Spionage-Krimi um Egisto Ott: In dieser Villa kam es zur Festnahme
Es ist kurz vor 6.30 Uhr am Karfreitag, als vor dem gelben Haus in Paternion, das mit den antiken Marmorsäulen nicht so recht in die Kärntner Landschaft passen will, Polizisten aufmarschieren. Darunter die Spezialeinheit Cobra. Man will sichergehen, dass alles glatt läuft.
Es gilt einen Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen russischen Spion zu vollziehen, der in einer 6.000-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Villach-Land leben soll.
Einer, der Teil des lokalen Tennisklubs und der Sauna-Runde ist. Einer, vor dem bereits im Jahr 2017 Geheimdienste wie die amerikanische CIA und der britische MI6 warnen: Egisto Ott.
Jener Mann, der damals Teil des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der Vorgängerorganisation der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), war. Von seiner BVT-Adresse soll er sich Nachrichten an einen privaten Mail-Account geschickt haben. Deren Inhalt: Streng vertrauliche Infos. Die er als „Maulwurf“ offenbar an Russland weitergegeben haben soll.
Im Netzwerk des Jan Marsalek
Ott wurde suspendiert. Landete in U-Haft. Kam rasch wieder auf freien Fuß. Tauchte als suspekte Figur ab diesem Zeitpunkt immer wieder in Recherchen rund um den flüchtigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek auf.
AG Fama-Ermittlungen
Bis Ostersonntag 2024 soll nun entschieden werden, ob der Ex-Verfassungsschützer in U-Haft genommen wird. Vieles deutet darauf hin, dass diese verhängt und dieses Mal wesentlich länger dauern dürfte. Denn jene Ermittlungsergebnisse, die die Sonderkommission des Bundeskriminalamts, die AG Fama, gegen Ott zusammengetragen hat, sollen offenbar schwer wiegen. Es gilt die Unschuldsvermutung. In dieser Villa erfolgte jedenfalls die Festnahme Otts.
Von offizieller Seite hielt man sich am Freitag bedeckt. Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien bestätigte lediglich, dass gegen Ott wegen Amtsmissbrauchs und geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs ermittelt wird.
Spionage und Korruption
Übersetzt: Spionage und Korruption. Denn Ott soll so der Verdacht der Staatsanwaltschaft bis heute im Auftrag Russlands Österreich – und dabei vor allem für die Russen interessante Zielpersonen – ausspioniert und jede Menge Geld genommen haben. Offenbar in enger Zusammenarbeit mit seinem damaligen Chef: Martin Weiss. Dieser gilt als flüchtig und soll sich in Dubai aufhalten. Beide wiederum sollen in Verbindung mit dem ebenfalls flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek stehen. Der in Moskau untergetaucht sein soll und mit Ott und Weiss eine Spionage-Zelle für Russland im damaligen BVT installieren wollte. So weit, so kompliziert.
Stimmt all das, wäre es der größte Spionageskandal des Landes. Doch warum nun mehrere Hausdurchsuchungen am Karfreitag? Und warum wurde auch ein Verwandter Otts in Wien in Haft genommen?
Weil Ott zwar aus dem BVT ausschied, aber weiter seine Netzwerke nutzte und im Auftrag der Russen Informationen besorgt haben soll.
Informationen, die er zwar nicht mehr vom Staatsschutz erlangte, aber von anderen Quellen. Ein Beispiel: Wie das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel erst kürzlich aufdeckte, soll Ott etwa auf Anfrage von Weiss die private Adresse des Aufdeckerjournalisten Christo Grozev besorgt haben. Dieser war maßgeblich an Investigativrecherchen rund um den Giftanschlag auf Alexej Nawalny beteiligt.
Der Kanuunfall des Innenministeriums aus dem Jahr 2017, bei dem Kanzlergattin Kathi Nehammer ein Boot zum Kentern und Smartphones ins Wasser fallen hatte lassen, taucht auch wieder im Fall Egisto Ott auf.
Wie der Standard am Freitag berichtete, sollen offenbar gespiegelte Inhalte von Smartphones dreier (Ex-)Spitzenbeamter aus dem Innenministerium an russische Geheimdienste übermittelt worden sein. Die Übergabe soll im Sommer 2022 durch Egisto Ott erfolgt sein. Die Informationen über die Weitergabe – mutmaßlich an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB – sollen schon vor einigen Wochen aus Großbritannien gekommen sein. Dort wird gegen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek ermittelt, Chats wurden sichergestellt.
Bei den gestohlenen Smartphones handelt es sich laut Standard-Informationen um die Geräte von Michael Kloibmüller, der jahrelang Kabinettschef im Innenministerium war; von Michael Takacs, mittlerweile Bundespolizeidirektor; sowie von Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Den Betroffenen sei schon vor einigen Tagen mitgeteilt worden, dass „ihre Handys“ beim russischen Geheimdienst lägen, heißt es aus deren Umfeld.
Die drei Handys waren 2017 Opfer des besagten Bootsunfalls geworden. Bei einem Ausflug des Innenministeriums war ein Kanu gekentert, die Smartphones fielen ins Wasser. Daraufhin wurde ein IT-Techniker des Verfassungsschutzes gebeten, die Diensthandys zu reparieren. Der fertigte offenbar Kopien der Geräte an und gab sie an Ott und andere weiter. Chats aus dem Smartphone von Kloibmüller gelangten auch an die Staatsanwaltschaft und an Medien. Sie führten wegen des Verdachts der Postenkorruption zu Ermittlungen gegen Kloibmüller und Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka, wobei das Verfahren gegen Letzteren bereits eingestellt wurde.
Auftragsmörder
Christo Grozev lebte Jahrzehnte lang in Österreich. Verließ das Land aber plötzlich, weil er sich hier nicht mehr vor dem langen Arm des Kremls sicher fühlte. Offenbar sollen bereits Auftragsmörder von Russland auf Grozev angesetzt worden sein. Im Gespräch mit dem Spiegel sagt Ott: „Ich war lediglich auf dem Meldeamt und hab dort 3,4 Euro bezahlt für die Auskunft, wo er wohnt.“ Möglicherweise habe er noch ein paar Fotos von Grozev Haus gemacht, aber das sei ja nicht illegal.
Doch genau eines der konspirativen Treffen in der Causa Grozev, soll Ott auffliegen lassen haben und in den Fokus der Ermittler gerückt und schließlich nun auch zur Festnahme geführt haben.
Rolle Verwandter
Doch wenn alles so unbedenklich war, warum wurde dann auch Otts enger Verwandter am Freitag festgenommen? Offenbar an der zweiten Wohnadresse Otts in Wien. KURIER-Recherchen zeigen, dass er Ott offenbar bei „Übergaben“ unterstützt haben soll. Ob es sich dabei um Geld, oder Informationen gehandelt haben soll, bleibt unklar. Machte der einstige Verbindungsbeamte Österreichs an der Botschaft in Rom seine Familie zu Handlagern? Laut Insidern ja.
In Paternion war eines am Karfreitag ebenfalls klar: Die Überraschung ob der Festnahme. „Der Herr Ott hat uns gegenüber immer alle Vorwürfe abgebeutelt und war sehr gelassen. Die Festnahme war schon ein großes Oha im Ort“, erzählt Bürgermeister Manuel Müller.
Eines habe man aber an dem sonst „so kommunikativen“ Mann in den vergangenen Wochen bemerkt: Dass sich Herr Ott immer mehr zurückgezogen habe. In das gelbe Haus, das so gar nicht in die Kärntner Landschaft passen will.
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