Ibiza-Video: Buch enthüllt bizarre Welt von Strache und Gudenus
Es war eine plumpe Falle, in die Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache am Abend des 24. Juli 2017 auf Ibiza gestolpert sind. Das geht aus dem Aufdecker-Buch „Die Ibiza-Affäre“ hervor, das die beiden deutschen Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung verfasst haben. Das 268 Seiten starke Buch, das auf Grundlage des stundenlangen Ibiza-Videos geschrieben wurde, kommt heute in den Handel. Das Resümee der Buchautoren: „Jetzt, nachdem wir alles gesehen haben, sind wir uns sicher, dass Strache tatsächlich eine Gefahr für die Demokratie ist.“
Liefert das Buch neue Enthüllungen?
Ja, aber es ist keine Bombe darin, die über die bekannten Video-Passagen über die Kronen Zeitung, Haselsteiner, Journalisten oder politische Mitbewerber hinausgeht. Neu ist, dass Strache den im Jahr 2000 ermordeten serbischen Berufskriminellen und mutmaßlichen Kriegsverbrecher Zeljko Raznatovic, alias „Arkan“, als „geilen Typen“ bezeichnet haben soll. Indes will Gudenus (im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ) die „verdammte FMA" abschaffen, die Finanzmarktaufsicht“, die unter anderem für die Bekämpfung der Geldwäscherei zuständig ist.
Außerdem behauptet Strache, dass ihm irgendwelche „Systemvertreter“ 2004 bei einem Mittagessen 20 Millionen Euro geboten hätten, „wenn er nicht gegen die Regierung Schüssel II angetreten wäre“. Er habe abgelehnt. „Ich scheiß auf das Geld“, sagte Strache auf Ibiza. „Ich bin jeden Tag sauber.“ Die Buchautoren behaupten auch, dass Strache im Video sein wahres Gesicht zeige: „Straches Authentizität entlarvt ihn als notorischen Angeber (…) Die Prahlerei zieht sich wie ein roter Faden durch das Video.“
Wie lange dauert das gesamte Video?
Zuerst heißt es im Buch, das Hauptvideo vom Wohnzimmer der Finca sei 4:40 Stunden lang; dann, die Kamera hinter der Couch zeichne vier Stunden 22 Minuten auf. Die gesamte Aufzeichnungszeit aller Kameras soll rund 20 Stunden betragen haben. Zugleich erhielten die Autoren zwei Tonbandaufnahmen. Entgegen anderslautenden Gerüchten gibt es auf dem Video keine Sex-Szenen.
Welche Rolle spielt die Kronen Zeitung in Video und Buch?
Der Kauf der Kronen Zeitung durch die Russin ist das Hauptthema, aber über mögliche Parteizuwendungen, ein Pushen der FPÖ und ein allfälliges Zuschanzen späterer Staatsaufträge wird ebenso gesprochen. Die „Russin“ und ihr Begleiter wollen der FPÖ zu größerer Reichweite verhelfen und im Gegenzug auf unlautere Weise profitieren. Nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere.
Machte Strache der vermeintlichen Russin fixe Zusagen?
Lockvogel Makarowa und ihr Begleiter wollen von Strache eine fixe Zusage in Sachen Korruption. Er lässt sich aber nicht festnageln. Obwohl Strache allerlei unanständige Dinge erzählt, sagt er über Korruption: „Ich brauch den Scheiß nicht. Das war immer mein Weg (...) Ich mache nichts, was rechtswidrig ist (...)“ Er sei „jeden Tag sauber“. Der FPÖ werde ja „aus allem ein Strick gedreht“.
Wie verhält sich Strache gegenüber der Russin?
Dass ihn die Russin immer wieder drängt, schmeckt ihm nicht: „Das muss sie kapieren. Die Macht rennt nicht über Korruption“, sagt Strache später. „Sie soll sich den Einfluss kaufen, durch den Kauf der Kronen Zeitung. Dann habe sie ein Imperium.“ Auf Illegales lässt sich der Ex-FPÖ-Chef nicht ein, auch nicht auf Gegenleistungen für etwaige Parteispenden. Strache kann sich aber vorstellen, dass er und Gudenus als Polit-Pensionisten in den Aufsichtsrat der Russin einziehen. Er geht anscheinend davon aus, dass die Russin ein Unternehmen hat. Wörtlich heißt es: "Der einzige Deal, den wir haben", sagt Strache, sei, "dass am Ende, wenn der Joschi in Pension geht und ich in Pension geh, bei ihr im Aufsichtsrat ein Job frei wird."
Verspricht Gudenus der Russin etwas?
Die Russin spricht über Straßenbau. Sie lässt nicht locker und fragt Gudenus: „Ist es möglich, dass ich nach den Wahlen (…) alle Ausschreibungen bekomme?“ Gudenus antwortet: „Wir vergessen unsere Freunde nicht.“ Detail am Rande: Er hatte die Russin samt Begleiter schon am Vorabend des skandalträchtigen Treffens in Ibiza getroffen.
Wollte Strache das österreichische Wasser der Russin verkaufen?
Der Begleiter der Russin spricht die Möglichkeit an, am österreichischen Wasser teilzuhaben. „Eine Privatisierung fürs Wasser ist undenkbar“, sagt Strache. „Wenn es um das weiße Gold gehe, seien die Österreicher allergisch.“ Und weiter heißt es im Buch dazu: Was aber durchaus möglich sei, sei eine Struktur, „wo wir das Wasser verkaufen, wo der Staat eine Einnahme hat und derjenige, der das betreibt, genauso eine Einnahme hat“. Man müsse sich dann eben „um die Prozente streiten". Der private Betreiber würde auf jeden Fall profitieren, sagt Strache – und ergänzt: „Des hat Sex.“
Schöpfte Strache tatsächlich Verdacht, dass das Ibiza-Treffen eine Falle ist?
Die Vorgangsweise war sehr perfid: Julian H., der Begleiter der Russin, verlegte das Gespräch mit Strache & Co. von der Terrasse der Finca ins Haus, weil „man nie wisse, wer zuhört“. Doch das weckte bei Gudenus und Strache keinen Argwohn. Als Erste schöpft aber Johann Gudenus’ Ehefrau Tajana Verdacht. Sie sagte: Sie könne sich vorstellen, dass die Gespräche in der Villa aufgezeichnet werden. Man müsse immer vom schlimmsten Fall ausgehen. Es steht aber keiner von ihnen auf und geht.
Als Strache später die schmutzigen Zehennägel der angeblichen reichen Russin auffallen, flüsterte er Gudenus zu: „Falle, eingefädelte Falle.“ Und weiter sagte er: „Wenn du in der Liga mitspielst, passt das nicht ins Gesamtbild.“
„Des is kaa Falle“, beruhigt Gudenus den nervösen Strache. Er rechtfertigte das Treffen und die Bekanntschaft mit der „Russin“ mit dem geplanten Immobiliendeal. Sie zahle das Fünffache des (üblichen) Preises.
Werden die Drahtzieher des Videos im Buch näher beschrieben?
Nein. Julian H., der beim Videodreh in Ibiza Regie geführt und als Begleiter des Lockvogels auftrat, wird namentlich nicht erwähnt. Über ihn erfährt der Leser: „An der Seite der Russin ihr Begleiter, ein Deutsch sprechender Mann: blaues Hemd, weiße Jeans, Lederslipper. Er erzählt Strache, er kenne die Russin seit etlichen Jahren, weniger geschäftlich, eher freundschaftlich.“ 63-Mal wird er im Buch als Begleiter genannt, zwischendurch das eine oder andere Mal auch zitiert. Der Wiener Anwalt M., der seine Involvierung in das Ibiza-Video als investigativ-journalistisches Projekt rechtfertigte, kommt namentlich nicht vor. Er wird bloß in einem Nebensatz erwähnt.
Und was erfährt man über den Lockvogel?
Besonders interessant ist, dass die Quelle, die der Süddeutschen Zeitung das Ibiza-Video lieferte, den Journalisten auch ein Gespräch mit dem Lockvogel Aljona Makarowa vermittelte. Wer außer den Machern des Videos kann wissen, wie die „reiche Russin“ mit richtigem Namen heißt und wo sie lebt? Die Quelle wird dabei als die "andere Seite" bezeichnet. Er dürfte sich bei der anderen Seite um die Macher des Videos handeln.
268 Seiten hat das Buch zum Video, das in Summe 20 Stunden beträgt. In „Die Ibiza-Affäre. Innensichten eines Skandals“ beschreiben Bastian Obermayer, Leiter des Ressorts Investigative Recherche bei der Süddeutschen Zeitung, und Frederik Obermaier, Leitender Redakteur in nämlichem Ressort, wie „wir die geheimen Pläne von Rechtspopulisten enttarnten und darüber die österreichische Regierung stürzte“. Das Buch ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und ab sofort um € 16,50 erhältlich.
Am 27. August zeigt ORF1 um 20.15 Uhr die Dokumentation „Ibiza – Dem Skandal auf der Spur“. Die Doku-Gestalter Gerhard Jelinek und Ernst Johann Schwarz lassen die Tage rund um das Publikwerden des Ibiza-Videos Revue passieren, warten mit neuen Details und Gesprächspartnern – u.a. – den beiden Buchautoren auf.
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