Streit um Spitzenjobs: Drittbester Kandidat könnte Lösung sein
Nach monatelanger Blockade tauchte gestern plötzlich ein neuer Name auf: Christian Filzwieser könnte den Präsidentenposten beim Bundesverwaltungsgericht bekommen. "Eine Lösung, mit der wir gut leben können", heißt es von Asyl-NGOs.
"Äußerst gescheit und korrekt." Und: "Es gibt wenige, die sich im Asylbereich besser auskennen als er." Und: "Er ist nicht nur ein Verwalter, sondern auch ein Verbinder."
So positive Worte hört man von NGO-Vertretern, die sich im Asyl- und Fremdenwesen engagieren, selten über einen staatlichen Vertreter. Sie gelten Christian Filzwieser, derzeit Gruppenleiter für "Integrierte Grenzverwaltung, Fremdenpolizei, Asyl und Rückkehr" im Innenministerium.
Filzwieser könnte, wie am Montag gerüchteweise über einen Bericht von ORF.at publik wurde, neuer Präsident des Bundesverwaltungsgerichts werden. Das BVwG ist Österreichs größtes Gericht und beschäftigt sich als Kontrollinstanz zu fast drei Vierteln mit Asylfällen.
Allerdings ist der Spitzenbeamte nur der drittbeste Kandidat für den Präsidentenposten. Erstgereiht und damit von einer Kommission als am besten geeignet bewertet wurde Sabine Matejka, Vorsteherin des Bezirksgerichts Wien-Floridsdorf und bis vor Kurzem Präsidentin der Richtervereinigung.
Da die Besetzung aber von der Regierung einstimmig beschlossen werden muss und ÖVP und Grüne einander seit Monaten blockieren, könnte Filzwieser nun Teil eines Kompromisses werden.
Lukas Gahleitner-Gertz, Asylrechtsexperte bei der Asylkoordination, nennt es im KURIER-Gespräch "eine technische Lösung". Filzwieser sei fachlich bestens aufgestellt und auch in der Lage, eine große Organisation zu führen. Der NGO-Vertreter kennt den Spitzenbeamten schon seit vielen Jahren und bemerkt wertschätzend: "Wir sind naturgemäß nicht immer einer Meinung, aber er ist immer diskursfähig."
Der drittgereihte Kandidat Filzwieser dürfte sich auch deshalb bestens als Kompromiss-Kandidat zwischen ÖVP und Grünen eignen, weil er parteipolitisch kaum zuordenbar ist (anders als der Zweitgereihte, Mathias Kopf, der als CV-Mitglied der ÖVP nahe stehen dürfte).
Der Steirer hat 1999 im Innenministerium im Bereich Asylwesen begonnen, noch unter SPÖ-InnenministerKarl Schlögl. Den ersten Karrieresprung machte er dann aber 2003 unter ÖVP-Innenminister Ernst Strasser: Filzwieser wurde Leiter in der Dublin-Abteilung im Bundesasylamt.
2008 wechselte er in den damaligen Asylgerichtshof und war nach der Umwandlung zum BVwG von 2014 bis 2022 Vorsitzender der größten und wichtigsten Kammer: Fremdenwesen und Asyl. In diese Position hat ihn wiederum der SPÖ-nahe BVwG-Präsident Harald Perl gehoben.
Perl ist im Dezember 2022 in Pension gegangen - so lange ist der Präsidentenposten im BVwG schon vakant. Gahleitner-Gertz ist Mitglied einer Initiative, die diesen Missstand aufgezeigt hat. Zudem haben die Präsidenten der Oberlandesgerichte in einem offenen Brief an die Regierung appelliert, und sogar von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gab es eine Rüge.
"Der jetzige Zustand ist unerträglich. Es wird Zeit, dass das Gericht wieder eine ordentliche Führung bekommt", sagt NGO-Vertreter Gahleitner-Gertz. Filzwieser sei nun eine Lösung, "mit der wir gut leben können".
Ähnlich positiv klingt Christoph Riedl, Asylexperte der Diakonie. Filzwieser sei ein ausgewiesener Experte, ein guter Richter, er bringe die nötige Erfahrung und Kompetenz mit. "Zwar hätten wir uns Matejka als Präsidentin gewünscht, aber mit dieser Lösung können wir auch leben", sagt Riedl.
Erstgereihte könnten leer ausgehen
Für die Erstgereihte und Kommissionsfavoritin ist die Situation - sollte sie so eintreten - bitter: Matejka hat erst vor Kurzem ihre Funktion bei der Richtervereinigung zurückgelegt. Als Grund gab sie im KURIER-Gespräch Anfang September die unsichere Situation im Besetzungsverfahren an. Zudem habe es "medial immer wieder parteipolitische Zuordnungen" ihrer Person gegeben, die "allerdings nicht richtig sind und auch dem Image der unabhängigen Richterschaft schaden".
Für den KURIER war Matejka am Dienstag telefonisch nicht erreichbar. Sie könne nichts zur Diskussion beitragen, weil mit ihr noch niemand gesprochen habe, ließ sie wissen.
Fallengelassen werden könnte aber auch Michael Sachs. Er wurde für einen anderen Spitzenjob - Direktor der Bundeswettbewerbsbehörde - erstgereiht und war Auslöser für den Streit zwischen Türkis und Grün. Offenbar hat die Koalition nämlich die Besetzung des BVwG mit der Besetzung der Bundeswettbewerbsbehörde junktimiert.
Die Grünen lehnten Sachs strikt ab - er gilt als ÖVP-Favorit. Die Kommission, die ihn ausgewählt hat, bezeichnete der kleine Koalitionspartner als "fragwürdig".
Anstelle von Sachs könnte nun Natalie Harsdorf-Borsch, die die Behörde derzeit interimistisch führt und von der Kommission zweitgereiht wurde, zum Zug kommen.
Kompromiss
Der mögliche Kompromiss, noch einmal zusammengefasst: Die beiden jeweils Erstgereihten, Matejka und Sachs, werden fallengelassen, man einigt sich beim BVwG auf den drittgereihten Filzwieser und bei der BWB auf die zweitgereihte Harsdorf-Borsch.
Im Bundeskanzleramt und im Vizekanzleramt, die die Besetzung gemeinsam koordinieren, hält man sich bedeckt. Das Gerücht, dass mit Filzwieser der Drittgereihte zum Zug kommen könnte, kommentiert man nicht. Nur so viel: Man sei zuversichtlich, dass die vakanten Posten bald besetzt werden können.
Kommentare