Strache will in einer Regierung das Innenministerium für die FPÖ

ABD0072_20170916 - WELS - ÖSTERREICH: FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache am Samstag, 16. September 2017, anlässlich des Wahlkampfauftaktes der FPÖ in Wels. - FOTO: APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
Heinz-Christian Strache über die Lehren aus der Koalition mit Wolfgang Schüssel.

KURIER: Herr Parteiobmann, für wie wahrscheinlich halten Sie, dass die FPÖ wieder einer Regierung angehört?

Heinz-Christian Strache: Aus der historischen Erfahrung heraus müssen wir davon ausgehen, dass eine Kombination aus Schwarz und Rot am wahrscheinlichsten ist. Da stehen Kammer-, Bünde- und Sozialpartnerinteressen dahinter. So lange die beiden eine Mehrheit haben, werden sie es weiter machen.

Sie sagen stets, Sie seien äquidistant zu SPÖ und ÖVP. Aber sind Sie das inhaltlich wirklich?

Wir wissen aus Erfahrung, dass die ÖVP vor Wahlen alles verspricht, und dann das Gegenteil macht. Das wird mit Sebastian Kurz wohl nicht anders werden. Manchmal habe ich das Gefühl, er wollte eigentlich nur Klassensprecher werden, und dann ist das Ganze eskaliert. Aber ja, es gibt inhaltliche Schnittstellen mit der ÖVP, in der Gesellschafts- und Familienpolitik und bei der Sicherheitspolitik. Mit der SPÖ haben wir Schnittstellen in der Sozial-, Gesundheits- und Infrastrukturpolitik.

Sie waren ja Zeitzeuge der früheren schwarz-blauen Koalition. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Am 15. Oktober wird man sehen, ob es die historische Chance überhaupt gibt, dass wir wieder in Regierungsverantwortung treten. Bei Regierungsverhandlungen werden wir uns treu bleiben. Wir werden kein Programm akzeptieren, das nicht unsere Handschrift trägt. Weitermachen wie bisher, nur in einer anderen Farbkonstellation, wird es nicht geben. SPÖ oder ÖVP, eine der beiden Parteien wird bereit sein müssen, ans Eingemachte zu gehen. Wir werden auf direkter Demokratie bestehen, beispielsweise bei CETA. Wir werden niemanden zum Kanzler machen, der aus einer schwächeren Partei kommt als wir. Und ich werde als Spitzenkandidat die Verantwortung für die Verhandlungen und die Zeit danach übernehmen.

Das heißt, Sie werden Kanzler oder Vizekanzler?

Sicher. Ich stelle mich ja auch als Spitzenkandidat der demokratischen Bewertung durch die Bürger.

Gibt es ein Wunschressort?

Jedes Ressort ist wichtig, aber das Innenministerium wäre eine FPÖ-Kernaufgabe in der Sicherheitspolitik.

Kanzler Schüssel stand damals für soziale Kälte. Leiten Sie daraus etwas für die Zukunft ab?

Selbstverständlich. Schüssels Kurs war der Auslöser für den Aufstand von Knittelfeld. Die FPÖ hatte Parteitagsbeschlüsse für Pflegekräfte und Pensionisten, aber das damalige FPÖ-Regierungsteam hat lieber Eurofighter gekauft. Diesmal lassen wir uns sicher nicht mehr über den Tisch ziehen.

Welser Messe, Halle 21, am Samstag um 9.30 Uhr.

Die langen Tischreihen füllen sich langsam, auf der Bühne spielt die John Otti Band: "Schwarz war ihr Haar, Aniiita!" Die Luft vibriert von der Lautstärke. Rauchen ist erlaubt, Aschenbecher stehen überall. Trotz der morgendlichen Stunde reihen sich Bierkrüge zwischen den Tischschmuck aus Österreich-Fähnchen.

Es ist der offizielle Wahlauftakt der FPÖ. Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist einer der ersten, der sich unter das Parteivolk mischt, eine Stunde später kommt Strache. Mit seiner Frau Philippa an der Seite zieht er in den Saal ein. Die Band spielt "Immer wieder Österreich" und das Publikum schwenkt die rot-weiß-roten Fähnchen.

Kern und Lederhose

Oberösterreichs Vize-Landeshauptmann Manfred Haimbuchner bringt die FPÖ-Fans politisch in Stimmung: "Österreichisches Steuergeld wird abgesaugt für Menschen, die noch keinen einzigen Cent ins System eingezahlt haben und wahrscheinlich auch nie einen Cent einzahlen werden, weil Rot und Schwarz nicht bereit sind, das Staatsbürgerschaftsgesetz zu ändern." Die Herzen immigrierter Türken würden "für den politischen Islam, für ihre alte Heimat" schlagen. Haimbuchner: "Das wollen wir nicht akzeptieren."

Strache will in einer Regierung das Innenministerium für die FPÖ
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Über die Flüchtlingswelle 2015 sagt er: "Wer die Grenzen nicht schützt, muss am Ende Christkindlmärkte schützen."

Weil sich Kanzler Kern in einer Lederhose ablichten ließ, ätzt Haimbuchner: "Das ist ungefähr so authentisch, wie wenn sich Sepp Forcher einer Botoxkur unterzieht. In eine Lederhose passt Kern einfach nicht eini."

Dann tritt Norbert Hofer ans Rednerpult. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat ist an der Basis sehr beliebt. Um keine Zweifel an seiner Loyalität gegenüber dem FPÖ-Chef aufkommen zu lassen, beginnt Hofer seine Ansprache mit verbalen Verbeugungen vor Strache. "Ich bin so stolz und dankbar, lieber Heinz-Christian, an deiner Seite stehen zu dürfen. Ich werde in den nächsten fünf Jahren an der Seite eines großartigen Mannes kämpfen, egal, in welcher Funktion. Und in fünf Jahren werde ich wieder zur Bundespräsidentenwahl antreten."

Damit macht Hofer deutlich, dass er nicht für die Strache-Nachfolge zur Verfügung steht, falls der 15. Oktober den Blauen eine Enttäuschung beschert. Auch will Hofer akzeptieren, wenn er nicht Vizekanzler wird. Diese Position nimmt Strache im Fall einer Regierungsbeteiligung für sich selbst in Anspruch (siehe Interview unten).

Der FPÖ-Obmann knöpft sich in seiner Rede als Ersten den ÖVP-Chef vor. "Der Kurz, auch Shorty genannt, ist seit sieben Jahren in der Bundesregierung. Er tut aber so, als wäre er nie dabei gewesen. Und jetzt übernimmt er die FPÖ-Themen. Schön. Vorher hat er nur Blödsinn gemacht, jetzt ist er endlich ein Fan von mir geworden. Ich schicke ihm einen Mitgliedsantrag."

An anderer Stelle nennt er Kurz "den Fake-Basti", der eine harte Haltung in der Migrationspolitik nur vortäusche. Strache: "Der Fake-Basti hat gesagt, der durchschnittliche Zuwanderer sei intelligenter als der durchschnittliche Österreicher. Kurz soll nicht von sich auf andere schließen."

Zum Thema Migration sagt Strache, es gebe in Österreich eine Leitkultur: "Wer zu uns kommt, hat sich zu integrieren und sich anzupassen. Wem das Kreuz in der Schule nicht passt, der soll wieder nach Hause gehen."

Teure Versprechen

In der Sozialpolitik wiederholt der FPÖ-Chef unter großem Applaus des Publikums seine milliardenteuren Forderungen: "940 Euro Pension für 40, 45 Jahre Arbeit ist eine Schande." Es müssten mindestens 1200 Euro sein. Frauen, die nur 300 bis 400 Euro Pension bekommen, weil sie Kinder aufgezogen haben, und im Alter "dem Ehemann zugerechnet werden", sollten wenigstens die Mindestsicherung erhalten. Diese will Strache auch Grundwehr- und Zivildienern gewähren. "Aber Rot, Schwarz und Grün schmeißen Wirtschaftsflüchtlingen und Asylanten 840 Euro Mindestsicherung nach. Stellen wir das ab. Sach- statt Geldleistungen. Ohne Sogwirkung würde auch die illegale Migration eingedämmt."

Weiters fordert Strache ein Ende der Pflichtbeiträge an Kammern und ORF. Er will die Wirte wieder frei entscheiden lassen, ob sie einen Raucherbereich einrichten.

Die nächsten vier Wochen würden "die Ärmel aufgekrempelt", sagt Strache zum Abschluss: "Seit wir den Wahlkampf gestartet haben, spürt man, dass der Zug ins Rollen kommt."Im Rahmen dieser Serie über die Spitzenkandidaten erschienen bereits Reportagen über Ulrike Lunacek (G), Sebastian Kurz (VP), Matthias Strolz (Neos) und Christian Kern (SP).

Strache will in einer Regierung das Innenministerium für die FPÖ
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