ÖVP und Grüne einig: "Das Beste aus beiden Welten"
Tag 47 seit Start der Koalitionsverhandlungen - und läuft alles nach Plan, dann ist es damit getan: Um kurz nach 17.00 Uhr trafen Werner Kogler und Sebastian Kurz heute für eine allerletzte Verhandlungsrunde im Winterpalais in der Wiener Innenstadt ein. Um kurz vor 22.00 Uhr stieg dann endlich der sprichwörtliche weiße Rauch auf - und die Einigung auf eine gemeinsame Koalition wurde verkündet.
Was der ersten grünen Regierungsbeteiligung in Österreich nun noch im Wege steht, ist das Ja des Grünen-Bundeskongresses am Samstag.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz sprach am Mittwochabend von einem "exzellenten Ergebnis". Beide Parteien hätten ihre zentralen Wahlversprechen einhalten können. Dabei hob Kurz für seine Partei eine Steuersenkung ebenso hervor wie eine konsequente Linie gegen illegale Migration und politischen Islam. Sinnbildlich für die Conclusio des ÖVP-Chefs steht der Satz: "Es ist möglich, das Klima und die Grenzen zu schützen."
Österreich soll "Vorreiter im Klimaschutz werden"
Kogler würdigte, dass man sich im Klimaschutz weitergehend geeinigt habe, als man das vorher ahnen hätte können: "Österreich soll zum europäischen Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden." Mit der neuen Regierung werde der Einstieg in den Umstieg im Steuersystem gelingen. Ökologisierung und Steuerentlastung gingen zusammen. Dazu werde es das intensivste Transparenzpaket seit vielen Jahren und eine Informationsfreiheitsoffensive geben: "Eher ein gläserner Staat als ein gläserner Bürger." Zudem werde ein Schwerpunkt in die Bekämpfung von Kinder- und Altersarmut gelegt.
Das Programm im Detail wird erst Donnerstagnachmittag vorgelegt. Kurz erklärte, die Teams würden über Nacht noch alle Feinheiten endabstimmen.
Fix scheint indes das Regierungsteam. Offen war bis zuletzt nur, wer den Staatssekretariatsposten bei den Grünen übernimmt. Hier dürfte die Wahl auf die ehemals glücklose Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek gefallen sein. Die Frauenagenden gehen an die ÖVP und werden wahrscheinlich Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher überantwortet.
Nicht müde wurden die Chefverhandler, Mittwochabend sich beim jeweiligen Gesprächspartner zu bedanken. Auch bei der Bevölkerung wurde um Verständnis geworben, dass es mit den Verhandlungen recht lange gedauert hat. Kurz meinte dazu: "Diese Regierungsverhandlungen waren - so ehrlich muss man sein - nicht einfach." Denn die beiden Parteien seien in ihrer inhaltlichen Ausrichtungen eben sehr unterschiedlich. Kogler befand: "Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir sind aber auch nicht dafür gewählt worden, es uns leicht zu machen sondern um Verantwortung zu übernehmen."
Pressestatement: Einigung auf Bundesregierung
Der Live-Ticker zur Nachlese
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Einen wunderschönen guten Abend
Um 21.45 Uhr sollen Sebastian Kurz und Werner Kogler heute vor die Presse treten - und ihre Einigung auf eine gemeinsame Koalition verkünden. Bis es so weit ist, lassen wir hier noch einmal die vergangenen Tage Revue passieren und rollen die jüngsten Personalentwicklungen auf. Denn das sind einige. Die Ministerliste ist quasi fix. Offen ist eigentlich nur noch ein Posten.
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Es wird wohl die viert-längste Verhandlungsdauer
100 Tage vom Wahltag bis zur Angelobung: So lange (wenn der Zeitplan hält) haben Türkis und Grün gebraucht, um sich kennenzulernen, sich anzunähern, zu verhandeln und schließlich einen Pakt zu besiegeln, der fünf Jahre lang halten soll (das ist übrigens zuletzt Rot-Schwarz von 2008 bis 2013 gelungen).
Am längsten miteinander verhandelt haben Türkis-Grün deswegen aber noch lange nicht (siehe Grafik unten).
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Launsky-Tieffenthal wird Generalsekretär im Außenministerium
Die ÖVP installiert wieder in allen ihren Ressorts Generalsekretäre. Der KURIER hat erst vor wenigen Minuten die ersten Namen erfahren. Einer davon: Peter Launsky-Tieffenthal. Mehr dazu lesen Sie in unserem "Politik von innen" von Innenpolitik-Chefin Daniela Kittner:
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Die Ministerliste
Den Kanzler, zehn Minister plus einen Staatssekretär bekommt die ÖVP, vier Minister plus einen Staatssekretär-Posten die Grünen. Und genau dieser Posten ist der letzte, der noch fraglich ist. Laut SN ist Ulrike Lunacek, die sich nach der missglückten Wahl 2017 aus der Politik verabschiedet hat, als Staatssekretärin im Gespräch. Die frühere Rektoren-Chefin Eva Blimlinger soll hingegen nicht mehr so hoch gehandelt werden. Die restlichen Regierungsmitglieder in spe können Sie hier nachlesen:
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*** ÖVP und Grüne einigen sich auf gemeinsames Programm ***
Jetzt ist es offiziell: Soeben erreicht uns die Eilt-Meldung der APA, wonach sich ÖVP und Grüne auf ein gemeinsames Programm einigen konnten. Das wurde der APA aus Verhandlerkreisen bestätigt.
Damit ist nur noch die Zustimmung der Grünen Gremien Freitag und Samstag notwendig, um die erste türkis-grüne Koalition auf Bundesebene sicherzustellen.
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Und das Programm?
Das wird erst morgen Nachmittag präsentiert. Grob bekannt sind die Herzstücke: Bei den Grünen ist es das Klima-Thema. Sie erhalten ein Superressort, das Umwelt, Infrastruktur, Energie, Technologie und Innovation umfasst. In den nächsten zwei Jahren soll ein Steuermodell samt -Bepreisung auf den Weg gebracht werden, ohne dass die Steuerlast insgesamt steigt. Bis 2040 soll Österreich klimaneutral sein.
Ein zweiter grüner Schwerpunkt ist Transparenz: Wie die Innenpolitik-Kollegen erfuhren, soll der Rechnungshof künftig Parteifinanzen prüfen, ebenso Unternehmen mit einem Staatsanteil ab 25 Prozent.
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Stimmen die Grünen der Sicherungshaft zu?
Für Wirbel in den sozialen Netzwerken sorgte heute ein angeblicher Auszug aus dem Pakt. Darin ist die Rede von der Einführung eines „zusätzlichen, verfassungskonformen Hafttatbestands“, der sogenannten Sicherungshaft. ÖVP und FPÖ wollten diese nach der tödlichen Messerattacke eines illegalen Migranten in Dornbirn einführen. Die geplante Maßnahme war heftig umstritten. Manche Medien wollen daher schon eine "politische Bombe" vor dem Bundeskongress der Grünen am Samstag sehen. Dass der Parteibasis eine solche Maßnahme wenig schmecken dürfte, darf jedenfalls angenommen werden.
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Was darf man von dem Statement jetzt überhaupt erwarten?
Die beiden Parteichefs werden's offiziell machen. Immerhin. Recht viel mehr Informationen werden sie sich voraussichtlich nicht entlocken lassen. Wer jetzt wirklich auf den Staatssekretärs-Posten kommt, wollen die Grünen morgen im Bundesparteivorstand beschließen. Auf eine Bestätigung des SN-Berichts, wonach Ulrike Lunacek hier einspringen wird, wird es heute also wohl nicht geben.
Und auch Inhaltliches werden sich Kurz und Kogler heute eher nicht entlocken lassen. Dafür ist morgen noch einmal ein eigener Termin vorgesehen. Es geht also mehr um Atmosphärisches.
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Wo die Grünen (mit)regieren
In 15 Minuten sollen die beiden Parteichefs vor die Presse treten. Zeit genug, um kurz ins europäische Ausland zu schauen. Dort sind Grüne aktuell in Luxemburg, Finnland, Schweden und Litauen in Regierungsverantwortung - jeweils als Juniorpartner.
In Deutschland, Irland, Tschechien und Lettland regierten sie bereits mit.
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"Die ÖVP kam den Grünen beim Kapitel Transparenz weit entgegen", schreibt Daniela Kittner in ihrer heutigen "Politik von innen". "Der Rechnungshof wird neue Kompetenzen bekommen. Er darf künftig die Parteien richtig prüfen. Er wird Unternehmen mit einem Staatsanteil ab 25 Prozent prüfen. Und er wird bei der Postenvergabe eingeschaltet, damit Vergabekriterien und Gagen künftig transparent und nachvollziehbar sind."
Und: "Die Grünen werden heuer schnelle Erfolge brauchen, denn im Herbst steht eine entscheidende Wahl auf dem Kalender: die Wiener Gemeinderatswahl. Die SPÖ spitzt schon auf etwaig enttäuschte Grün-Wähler. Für die SPÖ geht es in Wien um alles: Nach hundert Jahren könnte der rote Bürgermeister fallen."
Die gesamte "Politik von innen" mit mehr Details, was das politische Jahr 2020 so bringt, lesen Sie hier:
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"Mehr General als Sekretär"
Werner Kogler und Sebastian Kurz lassen noch auf sich warten. Bzw. warten sie wohl vielmehr auf die ZiB2, in der man live in der Winterpalais in der Wiener Innenstadt schalten wird (bei uns sind Sie wie gewohnt ohnehin im Live-Stream dabei).
Wir widmen uns in der Zwischenzeit dem neuen Mann im Innenministerium: Karl Nehammer. Er soll für Sebastian Kurz die Flanke zur FPÖ schließen. Kollegin Raffaela Lindorfer beschreibt den Noch-ÖVP-Generalsekretär im aktuellen KURIER wie folgt:
Er ist passionierter Boxer, versierter Wahlkampfmanager und nunmehr designierter Nachfolger von Herbert Kickl. Der gebürtige Wiener Karl Nehammer wird Innenminister der türkis-grünen Regierung. Kraft seiner Vita – aktuell ÖVP-Generalsekretär, Oberleutnant und laut Sebastian Kurz oft „mehr General als Sekretär“ – wäre er auch für das Verteidigungsministerium infrage gekommen.
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Es ist so weit
Sebastian Kurz startet mit einem Neujahrswunsch - und blickt zuerst noch kurz auf das vergangene Jahr zurück. "Die Regierungsverhandlungen waren nicht einfach", sagt Kurz. "So ehrlich muss ich sein." Die beiden Parteien seien eben sehr unterschiedlich. Aber: "Sowohl wir als auch die Grünen können unsere zentralen Wahlversprechen einlösen." -
Die ÖVP sei gewählt worden, weil sie die Steuerlast senken will. Und die Grünen seien gewählt worden wegen ihres Engagements im Klimaschutz. "Ich will nicht vorgreifen, aber sie werden bei der Präsentation des Programms morgen sehen, dass beides funktioniert: Eine Ökologisierung des Steuersystems - und eine Verringerung der Steuerlast", zeigt sich Kurz zufrieden. Abschließende Worte: "Ich werde alles tun, um den Österreicherinnen und den Österreichern zu dienen."
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Werner Kogler sieht's ähnlich. "Wir haben's uns nicht leicht gemacht, aber dafür sind wir auch nicht gewählt worden."
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"Eher ein gläserner Staat als ein gläserner Bürger"
"Ja, wir haben uns im Klimaschutz auf mehr geeinigt als wir ahnten", sagt Kogler. "Ökologisierung und sozialer Ausgleich geht zusammen", verspricht der Grünen-Chef, der das Land zu einem europaweiten Vorreiter machen will.
Und: Österreich wird transparenter werden, sagt Kogler. "Eher ein gläserner Staat als ein gläserner Bürger."
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"Wer seine Heimat liebt, der spaltet sie nicht"
Uns eint die Einsicht und das Anliegen des amtierenden Bundespräsidenten: "Wer seine Heimat liebt, der spaltet sie nicht", sagt Kogler abschließend. Sein Dank gilt den Verhandlern der ÖVP, aber auch den eigenen.
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Und das war's auch schon wieder
Nachfragen gibt's keine. Knappe sechs Minuten haben die beiden insgesamt gesprochen. Sehr viel mehr werden wir dann morgen um 16.00 Uhr erfahren. Da wird dann das Programm präsentiert (und Journalisten dürfen auch Fragen stellen).
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Am Samstag findet noch der Bundeskongress der Grünen statt. Werner Kogler braucht hier eine Zustimmung von 50+1 Prozent zum Koalitionspakt - und wenn das gelingt, dann könnte die Angelobung bereits am 7. Jänner stattfinden.
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Erste Reaktion der SPÖ
Zur türkis-grünen Einigung auf eine gemeinsame Regierungskoalition erklärt SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung, dass es erfreulich sei, dass Österreich nun endlich eine neue Regierung habe. Türkis-Grün werde "daran zu messen sein, ob sie die Lebenssituation für die Österreicherinnen und Österreicher verbessert". Daher sei es höchst an der Zeit, endlich konkrete Inhalte zu erfahren.
Problematisch sieht Rendi-Wagner das Vorhaben von Türkis-Grün, die Arbeitsmarktpolitik "als Herzstück der Sozialpolitik" aus dem Sozialressort herauszunehmen. Damit verliere der künftige Sozialminister wichtige gestalterische Möglichkeiten, etwa bei Rahmenbedingungen für die Arbeitswelt - Stichwort Digitalisierung - oder auch bei Arbeitszeitfragen.
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Und mit dieser ersten Reaktion vom politischen Gegner verabschieden wir uns fürs Erste. Es werden noch zahlreiche folgen. Mit dem KURIER sind Sie morgen wieder live dabei bei den wichtigsten weiteren Schritten der neuen Koalitionäre. Um 12.20 werden Sebastian Kurz und Werner Kogler bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Gast sein, um 16.00 folgt dann die Präsentation des Programms. Und am Samstag tickern wir live vom Bundeskongress der Grünen in Salzburg.
Einen schönen Abend noch - in Kürze lesen Sie bei uns eine Vorschau auf die wichtigsten programmatischen Eckpunkte der neuen Koalition.
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