Staatsschutz will bei Messenger-Diensten mitlesen können

Omar Haijawi-Pirchner
DSN-Chef für mehr Befugnisse gegen Gefährder: "Österreich ist letztes Land in Europa, in dem Überwachung von Messenger-Diensten nicht möglich ist"

Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) feiert dieser Tage ihr zweijähriges Bestehen. Die Nachfolgebehörde des BVT hat zuletzt mehrere Radikalislamisten aus dem Verkehr gezogen, denen vorgeworfen wird, Anschläge auf die Regenbogenparade in Wien bzw. am Wiener Hauptbahnhof geplant zu haben. Ohne entsprechende Hinweise aus dem Ausland wäre es kaum zu den Festnahmen der Verdächtigen gekommen, gibt DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner zu bedenken.

Gerade diese besonders heiklen Fällen, bei denen die Bundeshauptstadt womöglich nur um Haaresbreite einem erneuten Terror-Anschlag entgangen ist - die entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen auf Hochtouren - hätten gezeigt, dass dem heimischen Verfassungsschutz taugliche Mittel zur Gefahrenabwehr fehlen. Haijawi-Pirchner fordert daher im Gespräch mit der APA mehr Kompetenzen, allen voran die Überwachung von Messenger-Diensten: "Österreich ist hier low-level".

Bedenken von Datenschützern, dass die Überwachung von Messenger-Diensten einen zu großen Eingriff darstelle oder missbräuchlich verwendet werden könnte, tritt Haijawi-Pirchner entschieden entgegen. Es gehe ausschließlich um anlassbezogene Zugriffe auf Messenger-Dienste und dabei nicht um komplette Online-Durchsuchungen, sondern um die Möglichkeit, Inhalte von verschlüsselten Kommunikationskanälen auszulesen, in denen sich Extremisten konspirativ austauschen. Diese Zugriffsmöglichkeiten brauche man "in Einzelfällen zur Verhinderung von Anschlägen und Gewalttaten", und selbstverständlich nur nach einer entsprechenden richterlichen Genehmigung sowie unter Einbindung der DSN-Kontrollkommission und des Rechtsschutzbeauftragten. Die Gefahr der Überwachung beispielsweise von Journalisten und Journalistinnen sei nicht gegeben.

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Einen sogenannten "Bundestrojaner" wollte bereits die türkis-blaue Regierung einführen, dieser Teil des sogenannten "Sicherheitspakets" wurde aber 2019 vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben. Die Überwachung der Onlinekommunikation sei nicht als "Allheilmittel" zu verstehen, Österreich sei aber "das letzte Land in Europa", in dem Staatsschützer keine Chats mitlesen könnten, hält Haijawi-Pirchner fest. Immer wieder sei man daher auf Hinweise aus dem Ausland angewiesen. Im Strafrecht gebe es grundsätzlich ausreichend Möglichkeiten, um gegen Terroristen vorzugehen, die Ermittlungsmethoden bzw. die Befugnisse, "um Beweislagen zu eruieren", würden jedoch fehlen. Und das sei auch ein Problem für die Justiz, da entsprechende Strafverfolgung nur bei ausreichend Beweisen möglich sei, so Haijawi-Pirchner. Die DSN wolle diese Beweise liefern können "um die bestehenden Bedrohungen abzuwehren." Die Anpassung der Ermittlungsmethoden sei dabei für die Gefahrenabwehr in der DSN genauso wichtig wie für die Strafverfolgung.

Österreichische IS-Anhänger seien ihm zufolge bestens vernetzt. "Sie kennen sich untereinander alle." So kannte etwa der 17-Jährige vom Hauptbahnhof den Attentäter von Wien, der am 2. November 2020 vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hatte. "Wenn wir einen aufklären können, können wir viele aufklären."

Es gäbe zwar eine Vielzahl an offenen Telegram-Gruppen oder Instagram-Seiten, auf denen Radikalisierung passiere, konkrete Anschlagspläne finde man jedoch nur in geschlossenen Gruppen, und auf diese hätten Österreichs Staatsschützer derzeit keinen Zugriff, anders als Geheimdienste im Rest Europas. "Wir haben nicht ausreichend Befugnisse, um die Bedrohungslage in den Griff zu bekommen", warnt Haijawi-Pirchner.

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Mehr Zusammenarbeit wünscht sich Haijawi-Pirchner auch unter den Ministerien, vor allem in der Extremismusprävention. Es brauche einen breiten Diskurs, in den neben dem Innen- und dem Justizministerium auch das Gesundheitsministerium eingebunden werden soll, denn "wenn man die Anschläge in Europa der letzten zehn Jahre vergleicht, haben 30 Prozent der Attentäter eine psychische Erkrankung".

Nach wie vor gehe die größte Gefahr von Islamisten und Rechtsextremisten aus, das könne sich aber jederzeit ändern. Auch dass künftig Anhänger der radikalislamistischen Hamas Anschläge in Europa verüben, sei nicht auszuschließen.

Kritik kam von der FPÖ: "Der DSN-Direktor, der offenbar im Auftrag von ÖVP-Innenminister Karner spricht, soll sich lieber um die unzähligen Probleme im eigenen Haus kümmern, anstatt großspurig Forderungen an die Politik zu stellen und mit Überwachungsfantasien hausieren zu gehen", befand FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung. "Die vorhandenen Überwachungsbefugnisse sind grundsätzlich ausreichend, wenn sie korrekt und vollständig ausgeschöpft werden", glaubt Amesbauer.

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