Karas: "Noch nie so eine Einflussnahme erlebt"

APA3786132 - 17032011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Wegen der Affäre um als Lobbyisten getarnte Reporter will ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser nun mit seinem Kollegen Othmar Karas reden. Strasser lehnte am Donnerstag, 17. März 2011, im Gespräch mit der APA Rücktrittsaufforderungen von SPÖ und Grünen ab. Im Bild: Ernst Strasser (l.) und Othmar Karas am Freitag, 27. März 2009, im Rahmen einer PK in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Sein ehemaliger VP-Rivale Othmar Karas belastete Strasser schwer.

Es läuft nicht sonderlich gut für Ernst Strasser. Im Korruptionsprozess gegen den Ex-VP-Politiker belastete ihn sein ehemaliger Parteirivale, der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas, am Donnerstag neuerlich schwer. Karas sollte dem Gericht eine Antwort auf die Frage liefern, ob Strasser die von den vermeintlichen Lobbyisten vorgelegten Gesetzesänderungen tatsächlich im EU-Parlament einbringen wollte, um dafür später Bares kassieren zu können. Nach der Befragung von Karas scheint sich dieser Verdacht jedenfalls zu erhärten.

"Noch nie solche Einflussnahme erlebt"

Karas erklärte in seiner Befragung, dass ihn seine Assistentin über einen Antrag Strassers informiert habe, als er gerade nach einem Ski-Unfall im Spital lag. Ihr sei der Antrag anfangs aber nicht ungewöhnlich vorgekommen. "Ich habe zur Assistentin gesagt, Strasser solle nach meiner Entlassung aus dem Spital nochmal mit mir reden", so Karas gegenüber Richter Olschak. Strasser meldete sich - allerdings nicht bei Karas selbst, sondern in dessen Büro. Karas gab vor Gericht aber an, über die ungewöhnlichen Vorgänge auf dem Laufenden gehalten worden zu sein: "Ich habe noch nie von einem Abgeordneten direkt eine solche Einflussnahme und Kontaktaufnahme erlebt - acht Anrufe und vier Emails."

Karas: "Noch nie so eine Einflussnahme erlebt"

Karas habe laut eigener Aussage entschieden, den Antrag nicht einzubringen - "erstens aus inhaltlichen Gründen, zweitens weil ich nicht da war und drittens wegen der Vorgangsweise". Die vorgeschlagene Fristverlängerung und eine zweite Mahnstufe für betroffene Unternehmen hätte nur den Unternehmen genutzt, nicht den Anlegern, sagte Karas. Daher habe er den Antrag auch verworfen, zumal er ein "komisches Gefühl" gehabt habe, weil unklar gewesen sei, wer hinter dem Vorschlag Strassers stehe.

Konkret geht es um Strassers Vorgehen bei der Anleger-Entschädigungsrichtlinie. Die Staatsanwaltschaft wirft Strasser Bestechlichkeit vor und argumentiert, er habe sich von den beiden als Lobbyisten auftretenden britischen Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell ein Honorar von 100.000 Euro jährlich versprechen lassen und im Gegenzug versucht, auf die Richtlinie Einfluss zu nehmen. Strasser weist das zurück und gibt an, die beiden von Anfang an durchschaut, sie aber für Geheimdienstmitarbeiter gehalten und versucht zu haben, sie zu enttarnen. Er habe den Antrag nur zur inhaltlichen Prüfung an das Büro Karas weitergeleitet.

"Wir sind ja nicht spinnefeind"

Karas wies diese Darstellung in seiner Befragung aber zurück: "Es geht aus keinem Kontakt oder E-Mail hervor, dass es sich nur um eine Prüfung und nicht um ein Einbringen handelt." Von einer angeblichen Verfolgung Strassers durch einen Geheimdienst habe er nichts gewusst und erst aus den Medien erfahren, erklärte der ÖVP-Delegationsleiter.

Karas: "Noch nie so eine Einflussnahme erlebt"

Auch zum persönlichen Verhältnis mit Strasser wurde der Vizepräsident des EU-Parlaments befragt. "Wir sind ja nicht spinnefeind, wir haben immer korrekt auf den verschiedensten Ebenen zusammengearbeitet." Strasser habe ihm bei Gesprächen versichert, dass er zwischen seiner Tätigkeit als Lobbyist und Politiker trenne. Nach seiner etwa einstündigen Befragung verließ Karas wort- und grußlos das Gericht.

Strasser ließ sich eigenen Entwurf erklären

Nach Karas wurden noch dessen (frühere) Büromitarbeiter sowie Strassers ehemaliger Anwalt Markus Stender befragt. Eine frühere Assistentin von Karas bestätigte, dass Strasser sich mehrmals im Büro gemeldet habe, und gefragt habe, ob der Antrag eingebracht werden könne. Einmal bat Strasser, ob sie ihm den Inhalt des Vorschlags erklären könne. "Wie das, der Vorschlag kam doch von ihm?", fragte Richter Olschak verwundert. "Ja, er wollte wissen, worum es im Amendment (Gesetzesentwurf, Anm.) geht. Ich weiß auch nicht, warum." Eine andere Assistentin Karas' bezeichnete es gegenüber dem Gericht als "ungewöhnlich, dass Abgeordnete Assistentinnen anrufen". Auch dem damaligen Praktikanten im Karas-Büro, Vinzenz R., fiel auf, dass der von Strasser übermittelte Entwurf der Lobbyisten "inhaltlich sinnlos" war.

Anwalt: "Da war er nicht mehr stoisch"

Stender sagte aus, dass Strasser ihn im Herbst 2010 gebeten habe, einen Entwurf für einen Beratervertrag inhaltlich zu prüfen. Erhalten habe er den Vertrag aber erst im Jänner 2011. Stender habe einige kleinere Änderungen daran vorgenommen und den Vertrag dann an Strasser zurückgeschickt. Unter anderem wurde darin festgehalten, dass Strasser zu nichts verpflichtet sei, was einen Interessenskonflikt mit seiner Tätigkeit als EU-Parlamentarier darstellen könnte. Dass er hinter den Briten Geheimdienstmitarbeiter vermutet hätte, hat Strasser dem mit der Prüfung betrauten Rechtsanwalt allerdings nicht gesagt.

Bei einem späteren Treffen habe Stender seinen Mandanten darauf hingewiesen, dass Bergman & Lynch (die vermeintliche Londoner Lobbying-Agentur, Anm.) nicht im britischen Firmenbuch registriert sei. Strasser habe dies mit einem "Aha" quittiert. Ob er verwundert gewesen sei, fragte Richter Olschak. Stender: "Wenn Sie Strasser kennen, er ist ja eher stoisch. Und da war er nicht mehr stoisch." 

Zu Beginn der Verhandlung hatte Richter Georg Olschak erklärt, dass die beiden britischen Undercover-Journalisten nicht wie geplant am 13. Dezember aussagen werden. Sie sollen nun im Jänner über Video-Konferenz befragt werden. Die Verhandlung am Donnerstag wurde kurz vor Mittag beendet. Fortgesetzt wird der Prozess am kommenden Dienstag.

Hintergrund

Das Verhältnis zwischen Karas und Strasser gilt spätestens seit der Europawahl 2009 als angespannt (siehe KURIER-Bericht). Damals setzte VP-Chef Josef Pröll Strasser gegen den in Brüssel bestens vernetzten Karas als Spitzenkandidaten durch. Dieser mobilisierte dagegen mit einer Vorzugsstimmenkampagne - mit Erfolg: bei der Wahl am 7. Juni schaffte er 112.954 Vorzugsstimmen und zog somit doch noch als listenerster ÖVP-Kandidat ins EU-Parlament ein. Dennoch wurde Strasser zum Delegationsleiter der ÖVP gewählt und behielt diese Funktion, bis er im Zuge der im März 2011 bekannt gewordenen Lobbyisten-Affäre zurücktreten musste.

Was Richter Georg Olschak von Ernst Strasser hält, lässt sich aus der Frage an eine Zeugin ablesen. Strasser hatte der Assistentin seines Fraktionskollegen Othmar Karas den Text für einen Gesetzesänderungsantrag geschickt und sie dann gebeten, ihm den Inhalt zu erklären. Richter: „Er schickt Ihnen etwas, weiß aber nicht, was drinnen steht?“ Die Zeugin (auf Strasser weisend): „Das müssen Sie ihn fragen.“

Freilich dürfen sich Richter beim Urteil weder von Sympathie oder Antipathie noch davon leiten lassen, für wie intelligent (oder sprachgewandt) sie einen Angeklagten halten. Es zählen Beweise und Zeugenaussagen. Unter Letzteren war jene von Othmar Karas – dem ÖVP-Mann, dem man Strasser immer vor die Nase gesetzt hatte – an Klarheit nicht zu überbieten. Strassers Verantwortung geht ja in die Richtung, er habe bei der von den als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten begehrten Intervention auf EU-Gesetze nur zum Schein mitgespielt, um deren Hintermänner aufdecken zu können; es müsse sich dabei um einen Geheimdienst handeln. Niemals habe er tatsächlich auf ein EU-Gesetz Einfluss nehmen wollen. Karas widerspricht ganz klar: Wenn man ihm einen Antrag auf Gesetzesänderung schickt, wie das Strassers getan hat, dann tue man das, damit er diesen Antrag im Parlament einbringe. Er habe nie zuvor von einem anderen Abgeordneten eine solche direkte Einflussnahme erlebt.

Auch den Unterschied zwischen den üblichen Wünschen von Unternehmen, Vereinen und Verbänden an die EU-Parlamentarier und verpönter Intervention machte der Zeuge Karas deutlich: „Der entscheidende Punkt ist ja: wird man dafür bezahlt?“ Die Undercover-Journalisten lockten Strasser mit Geld, und der Angeklagte nannte seinen Preis: 100.000 Euro Jahresgage.

© BULLS PRESS / NI / SUNDAY TIMES

Seit Montag vergangener Woche sitzt Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit auf der Anklagebank im Wiener Straflandesgericht – es drohen ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der studierte Jurist, einstige Innenminister und ehemalige Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament soll im November 2010 zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten bei einem Abendessen angeboten haben, für ein Honorar von 100.000 Euro die Gesetzgebung im EU-Parlament zu beeinflussen.

Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die Videobänder, welche die als Mitarbeiter der angeblichen Lobbyingagentur Bergman & Lynch getarnten Journalisten bei den Treffen mit Strasser heimlich mitlaufen ließen. Strasser sagt dort: „Mir ist es lieber, wir haben einen Vertrag auf, sagen wir, jährlicher Basis ... ich bin nicht wirklich ein Fan davon, Stunden zu zählen ... also meine Klienten zahlen mir im Jahr 100.000 Euro, ja.“

Dafür könne er wunschgemäß jedes von den „Gutmenschen“ im EU-Parlament behandelte Thema beeinflussen, seien es der Anlegerschutz oder gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Alles nur Provokation, um die Journalisten, die er für Geheimdienstler gehalten habe, aus der Reserve zu locken, sagt Strasser jetzt.

Im Zuge der Lobbygate-Affäre wurden auch unmoralische Angebote anderer EU-Politiker publik - darunter Adrian Severin (Rumänien), Zoran Thaler (Slowenien) und Pablo Zalba Bidegain (Spanien). Thaler trat nach dem Skandal zurück, die anderen beiden Mandatare sind nach wie vor im EU-Parlament tätig.

Strasser musste nach der Veröffentlichung der Videos Ende März 2011 auf Drängen der VP zurücktreten. Das Urteil soll im Jänner fallen.

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