Die 5 Schauplätze des Spionage-Skandals
Eine zigtausende Seiten umfassende Ermittlungsakte offenbart, wie ehemalige Beamte des Verfassungsschutzes über Jahre ein Netzwerk aufbauten. Wer wo agierte, intervenierte und was lukrierte - der KURIER gibt einen Überblick.
Der Verfassungsschutz
Das 2002 gegründete Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist aus der Vorläuferorganisation EBT hervorgegangen. Der bisher größte Skandal war die am 28. Februar 2018, also in der Zeit von Innenminister Herbert Kickl, durchgeführte Razzia, die auf vier dürftigen Zeugenaussagen und einem 39 Seiten starken Konvolut an Vorwürfen basierten. Von dieser später als rechtswidrig beurteilten Hausdurchsuchung hat sich das BVT nicht mehr erholt. Im Dezember 2021 wurde es in Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) umbenannt. Der suspendierte Beamte Egisto Ott hat 1993 bei der EBT angeheuert . Acht Jahre später wechselte der Kärntner als Attaché an die Botschaft in Rom. Später wurde er Verbindungsbeamten an der Botschaft in der Türkei. Danach war er dem BMI zugeteilt. Sein Netzwerk aus seiner BVT-Zeit blieb dennoch bestehen. Ab Juni 2018 war Egisto Ott dann der Sicherheitsakademie (SIAK) zugeteilt.
Das Innenministerium
Mit dem ehemaligen Kabinettschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller, war Egisto Ott im Clinch gelegen. Der Ex-Verfassungsschützer soll auch hinter einem Pamphlet gegen Kloibmüller stecken, was er allerdings immer bestritten hatte. Jedenfalls hatte Egisto Ott sehr gute Beziehungen in die Wiener Herrengasse 7. Wie aus dem Verschlussakt hervorgeht, dürfte eine Beamtin aus dem Ressort seine Verbindung bzw. Informantin gewesen sein. Sie soll ihn auch mit Unterlagen aus dem Ministerium versorgt haben
Das Verteidigungsministerium
In den Auswertungen aus dem Verschlussakt der Staatsanwaltschaft Wien ist das Verteidigungsministerium bisher nicht explizit vorgekommen. Dennoch rückt im Lichte dieser Aufdeckungen eine Aktion ins Rampenlicht, die der damalige Generalsekretär im Verteidigungsressort Wolfgang Baumann plante. Mitarbeiter des Heeresnachrichtendienstes HNA sollten in den Verfassungsschutz BVT wechseln. Was im Heer für Kopfschütteln und große Aufregung sorgte. An der Spitze des Innen- und des Verteidigungsministeriums standen in der Zeit der türkis-blauen Bundesregierung die FPÖ-Minister Herbert Kickl und Mario Kunasek.
Das Außenministerium
Ein enger Freund von Egisto Ott war Johannes Peterlik. Er war Generalsekretär im Außenministerium während der Amtszeit von Karin Kneissl (2017–2019).
Jetzt wird die Causa ein weiteres Mal sehr heikel. Denn Peterlik, der auch im Verdacht steht, Informationen zur Nervengift-Formel Nowitschok verraten zu haben (sie landete bei Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek), wollte eine eigene Sicherheitsabteilung im Außenministerium für seine mutmaßlich korrupten Ex-BVT-Vertrauensleute einrichten lassen. Dazu kam es aber nicht. Ein fertiges Organigramm wurde auf Otts Handy gefunden.
Das Parlament
Eine erschütternde Erkenntnis dieses Skandals ist die Tatsache, dass sich laut den Rechercheergebnissen von Die Presse einige Abgeordnete der Informationen der mutmaßlich korrupten BVT-Clique bedienten. Chats zeigen, dass der Ex-Geheimdienstbeamte Egisto Ott Kontakt nicht nur mit dem FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein gehabt haben soll. Der FPÖ-Abgeordnete erhielt von Ott zahlreiche Informationen, auch während des BVT-U-Ausschusses gab Ott Tipps für die Befragungen. Der Ex-Grüne Peter Pilz war mit Ott in Chatgruppen. Die Verbindung hielt auch noch, als Pilz nicht mehr Mandatar war, sondern das Online-Medium zackzack gründete. Vor drei Wochen startete Pilz dann eine Serie mit Chats aus dem Innenministerium, wo er Nachrichten vom geklauten Handy des Ex-Kabinettschefs Kloibmüller veröffentlichte. Auch Neos-Abgeordneter Helmut Brandstätter soll in einer Chatgruppe mit Ott gewesen sein und sich seiner Informationen bedient haben.
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