Spionage-Skandal beim BVT: Auf den Spuren eines Hauptverdächtigen
Ein Namensschild sucht man an der kleinen, etwas zu locker befestigten Türglocke vergebens. Einzig die Nachbildung einer antiken Marmorsäule gibt Hinweis darauf, wer in dem Haus, das architektonisch nicht so recht ins Kärntner Landschaftsbild passen will, wohnt. Eingraviert steht dort ein einprägsamer Name: Egisto.
Für den Nachnamen braucht es nach den Schlagzeilen der vergangenen Wochen weder Türschild noch Säule. Der Hausbesitzer heißt Egisto Ott. Jener Ex-Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes (BVT), der eine zentrale Rolle im Spionage-Skandal einnehmen soll.
Jener, der für Russland spioniert und den ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek serviciert haben soll. Jener, dem vorgeworfen wird, Teil einer korrupten BVT-Clique gewesen zu sein, die bewusst versucht haben soll, den Staat zu schwächen und heikle Informationen gegen Geld verkauft haben soll.
Von Kärnten in die Welt
Nur zu Hause ist Herr Ott nicht, egal wie fest man die lockere Türglocke drückt. Seine Geschichte erzählen an diesem Tag andere, die Inhalte ähneln sich. Sie handeln von einem gebürtigen Kärntner, der von der 6.000-Seelen-Marktgemeinde Paternion, gelegen zwischen Spittal an der Drau und Villach, auszog, um die Welt zu erobern.
„Der Herr Ott, der war ja viel im Ausland und hat hier sein Haus gebaut“, erzählt eine Nachbarin, mit der man unter einem Schild ins Gespräch kommt, das für besonders günstige Pizza wirbt.
Auch Ott war lange in Italien. Ab 2001 für acht Jahre als Verbindungsbeamter an der Österreichischen Botschaft in Rom. Von 2010 bis Dezember 2012 folgte ein Aufenthalt als Attaché an der Botschaft in der Türkei. Bekannt aus diesen Jahren ist einer von Otts Decknamen in Rom: Ernesto Zanetti.
"Zu den Wurzeln zurück"
In Feistritz, einer der 20 Ortschaften der Marktgemeinde Paternion, braucht es keine Decknamen. Hier ist Ott schlichtweg als „der Herr Ott“ bekannt. Schockiert sei man gewesen, als man das mit der Spionage gehört habe, sagt eine Frau. „Mir tun die Eltern leid, die haben sich so im Fußballverein engagiert und jetzt dieser Kummer.“ Auch sie will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.
Dies ändert sich, sobald man das Büro von Bürgermeister Manuel Müller (SPÖ) betritt. Kein Marmorsäulen-Flair, sondern bodenständiges Amtsstuben-Ambiente. „Die Nachricht über die Ermittlungen hat uns überrascht. Besonders wenn es jemanden trifft, der jahrelang selbst bei der Polizei war“, sagt der 42-Jährige.
Der Herr Ott habe im Ort als weltoffen und nicht abgehoben gegolten. Im Gasthaus oder bei Saunarunden sei er regelmäßig zugegen gewesen. „Er war einer von jenen, bei denen man gemerkt hat: Er war viel in der Welt unterwegs und kehrt nun langsam wieder zu seinen Wurzeln zurück“, erzählt der Ortschef ruhig und professionell.
Karriere
Egisto Ott stieß 1993 zur BVT-Vorläuferin EBT und wechselte 2001 für acht Jahre als Verbindungsbeamter an die Österreichische Botschaft in Rom. Es folgte eine Stelle als Attaché an der Botschaft in der Türkei. Ab 2015 war Ott dem wohl heikelsten BVT-Referat „Verdeckte Ermittler“ zugeteilt. 2017 wurde er wegen des Verdachts des Verrats von Staatsgeheimnissen angezeigt. Es kam zu einer Razzia. Nach einer kurzen Suspendierung wurde er 2018 dem Innenministerium zugeteilt.
Verhaftung
Im Frühjahr 2021 wurde er kurzfristig verhaftet. Ott soll für Wirecard-Vorstand Jan Marsalek Datenbankabfragen durchgeführt haben.
Nazi-Rapper
Den Umgang mit Medien ist man in Paternion gewohnt.
Vor allem seit der Sache mit „Mr. Bond“. Der Nazi-Rapper soll Songs mit einschlägigen Inhalten von seinem Kinderzimmer aus verbreitet haben. So wurde etwa aus Gucci Manes „Supa Cocky“ der Song „Supanazi“. Der Prozess gegen ihn startet Ende März.
Wie es im Fall des Egisto Ott weitergeht, bleibt offen. Oder wie man hier sagen würde: Im Fall „des Herrn Ott“.
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