Durch umfangreiche Kooperation mit der WKStA möchte er den Kronzeugenstatus erlangen.
Wie verlässlich sind nun Schmids Aussagen vor der WKStA?
Sein Anwalt, Strafverteidiger Roland Kier, meint zum KURIER: „Jemand, der den Kronzeugenstatus bekommen möchte, würde sich doppelt ins eigene Bein schneiden, wenn er den Staatsanwälten groben Blödsinn erzählt.“
Erstens werde die Staatsanwaltschaft kaum den Kronzeugenstatus für jemanden unterstützen, der sie in die Irre führt. Und zweitens, so Kier: „Wenn jemand neue Sachverhalte gesteht, in denen er sich selbst belastet, sich dann aber den Kronzeugenstatus verbaut, bekommt er in der Folge die Strafen für die neuen Vergehen noch zusätzlich.“
Tatsächlich hat sich Schmid in der Causa Benko selbst belastet. Schmid soll sich im Finanzministerium steuervermeidend für Benko einspannen haben lassen, im Gegenzug soll ihm Benko einen Top-Job in seinem Konzern in Aussicht gestellt haben. Der Immobilienmagnat bestreitet die Vorwürfe.
Wie lange dauert es noch, bis über den Kronzeugenstatus für Schmid entschieden ist?
Zuerst wird die Einvernahme abgeschlossen. Dann macht die WKStA einen Vorschlag, über den von der Oberstaatsanwaltschaft und endgültig vom Justizministerium entschieden wird.
Und wird Schmid jemals im U-Ausschuss aussagen?
„Das“, sagt Kier, „entscheiden das Bundesverwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof. Daran werden wir uns halten.“
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