Egisto Ott: Wer spionierte für den mutmaßlichen Spion?
48 Stunden. So lange haben Ermittler seit Freitag früh Zeit, um einen Mann zu befragen, der wohl vieles zu erzählen, aber nur wenig davon preis geben dürfte: Egisto Ott.
Der Ex-Verfassungsschützer und mutmaßliche Spion Russlands befindet sich in Haft. Über einen Antrag der U-Haft soll am Ostersonntag entschieden werden.
Ott, der sich einst klingende Decknamen wie Giovanni Parmigiano - frei übersetzt Hansi Parmesan - gab, könnte ausgerechnet im Wahljahr die Republik in eine veritable Krise stürzen.
Warum, lesen sie im Folgenden.
Zwei zentrale Fragen stehen im Raum.
Erste Frage: Wenn Ott tatsächliche hochsensible Informationen, wie die Handydaten von drei hochrangigen Innenministeriums-Mitarbeitern bzw. Infos über Putin-Gegner in Österreich an die Russen geliefert hat, dann muss der Ex-Verfassungsschützer diese Daten von irgendjemanden erhalten haben. Wer waren die Lecks, die für den mutmaßlichen Spion spionierten?
Verfassungsschutz, Sicherheitsakademie, Suspendierung
Vor allem nach dem Jahr 2021. Jenem Zeitpunkt, als Ott bereits einmal wegen Spionagevorwürfen festgenommen und schließlich vom Polizeidienst suspendiert worden war. Zur Klarstellung: Aus dem Verfassungsschutz schied er zuvor bereits 2017 - ebenfalls wegen dem Verdacht der Russlandspionage - aus. Die kommenden vier Jahre versah er Dienst an der Sicherheitsakademie.
Spioniert soll er immer haben, so die Vorwürfe.
BVT-Gang
Bewahrheitet sich alles, wie es sich momentan darstellt, erlebt Österreich den bisher größten Spionageskandal in der Geschichte des Landes. Alles begann, als die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) noch Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hieß. Martin Weiss, Abteilungsleiter, und Egisto Ott arbeiten zusammen. Man kennt sich seit Jahren von der Einsatzgruppe zur Terrorismusbekämpfung.
2017
scheiden Ott und Weiss aus dem BVT aus. Ott wegen möglicher Russlandspionage. Er wird in die Sicherheitsakademie versetzt.
2018
Taucht ein Konvolut auf, dass das BVT und Mitarbeiter schwer belastet. Ott soll dahinter stecken. Es kommt zur skandalträchtigen Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz.
2020
Taucht Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek nach einem der größten Wirtschaftsskandale ab. Weiss soll ihm dabei helfen, Ott für ihn und Russland weiter spionieren.
2021
Wird Ott in U-Haft genommen. Wenig später ist er auf freiem Fuß. Er wird als Polizist suspendiert.
International vernetzt
Kein Geheimnis ist, dass Ott in der Vergangenheit vor allem seine einstigen internationalen Kontakte immer wieder zur Informationsgewinnung herangezogen haben soll. Der gebürtige Kärntner war sowohl in Italien, als auch in der Türkei als Polizeiattache tätig. Am Bosporus sollen angeblich auch russische Spione erstmals Kontakte zu ihm geknüpft haben.
Wegen der "Causa Ott" kam es in der Vergangenheit aber auch im rot-weiß-roten Innenministerium, bei der Finanz, im Verfassungsschutz und im Bundeskriminalamt zu Suspendierungen.
Die Frage drängt sich auf: Wäre es denkbar, dass Ott nach wie vor Beziehungen in die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), der Nachfolgeorganisation des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat?
DSN-Direktor, Omar Haijaiw-Pirchner, antwortet kürzlich in einem KURIER-Interview auf die Frage: Wie sehr man russische Spione in den eigenen Reihen fürchtet: "Wenn wir jetzt konkrete Verdachtsmomente vorliegen hätten, dass es Personen innerhalb unserer Organisation gibt, die Informationen bewusst nach Außen spielen, dann würden diese Personen umgehend aus der Organisation entfernt und strafrechtlich verfolgt werden. Ich sage aber auch, dass man weltweit sieht, dass es Innentäter immer geben kann. Man kann nur bestmögliche Vorkehrungen treffen – das tun wir. Aber zu 100 Prozent ausschließen kann man Innentäter nie."
Zweite Frage: Inwiefern hat der Fall neben strafrechtlichen auch politische Folgen?
Nationaler Sicherheitsrat tagt nach Ostern
Grüne und ÖVP haben bereits den Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Dieser soll nach Ostern, spätestens aber in der zweiten Aprilwoche tagen, geht es nach ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Zudem solle ein ständiger Unterausschuss des Innenausschusses eingerichtet werden.
„Es muss Aufklärung darüber geben, in welcher Form russische Spionage in Österreich betrieben wurde, inwiefern der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl informiert oder involviert war und welche Rolle Peter Pilz spielt“, sagt Stocker.
Den Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ will er ebenfalls nutzen, um den Spionagefall zu thematisieren. Konkret will er mehr Befragungstage und den ehemaligen FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein als Auskunftsperson laden. Zur Erinnerung: Im Zuge der BVT-Affäre erfolgte bei Jenewein 2021 eine Hausdurchsuchung. Ihm wurde vorgeworfen, BVT-Mitarbeiter zum Geheimnisverrat angestiftet zu haben. Während des U-Ausschusses soll Ott ebenfalls regen Kontakt in einem Chat mit Jenewein gehabt haben. Trotz striktem Verbot von Ton- und Filmaufnahmen.
Treffen Pilz – Ott am Tag der Festnahme
Politisch „bekannt“ war Ott aber auch mit den NEOs, der SPÖ (er bezeichnete sich als aktives Mitglied) und den Grünen. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name des einstigen Grünen-Politikers Peter Pilz. Ott und er sollen sich seit 2009 kennen. Jene Handydaten vom Bootsunfall 2017, die im BVT heimlich ausgelesen worden waren, und die Ott im Sommer 2022 an die Russen verkauft haben soll, landeten ausgerechnet vorab im Onlinemedium von Pilz.
Und ausgerechnet am Tag der Ott-Festnahme, am Karfreitag, soll Pilz ein Treffen mit Ott für ein Interview geplant haben. „Wir hatten vereinbart, zur Causa Marsalek und Russland zu reden. Nun wird er vom Staatsanwalt interviewt“, sagte Pilz gegenüber dem Fernsehsender Puls24. Getroffen hat Ott auch ein Mal Helmut Brandstätter, "weil er Informationen im Zuge des Ibiza-U-Ausschuss' angeboten hat", so der Neos-Mandatar. Verboten ist all dies nicht. Es zeigt jedoch ein Sittenbild auf.
Warum Egisto Ott nicht früher das Handwerk gelegt wurde? Weil man all dies erst beweisen musste. Die Wiener Sonderermittlungseinheit „AG Fama“ wollte dies – und soll ihreszeichens von Egisto Ott alias Hansi Parmesan in bester nachrichtendienstlicher Manier diffamiert worden sein.
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