Wäre das nicht gerechtfertigt, wenn es um Schwerverbrechen geht?
Wolm: Als Strafverteidiger müssen wir uns gegen solche massiven Grundrechtseingriffe stellen. Dass die Polizei da eine andere Interessenslage hat, ist klar.
Und welche Interessenslage hat die Politik?
Concin: Nehmen wir den Teichtmeister-Fall: Es gab einen wahlkampfartigen Aktionismus, der „court of public“ muss befriedigt werden. Dann kommt es zu einer Strafverschärfung. In Bezug auf Beschuldigtenrechte gibt es hingegen einen Stillstand. Ich denke an notwendige Reformen des Hauptverfahrens, bei der Sicherstellung von Datenträgern oder des Verteidigungs-Kostenersatzes.
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Für den Kostenersatz wurde jetzt ein Budget fixiert.
Concin: Ja, das ist positiv, aber warten wir die konkrete Ausgestaltung ab, bevor wir in Euphorie verfallen. Verfahren sind ein großer Kostenfaktor.
Wolm: Der Wahnsinn ist ja, dass es bei einer Einstellung kein einziger Euro ersetzt wird. Wenn man freigesprochen wird, gibt es Almosen.
Was kostet ein langjähriges Wirtschaftsverfahren einen Beschuldigten?
Wolm: Ein renommierter Wirtschaftsverteidiger hat einen Stundensatz von 300 bis 400 Euro. In großen Verfahren kommen wir da in die Hunderttausende.
Concin: Auch in kleineren Causen ist man schnell bei mehreren Tausend Euro; vor allem, wenn der Freispruch in der Instanz erkämpft werden muss. Und da reden wir noch gar nicht über andere Belastungen für den Beschuldigten: Etwa, wenn über die Anschuldigungen groß in den Medien berichtet wird, über Freisprüche aber sehr wenig.
Ihr Vorgänger als Präsident, Manfred Ainedter, war recht konfrontativ, etwa gegenüber der Justizministerin. Wie legen Sie es an?
Wolm: Unsere Vorgänger haben die Vereinigung zu dem gemacht, was sie heute ist: das Sprachrohr für die Strafverteidigung. Ich übernehme das Amt mit großer Ehrfurcht. Manfred Ainedter hatte privat bzw. in seiner Rolle als anerkannter Verteidiger die eine oder andere Meinung, aber das ist von seiner Rolle als Präsident zu trennen.
Concin: Mir gefällt seine Direktheit und Geradlinigkeit. Er spricht kompromisslos an, wo es im Rechtsstaat hakt. Diesen Weg gehen wir weiter.
Wolm: Zur Aufgabe mache ich mir, die Brücke zwischen Hausverteidigung und Wirtschaftsstrafrecht weiter zu stärken.
Gibt es denn da eine Kluft?
Wolm: Gar nicht! Es sind einfach zwei Welten, die man vereinen muss. Jeder muss zuerst einmal das Handwerk Strafrecht beherrschen, damit er im Wirtschaftsstrafrecht Erfolg haben kann.
Was macht einen guten Strafverteidiger aus?
Wolm: Man muss ein gewisser Typ Mensch sein, weil der Job schon eine Belastung mit sich bringt. Man liest Akten, sieht Fotos ... Nach drei Monaten merkst du: Entweder kannst du nicht mehr schlafen, oder du brennst dafür.
Concin: Es braucht Durchsetzungsfähigkeit und Diskretion. Viele wollen Strafrecht machen, um sich selbst medial zu inszenieren. Das ist der falsche Zugang.
Was machen Sie für Ihre Psychohygiene?
Concin: Ich höre Musik – von den Counting Crows bis zu den Wiener Philharmonikern. Man sieht mich vor einer Verhandlung, wenn ich mein Plädoyer einstudiere, oft im Park mit Kopfhörern im Ohr.
Wolm: Ich spiele mit meinen Kindern, gehe jeden Tag um 6.30 Uhr ins Fitnessstudio und trinke kaum Alkohol. Von Rudolf Mayer (bekannter Verteidiger, u. a. von Josef Fritzl, Anm.) habe ich gelernt: Ein guter Strafverteidiger geht nach dem Büro nach Hause und sperrt zwei Mal zu.
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