FPÖ-Wahlkampfauftakt: "Der Zug kommt ins Rollen"
Welser Messe, Halle 21, am Samstag um 9.30 Uhr.
Die langen Tischreihen füllen sich langsam, auf der Bühne spielt die John Otti Band: "Schwarz war ihr Haar, Aniiita!" Die Luft vibriert von der Lautstärke. Rauchen ist erlaubt, Aschenbecher stehen überall. Trotz der morgendlichen Stunde reihen sich Bierkrüge zwischen den Tischschmuck aus Österreich-Fähnchen.
Es ist der offizielle Wahlauftakt der FPÖ. Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist einer der ersten, der sich unter das Parteivolk mischt, eine Stunde später kommt Strache. Mit seiner Frau Philippa an der Seite zieht er in den Saal ein. Die Band spielt "Immer wieder Österreich" und das Publikum schwenkt die rot-weiß-roten Fähnchen.
Kern und Lederhose
Oberösterreichs Vize-Landeshauptmann Manfred Haimbuchner bringt die FPÖ-Fans politisch in Stimmung: "Österreichisches Steuergeld wird abgesaugt für Menschen, die noch keinen einzigen Cent ins System eingezahlt haben und wahrscheinlich auch nie einen Cent einzahlen werden, weil Rot und Schwarz nicht bereit sind, das Staatsbürgerschaftsgesetz zu ändern." Die Herzen immigrierter Türken würden "für den politischen Islam, für ihre alte Heimat" schlagen. Haimbuchner: "Das wollen wir nicht akzeptieren."
Über die Flüchtlingswelle 2015 sagt er: "Wer die Grenzen nicht schützt, muss am Ende Christkindlmärkte schützen."
Weil sich Kanzler Kern in einer Lederhose ablichten ließ, ätzt Haimbuchner: "Das ist ungefähr so authentisch, wie wenn sich Sepp Forcher einer Botoxkur unterzieht. In eine Lederhose passt Kern einfach nicht eini."
Dann tritt Norbert Hofer ans Rednerpult. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat ist an der Basis sehr beliebt. Um keine Zweifel an seiner Loyalität gegenüber dem FPÖ-Chef aufkommen zu lassen, beginnt Hofer seine Ansprache mit verbalen Verbeugungen vor Strache. "Ich bin so stolz und dankbar, lieber Heinz-Christian, an deiner Seite stehen zu dürfen. Ich werde in den nächsten fünf Jahren an der Seite eines großartigen Mannes kämpfen, egal, in welcher Funktion. Und in fünf Jahren werde ich wieder zur Bundespräsidentenwahl antreten."
Damit macht Hofer deutlich, dass er nicht für die Strache-Nachfolge zur Verfügung steht, falls der 15. Oktober den Blauen eine Enttäuschung beschert. Auch will Hofer akzeptieren, wenn er nicht Vizekanzler wird. Diese Position nimmt Strache im Fall einer Regierungsbeteiligung für sich selbst in Anspruch (siehe Interview unten).
Der FPÖ-Obmann knöpft sich in seiner Rede als Ersten den ÖVP-Chef vor. "Der Kurz, auch Shorty genannt, ist seit sieben Jahren in der Bundesregierung. Er tut aber so, als wäre er nie dabei gewesen. Und jetzt übernimmt er die FPÖ-Themen. Schön. Vorher hat er nur Blödsinn gemacht, jetzt ist er endlich ein Fan von mir geworden. Ich schicke ihm einen Mitgliedsantrag."
An anderer Stelle nennt er Kurz "den Fake-Basti", der eine harte Haltung in der Migrationspolitik nur vortäusche. Strache: "Der Fake-Basti hat gesagt, der durchschnittliche Zuwanderer sei intelligenter als der durchschnittliche Österreicher. Kurz soll nicht von sich auf andere schließen."
Zum Thema Migration sagt Strache, es gebe in Österreich eine Leitkultur: "Wer zu uns kommt, hat sich zu integrieren und sich anzupassen. Wem das Kreuz in der Schule nicht passt, der soll wieder nach Hause gehen."
Teure Versprechen
In der Sozialpolitik wiederholt der FPÖ-Chef unter großem Applaus des Publikums seine milliardenteuren Forderungen: "940 Euro Pension für 40, 45 Jahre Arbeit ist eine Schande." Es müssten mindestens 1200 Euro sein. Frauen, die nur 300 bis 400 Euro Pension bekommen, weil sie Kinder aufgezogen haben, und im Alter "dem Ehemann zugerechnet werden", sollten wenigstens die Mindestsicherung erhalten. Diese will Strache auch Grundwehr- und Zivildienern gewähren. "Aber Rot, Schwarz und Grün schmeißen Wirtschaftsflüchtlingen und Asylanten 840 Euro Mindestsicherung nach. Stellen wir das ab. Sach- statt Geldleistungen. Ohne Sogwirkung würde auch die illegale Migration eingedämmt."
Weiters fordert Strache ein Ende der Pflichtbeiträge an Kammern und ORF. Er will die Wirte wieder frei entscheiden lassen, ob sie einen Raucherbereich einrichten.
Die nächsten vier Wochen würden "die Ärmel aufgekrempelt", sagt Strache zum Abschluss: "Seit wir den Wahlkampf gestartet haben, spürt man, dass der Zug ins Rollen kommt."Im Rahmen dieser Serie über die Spitzenkandidaten erschienen bereits Reportagen über Ulrike Lunacek (G), Sebastian Kurz (VP), Matthias Strolz (Neos) und Christian Kern (SP).
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