Intern heftig umstritten ist die Positionierung zum Thema Asyl. So haben Sie zuletzt Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer zurechtgewiesen, der über eine Null-Asylquote diskutieren will. Warum findet man hier keine einheitliche Linie?
Wir sind die einzige Partei, die dazu ein Konzept hat, während die anderen nur Überschriften produzieren. Unser Konzept ist in die Menschenrechte eingebettet, gleichzeitig geht es um Fragen wie Verfahrensqualität, Rückführungsabkommen und vieles mehr.
Ist eine Asyl-Obergrenze nötig?
Sie ist gar nicht möglich.
Beim Thema Migration wird gerne auf das von den von den dortigen Sozialdemokraten etablierte restriktive dänische Modell verwiesen. Ist es für Sie ein Vorbild?
Es ist nicht mein Ziel, dass die SPÖ so schwach wird, wie die dänische Sozialdemokratie. Zudem ist die Situation dort nicht mit unserer vergleichbar. Außer Streit steht: Menschen, die flüchten, sollen Asyl bekommen, und es muss geordnet ablaufen.
Dornauer kritisiert auch, das Eintreten der SPÖ für Themen wie dem Gendersternchen würde zeigen, wie abgehoben die Partei sei. Hat er recht?
Er diskutiert über Gendersternchen, ich nicht. Man muss ihn fragen, warum ihn das Thema so sehr beschäftigt. Für mich gibt wichtigere Aufgaben, wie etwa die Gesundheitsversorgung.
Sie fordern höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten für die Pflege. Wie soll das finanziert werden?
Es geht um die Frage: Was ist uns Pflege wert? Das ist doch eine Frage des Respekts. Abgesehen davon haben wir uns über die Finanzierung Gedanken gemacht, deswegen fordern wir die Millionärssteuer.
Aber wie soll die Arbeitszeitverkürzung angesichts des Personalmangels funktionieren?
Wir werden nur zusätzliche Pflegekräfte bekommen und die bestehenden halten können, wenn wir die Arbeitsbedingungen verbessern. In der Sozialwirtschaft wurde die Arbeitszeit von 38 auf 37 Stunden verkürzt. Als Folge sind 13.000 Leute neu eingestiegen.
FSG-Chef Josef Muchitsch hat Sie ermahnt, wirtschaftsfreundlicher zu sein. Wie gut ist Ihr Verhältnis zur Gewerkschaft?
Ich bin im guten Austausch mit ihr. Aber auch mit den CEOs großer Unternehmen. Mir ist moderne Standortpolitik sehr wichtig.
Die CEOs haben kein Problem damit, dass Sie als sehr links gelten?
Wenn es links ist, für Verbesserungen für die breite Masse der Bevölkerung zu sorgen, kann ich gerne damit leben.
Von Parteikennern wird die Kritik Muchitschs so verstanden, dass Sie etwa mit dem Ruf nach Arbeitszeit-Verkürzung ins Revier der Gewerkschaften eingedrungen sind. Werden Sie sich künftig bei solchen Themen mehr zurückhalten?
Mich wundert, wer alles als Parteikenner bezeichnet wird, der vielleicht 20 Jahre nicht in der Parteizentrale war. Bei der Arbeitszeit ging es mir von Anfang an um eine Verkürzung Stück um Stück, alles andere ist ein Propagandamärchen. Und ich habe immer gesagt, dass man das branchenmäßig mit General-Kollektivverträgen sozialpartnerschaftlich verhandeln muss. Wir beginnen dort, wo die Menschen am schwersten arbeiten müssen, etwa in der Pflege.
Sie betonen, dass Ihre Forderungen Verbesserungen für 98 Prozent der Bevölkerung bringen. Warum steht die SPÖ dann in Umfragen nur bei maximal 25 Prozent?
Wir haben uns stabilisiert und verbessert. Trotz einer neuen Partei (die Bierpartei, Anm.) haben wir in einem dreiviertel Jahr um fünf bis sechs Prozent zugelegt.
Bei der EU-Wahl ist ein starker Rechtsruck zu erwarten. Was ist das Rezept der SPÖ dagegen?
Die Orbanisierung, der Angriff auf demokratische Grundpfeiler, ist das Leitprojekt vieler Rechtsextremer. Genauso wie Ideen zur Errichtung irgendwelcher Festungen, sprich Gefängnisse. Ich halte mich an Franz Vranitzky, der gesagt hat, von Festungen seien immer nur Ruinen übrig geblieben. Die Sozialdemokratie war immer schon der Garant dafür, dass die Demokratie mit allen Mitteln verteidigt wird. Das gilt auch für die Zukunft.
Wie passen da Ihre Parteikollegen dazu, die eine Koalition mit der FPÖ zumindest als Option sehen?
In der SPÖ stellt niemand in Frage, dass es dazu eindeutige Parteitagsbeschlüsse gibt. Die SPÖ ist der einzige Garant dafür, dass die FPÖ nicht in die Regierung kommt. An dem Tag, an dem die FPÖ in unseren Wertekatalog passt, ist sie nicht mehr die FPÖ. Die ÖVP sagt in jedem Interview, dass sie bereit ist, mit der FPÖ ohne Kickl zu koalieren. Mit Personen wie Udo Landbauer oder Michael Schnedlitz hat sie also kein Problem.
In Richtung ÖVP hat zuletzt vor allem Wiens Bürgermeister Michael Ludwig versucht, neue Gesprächskanäle zu finden. Geschah das in Absprache mit Ihnen?
Das ist nicht neu, wir pflegen mit allen Parteien einen regelmäßigen Austausch, auch mit der ÖVP.
Anders als zwei SPÖ-Landeshauptleute wollen Sie sich nicht auf eine Koalition mit der ÖVP festlegen. Eine andere Konstellation mit SPÖ-Beteiligung wird sich wohl auch nicht ausgehen. Warum legen nicht auch Sie die Karten auf den Tisch?
Niemand legt sich auf eine Koalition fest. Wenn man sich die Dynamik der Umfragen in den vergangenen Wochen ansieht, wären solche Thesen auch zu hinterfragen. Die Menschen haben es satt, dass vor Wahlen über Koalitionen, Posten und Sessel diskutiert wird. Viel wichtiger ist es rüberzubringen, was sich positiv in diesem Land verändern wird, wenn die SPÖ möglichst stark wird.
Sie sind immer noch Bürgermeister. Wie geht sich das aus?
Das ist eine Frage der zeitlichen Taktung. Das funktioniert sehr gut. Andere sind Bundeskanzler und Parteiobmann, ich bin Bürgermeister und Parteiobmann.
Kommentare