"Blockade beenden": Scharfe Kritik der Gerichtspräsidenten an Türkis-Grün
In der türkis-grünen Posse um die Neubesetzung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gehen jetzt die Präsidenten der vier Oberlandesgerichte (Wien, Graz, Linz und Innsbruck) an die Öffentlichkeit: In einem "offenen Brief" appellieren sie an Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler, ihre Blockade zu beenden - und die Spitze des BVwG endlich zu besetzen.
Einen früheren Appell der OLG-Präsidenten haben Nehammer und Kogler offenbar ignoriert - die Richterpräsidenten rufen eingangs ein Schreiben vom 26. April 2023 in Erinnerung, das "bis heute nicht beantwortet" worden sei.
Seit sieben Monaten unbesetzt
Mittlerweile ist die Präsidentenstelle des BVwG - immerhin das größte Gericht Österreichs - seit sieben Monaten unbesetzt. "Dies stellt unseres Erachtens einen groben Missstand in unserer Republik dar", heißt es in dem Schreiben der OLG-Präsidenten Katharina Lehmayer (Wien), Michael Schwanda (Graz), Erich Dietachmair (Linz) und Wigbert Zimmermann (Innsbruck).
Ein "grober Missstand" sei ebenso, dass die Besetzung des Gerichts offenbar mit der Besetzung der Bundeswettbewerbsbehörde verknüpft sei (der KURIER berichtete).
Worum geht's?
Die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) war 2022 ausgeschrieben, im Sommer hat sich unter den Bewerbern Michael Sachs, derzeit Vizepräsident des BVwG, durchgesetzt - mit nur einem Punkt Vorsprung auf die bis dahin stellvertretende und jetzige interimistische Leiterin Natalie Harsdorf-Borsch.
Beim BVwG ist im Dezember der langjährige Präsident Harald Perl in Pension gegangen, hier hat sich bei der Ausschreibung Sabine Matejka, derzeit Präsidentin der Richtervereinigung, durchgesetzt.
Das Dilemma ist nun: Die Grünen wollen Sachs für die BWB nicht akzeptieren, weil sie der Kommission nicht trauen. Sachs sei, so heißt es, der türkise Wunschkandidat. Im Gegenzug lehnt die ÖVP Matejka für das BVwG ab.
Weil es für beide Besetzungen einen Ministerratsbeschluss braucht - und dieser einstimmig sein muss - herrscht seit Monaten Blockade.
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"Parteipolitik ausklammern"
Zurück zum Brief der OLG-Präsidenten: Sie weisen darauf hin, dass Gerichte auf allen Ebenen wirksam geleitet werden müssen, damit die Rechtsprechung funktioniert. "Bleibt die Spitze eines Gerichts über einen längeren Zeitraum unbesetzt, stellt dies schon für sich allein einen Fehler im System dar."
Beim BVwG als größtem Gericht Österreichs, das als Kontrollinstanz der Bundesverwaltung fungiert, wiege dieser Missstand umso schwerer. Sie erinnern die Regierung an ihre Verantwortung, "alle erforderlichen Maßnahmen zu setzen, um die Spitze der Gerichte rechtzeitig zu bestellen".
Und sie werden, was den türkis-grünen Streit im Hintergrund betrifft, deutlich: "Parteipolitische Überlegungen sind dabei auszuklammern."
Abschließend heißt es: "Wir ersuchen Sie und fordern Sie gleichzeitig auf, die Blockadehaltung aufzugeben und eine umgehende Entscheidung [...] in die Wege zu leiten."
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