SOS-Kinderdorf: Aufsichtsrat im Krisenmodus
Nun ist auch das SOS-Kinderdorf in Osttirol betroffen (Symbolbild)
Diese Woche ist für SOS-Kinderdorf eine äußerst turbulente: Am Donnerstag wählen die Mitglieder des Österreich-Vereins einen neuen Aufsichtsrat. Der aktuelle löst sich infolge des Mitte September publik gewordenen Missbrauchsskandals auf.
Unterdessen tagt seit Montag der Aufsichtsrat von „SOS-Kinderdorf International“, dem Dachverband aller Ländervereine. Laut KURIER-Informationen rollt aus Spargründen eine Kündigungswelle an – es wäre die dritte innerhalb von zwei Jahren. Im Jänner 2024 wurde die Belegschaft um 15 Prozent reduziert, im ersten Quartal 2025 um weitere 20 Prozent.
Aktuell hat der Verband rund 440 Vollzeitäquivalente. 35 Personen sollen beim AMS vorangemeldet worden sein, ungefähr gleich viele Mitarbeiter sollen im Ausland abgebaut werden.
Aus Datenschutzgründen kann das AMS auf KURIER-Anfrage keine Auskunft geben.
Rating ausgesetzt
Aber auch der Kreditschutzverband (KSV 1870) soll bereits alarmiert sein und beim Dachverband angeklopft haben. Auf Anfrage heißt es beim KSV, dass man „aufgrund der aktuellen Berichterstattung“ dabei sei, die Lage zu beobachten. „Da wir derzeit keinen ausreichenden Einblick in die momentane Situation haben, wurde das Rating ausgesetzt und wir geben keine Bonitätsbewertung ab“, so eine Sprecherin.
In der Belegschaft wird schon seit Längerem kolportiert, dass sich das Budget des Dachverbands von 2025 auf 2026 halbieren werde – und dementsprechend auch der Personalstand. Diese Befürchtung soll sich in der Generalversammlung, die am 10. November stattfand, bestätigt haben: Verhandelt wurde dort über ein Budget in Höhe von nur noch 15 bis 20 Mio. Euro für 2026.
Ein Sprecher des Dachverbands konnte zu den Sparplänen vorerst keine Stellungnahme abgeben. Das „International Board“ (Aufsichtsrat) tagt auch heute, Mittwoch, noch.
Machtkampf
Die finanzielle Misere ist zugleich Folge und Ausdruck des Machtkampfes, der in der Organisation schon seit Längerem tobt, schildern Insider gegenüber dem KURIER. Auch die Missbrauchsfälle, die nach und nach bekannt wurden – bzw. noch unter der Decke gehalten werden –, sollen eine Rolle spielen.
SOS-Kinderdorf International ist, wie gesagt, der Dachverband („die Föderation“) und speist sich aus Mitgliedsbeiträgen. Seine Aufgabe ist es, Regeln und Standards für alle zu entwickeln und durchzusetzen – im Kräfteverhältnis der einzelnen Vereine zieht der Verband aber oft den Kürzeren.
Die stärksten Rollen spielen der Österreich-Verein und der deutsche Förderverein „SOS-Kinderdorf weltweit“, ehemals Hermann-Gmeiner-Fonds. Die Macht der Österreicher ergibt sich aus der Tatsache, dass sie die „Gründerväter“ sind und die Markenrechte an „SOS-Kinderdorf“ haben. Die Macht der Deutschen ist finanzieller Natur, weil dort mit Abstand die meisten Spenden fließen. Rund zwei Drittel aller Projekte weltweit werden dem Vernehmen nach mit deutschem Geld finanziert.
Ein dritter „Machtfaktor“, wenn man so will, ist das Wissen über Missstände in den einzelnen Kinderdörfern. Insider kritisieren in dem Zusammenhang den Dachverband, der – wie berichtet – ja die 991-seitige Vollversion eines Berichts der „Independent Special Commission“ (ISC) unter Verschluss hält. Nachdem der KURIER darüber berichtete, berät jetzt der Aufsichtsrat, welche Teile davon der Strafverfolgung übergeben werden. Heute, Mittwoch, könnte es eine Entscheidung geben.
Generell gebe es ein Muster, so die Kritik: Vorfälle würden unter den Teppich gekehrt und bei Bedarf hervorgekehrt, um Druck auf einzelne Verantwortliche auszuüben. Es gibt Stimmen, die auch den aktuellen Skandal um SOS-Kinderdorf Österreich und Gründer Hermann Gmeiner in diese Kategorie einordnen.
Kinder als Leidtragende
Die Leidtragenden dieser Konflikte könnten letztlich die Kinder sein: In Österreich sorgt man sich, dass Spenden ausbleiben. Aus dem Dachverband heißt es unterdessen, dass – wenn die Mitglieder ihn weiterhin finanziell aushungern – auch internationale Operationen gefährdet sein könnten.
„SOS-Kinderdorf International“ betreut Projekte in rund 30 Ländern der Welt, in denen es keine eigenen Ländervereine gibt – etwa in Ruanda und Äthiopien. Eingefädelt wurden entsprechende Deals vom früheren Präsidenten Helmut Kutin. Geht der Dachverband pleite, ist fraglich, wer diese übernimmt.
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