Strasser-Prozess: Das Urteil fällt am Montag

APA10437206-2 - 29112012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Der Angeklagte Ernst Strasser zu Beginn des dritten Prozesstages am Donnerstag, 29. November 2012, am Straflandesgericht Wien. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem 56-jährigen Grieskirchner Bestechlichkeit vor. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Nach der Video-Befragung der Journalisten will der Richter seine Entscheidung treffen.

Der Prozess gegen Ernst Strasser, Ex-Innenminister und Ex-EU-Delegationsleiter der ÖVP, ist in der Zielgeraden: Am Freitag sollen im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts noch sechs Zeugen vernommen werden - und am kommenden Montag möchte Richter Georg Olschak nach einer Videokonferenz mit den beiden als Lobbyisten getarnten britischen Enthüllungsjournalisten, die Strasser in die Bredouille gebracht hatten, das Verfahren in erster Instanz abschließen. Mit dem Urteil ist aus heutiger Sicht also am späten Montagnachmittag zu rechnen.

Geheimdienst-These

Am Freitag wird auf Wunsch von Strassers Verteidiger Thomas Kralik noch einmal die Geheimdienst-These seines Mandanten beleuchtet. Strasser behauptet bekanntlich, er habe sich auf die Gespräche mit den vermeintlichen Lobbyisten nur deshalb eingelassen, weil er diese für Agenten gehalten habe und sie bzw. ihre Auftraggeber aufdecken wollte.

Auf einen entsprechenden Beweisantrag Kraliks hin werden dazu nun zwei Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie Strassers Lebensgefährtin als Zeugen auftreten: Die Polizisten sollen laut Strasser schon im Frühjahr 2010 und damit Monate vor seinem ersten Treffen mit den vermeintlichen Lobbyisten an seine Freundin herangetreten sein und vor einem Geheimdienst gewarnt haben.

Zudem will der Ex-Innenminister noch einen ehemaligen Praktikanten hören, den er schon im April oder Mai 2010 gewarnt haben will, man möge - so Strassers Diktion - "vorsichtig sein", weil "ein Geheimdienst unterwegs ist".

Weiters wird am Freitag Strassers Steuerberater erwartet, der auf dessen Bitte hin in London nach der Agentur Bergman & Lynch recherchiert hatte, die die Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert als ihren Arbeitgeber vorgaben. Der Steuerberater stellte fest, dass eine Firma dieses Namens nicht existiert. Dennoch setzte Strasser seine Gespräche mit den angeblichen Lobbyisten fort und ließ sich laut Anklage die Zusage der entgeltlichen Einflussnahme - von einem jährlichen Honorar von 100.000 Euro war demnach die Rede - auf die EU-Gesetzgebung entlocken, was ihm am Ende ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit einbrachte.

Strasser muss nochmals aussagen

Abschließend muss am Freitag eine frühere Assistentin des im März 2011 zurückgetretenen ÖVP-EU-Delegationsleiters ein zweites Mal in den Zeugenstand. Diese hatte im Ermittlungsverfahren ihren ehemaligen Chef zunächst belastet, ihre Angaben bei der zweiten polizeilichen Einvernahme aber deutlich abgeschwächt. Laut Staatsanwältin Alexandra Maruna gibt es mittlerweile "Hinweise, dass sie die zweite Vernehmung nicht unbeeinflusst gemacht hat", weshalb Maruna die an sich in der Hauptverhandlung bereits vernommene Zeugin noch einmal befragen will.

Videokonferenz mit London

Der finale Verhandlungstag am kommenden Montag wird erst um 11.00 Uhr starten. Grund: Mit der Videokonferenz im Westminster Magistrate Court in London kann erst um diese Uhrzeit begonnen werden, da die Behörde erst um 10.00 Uhr Ortszeit aufsperrt. "Wir passen uns den Amtsstunden in England an", bemerkte dazu Richter Olschak gegenüber der APA, der für die Befragung von Newell und Calvert zwei Stunden veranschlagt hat.

Sollte alles plangemäß verlaufen, folgen im Anschluss die Verlesungen und die Schlussvorträge von Staatsanwältin und Verteidiger, ehe sich der Schöffensenat zur Beratung über die Schuld- und Straffrage zurückziehen wird. Für Strasser geht es bei einem Schuldspruch um bis zu zehn Jahre Haft.

Seit Montag sitzt Ernst Strasser mindestens acht Tage lang wegen Bestechlichkeit auf der Anklagebank im Wiener Straflandesgericht – es drohen ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der studierte Jurist, einstige Innenminister und ehemalige Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament soll im November 2010 zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten bei einem Abendessen angeboten haben, für ein Honorar von 100.000 Euro die Gesetzgebung im EU-Parlament zu beeinflussen.

Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die Videobänder, welche die als Mitarbeiter der angeblichen Lobbyingagentur Bergman & Lynch getarnten Journalisten bei den Treffen mit Strasser heimlich mitlaufen ließen. Strasser sagt dort: „Mir ist es lieber, wir haben einen Vertrag auf, sagen wir, jährlicher Basis ... ich bin nicht wirklich ein Fan davon, Stunden zu zählen ... also meine Klienten zahlen mir im Jahr 100.000 Euro, ja.“

Dafür könne er wunschgemäß jedes von den „Gutmenschen“ im EU-Parlament behandelte Thema beeinflussen, seien es der Anlegerschutz oder gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Alles nur Provokation, um die Journalisten, die er für Geheimdienstler gehalten habe, aus der Reserve zu locken, sagt Strasser jetzt.

Im Zuge der Lobbygate-Affäre wurden auch unmoralische Angebite anderer EU-Politiker publik - darunter Adrian Severin (Rumänien), Zoran Thaler (Slowenien) und Pablo Zalba Bidegain (Spanien). Thaler trat nach dem Skandal zurück, die anderen beiden Mandatare sind nach wie vor im EU-Parlament tätig.

Strasser musste nach der Veröffentlichung der Videos Ende März 2011auf Drängen der VP zurücktreten. Das Urteil soll im Jänner fallen.

Kommentare