Spionage-Affäre: "Gute Verräter genießen ihre Tat"

Spionage-Affäre: "Gute Verräter genießen ihre Tat"
Die U-Haft Egisto Otts markiert den vorläufigen Höhepunkt eines massiven Spionageskandals. Was bedeutet das für den Staatsschutz?

Es geht um gestohlene Handys, Laptops und eine missglückte Bootsfahrt. Und am Ende geht es um österreichische Beamten, die möglicherweise im Sold der russischen Nachrichtendienste standen: Seit Tagen ist der Spionageskandal um Egisto Ott im KURIER und anderen Qualitätsmedien Thema.

Angesichts der vielen Verstrickungen verliert man schnell einmal den Überblick. Vor allem aber stellt sich die Frage: Was von all dem wäre verhinderbar gewesen – und was ist sicherheitspolitisch von Belang? Ein Überblick:

Wer ist Egisto Ott, warum ist er politisch relevant?

Ott ist neben Jan Marsalek und Martin Weiss einer der Hauptdarsteller im möglicherweise größten Spionage-Skandal der Zweiten Republik. Ehe er am Karfreitag festgenommen wurde, soll Ott systematisch und über Jahre hinweg für Russland spioniert haben.

Was genau wird ihm vorgeworfen? 

Ott soll als aktiver Verfassungsschützer und sogar während seiner Suspendierung, im In- und Ausland Informationen über russische Staatsbürger gesammelt und an Moskau weitergegeben haben. Dazu gehört, dass er Hunderte Male geheime Daten elektronisch abgefragt, geheime Adressen recherchiert und seine Aktivitäten verschleiert hat, indem er zum Beispiel Aktenzahlen fälschte. Das politisch Heikle daran: Bewahrheiten sich die Ermittlungen der Polizei, hat ein hochrangiger Staatsschützer geholfen, Regime- und Putin-kritische Personen, die in der EU Schutz gesucht haben, zu verfolgen. Bereits 2012 warnte die CIA vor Ott, 2017 fand der US-Auslandsgeheimdienst dann in Otts Gmail-Account Hinweise, dass dieser im Sold der Russen steht. Für eine Strafverfolgung reichten weder Beweise noch Rechtslage. Befreundete westliche Nachrichtendienste reagierten dennoch: Sie schlossen Österreich aus dem Berner Klub (Zusammenschluss, in dem Nachrichtendienste Informationen teilen) aus. Maßgeblich dafür, war die Razzia im BVT im Jahr 2018. Und auch hier hatte Ott seine Finger im Spiel. Er soll der Verfasser jenes Konvoluts gewesen sein, dass die Razzia überhaupt erst auslöste.

Worum gehts beim oft zitierten Bootsunfall?

2017 fielen die Handys dreier hochrangiger Beamten (darunter der Kabinettschef des Innenministers, Anm.) bei einem Bootsausflug in die Donau. Den Beamten wurde von Staatsschützern gesagt, die Telefone seien unbrauchbar, sie müssten fachgerecht zerstört werden. Laut KURIER-Recherchen geschah Folgendes: Ott lagerte die Geräte jahrelang und veranlasste offenbar ihre Übergabe von einer Floridsdorfer Wohnung aus an einen bulgarischen Russenspion. Via Istanbul wurden sie dann – so wie ein Laptop mit verschlüsselten Dokumenten – nach Moskau gebracht. Orchestriert hat die Aktion offenbar Jan Marsalek. Der flüchtige Ex-Wirecard-Manager steht wie Ott und der einst mächtige Abteilungsleiter im BVT, Martin Weiss, im Verdacht, für den russischen Nachrichtendienst FSB zu arbeiten.

Ist das, was Ott vorgeworfen wird, strafbar? 

Ja. Allerdings nur deshalb, weil es „zum Nachteil der Republik Österreich“ war. Seit 1955 gilt Österreich als juristisches Paradies für Nachrichtendienste. Wer in Wien ansässige internationale Organisationen (UNO, OPEC, etc.) oder deren Mitarbeiter ausspioniert, macht sich ebenso wenig strafbar, wie wenn er Staatsbürger von EU- oder Drittstaaten ausspioniert. Die Rechtslage spiegelt damit ein schlampiges Neutralitäts- und Selbstverständnis wieder, das man so beschreiben kann: „So lange ihr (die ausländischen Spione, Anm.) Österreich nicht schadet, ist es uns egal, was ihr auf unserem Territorium treibt.“ Seit geraumer Zeit wird die Rechtslage kritisiert. Für Justizministerin Alma Zadic war die Affäre Ott diese Woche Anlass, eine Verschärfung des Spionageparagrafen anzustoßen. Opposition und Koalitionspartner begrüßen das.

Wie könnte die Verschärfung der Spionage-Gesetze aussehen? 

Zunächst geht es darum, Spionage gegen andere Staaten und internationale Organisationen strafbar zu machen. In einem weiteren Schritt könnte die Strafdrohung steigen. Derzeit gibt es maximal fünf Jahre Haft.

Wie ist es möglich, dass in einer Sicherheitsbehörde Aktenzahlen erfunden und geheime Daten abgefragt werden, ohne dass es auffällt?

Experten wie der auf Nachrichtendienste spezialisierte Zeithistoriker Thomas Riegler erklären das unter anderem mit der laxen Verfasstheit des aufgelösten Staatsschutzamtes BVT. „In der Nachfolge-Organisation des BVT, der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst wird mehr für die interne Qualitätssicherung gemacht“, sagt Riegler. „Dazu gehört etwa, dass Mobiltelefone verboten sind, und dass es unangekündigte interne Kontrollen gibt.“

Könnten strengere Gesetze die beschriebenen Fälle verhindern?

Experte Riegler meldet diesbezüglich zumindest Zweifel an: „Wer über eine jahrzehntelange Erfahrung im Staatsschutz verfügt, ist schwer zu überwachen – er weiß ja selbst alles über das Observieren und bereitet fürs Ertappt-Werden schlüssige Erklärungen vor. Hier ist eine effektive Fach- und Dienstaufsicht mitunter schwierig.“ Auch hohe Strafdrohungen würden nicht immer helfen. „Gute Verräter genießen ihre Tat. Da geht es oft um Kränkungen wie einen Job, den man nicht bekommen hat. Oder es geht um Rache. Und in solchen Fällen spielen drohende Strafen eine eher untergeordnete Rolle.“

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