Streit eskaliert: Spaltet Strache-Frage die FPÖ?
Es geht um 10.000 Euro Spesen pro Monat. Und um angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung. In Wahrheit geht es um viel mehr.
Ob Heinz-Christian Strache zwischen 2014 und 2018 als FPÖ-Chef, Wiener Landesparteichef und später Vizekanzler die üppige Apanage der Wiener FPÖ privat verbraucht, für Restaurantbesuche oder Kleidung ausgegeben hat – das soll eine FPÖ-interne Sonderprüfung klären.
Fakt ist: Strache hatte als FPÖ-Chef ein Spesenkonto in der Wiener Landesgruppe und eines auf Bundesebene. Das Bundeskonto wurde nach seinem Rücktritt aufgelöst, sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer zum KURIER. Fakt ist auch, dass die Wiener FPÖ für Straches Schutz aufkommt. „Aufgrund einer andauernden Gefährdungslage zu Lasten meiner Person und Familie wurden mir ein Fahrzeug und Sicherheitsbegleitung zur Seite gestellt“, so Strache im Sommer im KURIER-Interview. Laut einer Stellungnahme der FPÖ gegenüber Die Presse läuft die Übernahme dieser Kosten bald aus.
Fakt ist auch, dass anonym eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht wurde, und ein Ermittlungsverfahren anhängig ist. „Rechtlich wäre das allenfalls unter Untreue zu subsumieren,“ sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Selbst wenn die Prüfung nichts ergeben sollte, die Wogen sind damit nicht geglättet, denn: Wiewohl Strache als FPÖ-Chef seit dem Grazer Parteitag formal Geschichte ist, spielt es sich vor allem hinter den Türen der Parteizentralen in Wien und Niederösterreich ab.
„Wiener sind anders“
Wie Recherchen ergeben, soll Strache wild entschlossen sein, nach der Nationalratswahl offiziell zu verkünden, dass er in Wien zur Wahl antreten wolle. Wenn es sein muss, auch ohne die FPÖ – mit einer eigenen Liste – was die FPÖ Turbulenzen brächte.
Was macht den blauen Frontmann nach Ibiza so siegessicher? Eine interne Umfrage, wonach die FPÖ mit ihm an der Spitze bei der Wien-Wahl im kommenden Jahr um zehn Prozentpunkte besser abschneiden würde als ohne ihn.
Macht Strache mit einer eigenen Liste ernst, hat das Potenzial, die FPÖ zu spalten. Zudem für möglich gehalten wird, dass „die Wiener, die immer anders gewesen sind als andere Landesgruppen“, auf Strache an der Spitze bestehen. Und sich zur Not von der Bundespartei lösen würden, heißt es. Die Befürchtung eines „Mini-Knittelfelds in Wien“ sei nicht unberechtigt, so ein Freiheitlicher.
Jene, die ein Strache-Comeback verhindern wollen – und das sind nach Ibiza und TV-Interviews mit Russia Today & Co nicht wenige – wollen den Ex-FPÖ-Chef gänzlich aus der Partei weghaben. Um das zu bewerkstelligen, wollen sie ihn „weich schießen“.
So mancher FPÖ-Funktionär fühlt sich an 2005 erinnert: Damals übernahm Strache den Chefposten in der FPÖ und beschuldigte eine seiner Vorgängerinnen, Susanne Riess-Passer, sich auf Parteikosten eingekleidet zu haben (der Kauf von Schuhen und Handtaschen wurde ihr angekreidet). Die Klage wegen „schadensstiftender Handlungen“ und „ungerechtfertigter Zuwendungen ins Privatvermögen“ sowie die geforderte Rückzahlung von 590.071,67 Euro ging gegen die FPÖ aus.
Nun ist Strache mit demselben Vorwurf konfrontiert – und in der FPÖ ist die Verrätersuche in Gang. „Straches Spesenabrechnung kann nur aus dem innersten Kreis der Wiener FPÖ an die Medien weitergeleitet worden sein, sonst kommt niemand an diese Informationen heran“, meint ein Blauer.
Dass der Ex-FPÖ-Chef seit jeher einen extravaganten Lebensstil pflegte, war allgemein bekannt. Und nicht von allen gerne gesehen. Nicht nur weil die Spesen auf Parteikosten gingen, sondern weil „der Lebensstil vom HC“ nicht mit der Wählerklientel übereinstimmt.
In einem Telefonat mit dem KURIER am Montag spekuliert FPÖ-Chef Norbert Hofer, ob jener Ex-Mitarbeiter Straches, der am Ibiza-Video aus Rachemotiven mitgewirkt haben soll, auch hinter der Spesen-Anzeige steckt.
Von Intrigen innerhalb der FPÖ will Hofer nichts wissen. Wie auch Strache, der in einem Posting Schulter an Schulter Einigkeit mit FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp demonstriert und schreibt: „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren.“
„Auseinanderdividieren“
Wien ist nicht die einzige Front innerhalb der Partei. Es rumort auch in Niederösterreich. Norbert Hofer hat sein erst jüngst erhaltenes Durchgriffsrecht eingesetzt und den niederösterreichischen FPÖ-Klubobmann Martin Huber suspendiert. Der hatte am 20. April 2014 (Hitlers Geburtstag) allen, die an dem Tag Geburtstag haben, gratuliert.
In der FPÖ stößt das einigen sauer auf: Warum greift Hofer beim unbekannten Klubchef wegen eines fünf Jahre alten Facebook-Postings durch, entschuldigt aber die Rede von Ursula Stenzel bei einer Identitären-Demo?
Die einen glauben, er gibt den Chef. Andere meinen, Hofer wolle von den Identitären-Verbindungen der FPÖ ablenken. Das Zerwürfnis kommt zur Unzeit – ausgerechnet in den beiden wählerstärksten Bundesländern.
Die neuesten "Einzelfälle"
Ursula Stenzel: Die nicht amtsführende Wiener Stadträtin tritt am 8. 9. bei einer Identitären-Demo auf. Zurücktreten will sie nicht.
Reinhard Teufel: Kickls Ex-Kabinettchef soll intensiven Kontakt mit Identitären-Chef Sellner gehabt haben. Kickl spricht von „Rufmord“.
Hans-Jörg Jenewein: Der Abgeordnete kaufte ein Identitären-Shirt. Er begründet dies mit einem Siegel, das darauf abgebildet war.
Martin Huber: Der Klubobmann des NÖ-Landtags sprach am 20. April (Hitlers Geburtstag) 2014 via Facebook Geburtstagswünsche aus. Hofer suspendierte ihn.
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