Strasser-Prozess: "Er war fast schon paranoid"

Strasser-Prozess: "Er war fast schon paranoid"
Ehemalige Mitarbeiterinnen des Ex-Politikers stützen seine Verteidigung am fünften Verhandlungstag nicht.

Ob sie ihrem Ex-Chef damit hilft? Die ehemalige Assistentin des damaligen ÖVP-Delegationsleiters im EU-Parlament, Daniela K., bereichert die von Ernst Strasser aufgetischte Agentenparodie am Dienstag im Zeugenstand um eine irrwitzige Facette. Strasser habe ihr im Herbst 2010 stumm einen Zettel auf den Tisch gelegt, auf den er gekritzelt habe, „dass wir abgehört werden“. Sein Verhalten sei ihr „fast schon paranoid“ vorgekommen, denn auch davor habe er schon einmal seine Befürchtung geäußert, dass ihn ein Geheimdienst überwache.

Das würde zu Strassers Verantwortung in seinem Prozess wegen Bestechlichkeit passen: Er habe sich nur zum Schein auf den 100.000 Euro-Bestechungsversuch der als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten eingelassen, um den dahinter vermuteten Geheimdienst aufzudecken. Daraus will er kein Hehl gemacht haben.

Allerdings kann sich die Zeugin jetzt nicht mehr festlegen, in welchem Zusammenhang die nun erstmals erwähnte Abhörstory stattgefunden haben soll. In einer polizeilichen Einvernahme hatte sie angegeben, Strasser habe seinen Geheimdienst-Verdacht erst nach Auffliegen der Lobbygate-Affäre kundgetan: „Jetzt wissen wir, wer dahinter steckt.“ Zwei Monate später gab sie zu Protokoll, er habe schon zur Zeit der Treffen mit den Journalisten angedeutet, da sei etwas faul. „Was stimmt jetzt?“, will Richter Georg Olschak wissen. Es sei alles „so lang her“, weicht die Zeugin aus.

Der oberste Verfassungsschützer Peter Gridling erklärt als Zeuge, Strasser habe sogar nach der Enttarnung der britischen Journalisten ihm gegenüber ausgeschlossen, dass ein Geheimdienst dahinterstecken könnte.

Auch drei weitere ehemalige Assistentinnen Strassers im EU-Parlament stützen seine Verantwortung nicht. Eher im Gegenteil. Er soll ihnen, im Hinblick auf die Geschäftsanbahnung mit den vermeintlichen Lobbyisten aus London, angekündigt haben: Wenn daraus etwas werde, „gibt es viel Geld.“

Hartnäckig

Eine Mitarbeiterin machte auf Strassers Geheiß im Büro von dessen Fraktionskollegen Othmar Karas Druck, den von den Auftraggebern gewünschten Antrag auf Gesetzesänderung im EU-Parlament einzubringen. Der Richter nennt das „hartnäckig“. Strasser versuchte später, das Insistieren der Assistentin als deren Fehler hinzustellen. Da war sie „fertig mit der Welt.“ Eine frühere Kurzzeit-Mitarbeiterin Strassers gibt sich als Fan zu erkennen: „Doktor Strasser ist ein guter Mann“.

Die nächste Verhandlung ist am Donnerstag, den 6.12. Dann wird u.a. der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas befragt.

© BULLS PRESS / NI / SUNDAY TIMES

Wahlsieg Im Juni 2009 gewinnt die ÖVP mit Spitzenkandidat Strasser die EU-Wahl.

Anbahnung 2010 nehmen die verdeckten Journalisten mit Strasser Kontakt auf. Dinner-Einladungen folgen.

Rücktritt Am 20. März erscheint in der Sunday Times der doppelseitige Artikel „EU-Abgeordnete in Geld-für-Gesetze-Skandal entblößt“. Strasser tritt von allen Ämtern zurück.

Ermittlungen Die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien und die EU-Korruptionsbehörde OLAF leiten noch im März 2011 Ermittlungen ein.

Politik reagiert Das Justizministerium kündigt im April 2011 eine Verschärfung der Korruptionsbestimmungen an; Im Juni 2012 beschließt der Nationalrat diese.

Anklage Am 9. August 2012 wird Strasser angeklagt. Der Prozess startete in Wien am 26. November

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