Studie: So schlägt sich Corona auf unser Gemüt
Den Grund-Optimismus der Österreicher kann das Virus nicht vertreiben. Zwar schwankt die Zuversichtskurve mit den Infektionszahlen, aber unterm Strich stehen immer noch zwei Drittel Optimisten einem Drittel Pessimisten gegenüber. Vor der Krise war das Verhältnis mit 70 Prozent Optimisten zu 30 Prozent Pessimisten nicht wesentlich anders.
Eine bittere Entwicklung gibt es hier dennoch: Die Jugendlichen bis 29 Jahren sind zu 40 Prozent, und damit überdurchschnittlich, pessimistisch. „Viele Junge fürchten um ihre Lebenschancen“, sagt Integral-Chef Bertram Barth. Das Integral-Institut hat in einer Tiefenanalyse die Gefühlslage der Österreicher vor der Krise, zum Lockdown im März, bei den ersten Lockerungen im Mai und nun, Anfang Oktober, erhoben.
Seit März hat die Beschäftigung der Menschen mit der Pandemie etwas nachgelassen. Aber Corona bestimmt immer noch unseren Alltag. Im Oktober sagen drei von vier Österreichern, dass sie sich „sehr“ oder „eher schon“ mit dem Coronavirus beschäftigen.
Einem Viertel reicht’s
Jeder Vierte aber schert bereits aus, will sich nicht mehr mit dem Virus beschäftigen und hält die Maßnahmen für übertrieben. 30 Prozent machen sich keine Sorgen, dass sich das Virus unkontrolliert ausbreiten könnte. Auffallend ist, dass in dieser Gruppe besonders viele FPÖ-Wähler zu finden sind. Barth: „Das ist der harte Kern derer, die den Staat und seine Institutionen sehr kritisch sehen, und die staatliche Eingriffe ablehnen. Diese Gruppe ist lautstark, aber nicht die Mehrheit.“
Von Panik zur Besorgnis
Generell hat sich die Gefühlslage von März auf Oktober geändert. „Im März herrschte Panik. Die ist einer Besorgnis gewichen“, sagt Barth. Die Sorge um die Gesundheit ist geringer worden, die Sorge über Auswirkungen der Krise auf die Gesellschaft und die Demokratie hat zugenommen. Unverändert hoch und auf Platz 1 rangiert die Sorge über „allgemeine wirtschaftliche Folgen“. Die Menschen sind zu 85 Prozent davon überzeugt, dass die Krise dauerhaft Arbeitsplätze vernichten wird. Zwei Drittel glauben, dass die Corona-Maßnahmen die Zukunftschancen junger Menschen schmälern.
Kompetenz gefragt
Die Krise ändert auch unseren Blick auf die Parteien. „Man achtet mehr auf die Kompetenz“, sagt Studien-Co-Autor Martin Mayr. Im März gab es einen enormen Vertrauensschub für den Staat, die Institutionen und die Parteien. „Dieser Vertrauenvorschuss wurde inzwischen aufgebraucht“, sagt Mayr. Diese Entwicklung zeigt sich deutlich am Beispiel ÖVP. Im März gestanden sieben von zehn Befragten der ÖVP „Lösungskompetenz“ zu, jetzt tun dies nur noch vier von zehn. Allerdings liegt die ÖVP immer noch deutlich vor allen anderen Parteien, auch vor der langjährigen Kanzlerpartei SPÖ. Ihr attestiert nur jeder Vierte Lösungskompetenz.
Die Imagegewinner in der Krise sind:
Das Gesundheitswesen: 40 Prozent haben jetzt mehr Vertrauen in das Gesundheitswesen als vor der Krise, 23 Prozent haben weniger – ein positiver Saldo von 17 Prozent.
Die Hilfsorganisationen wie Caritas und Rotes Kreuz: Sie konnten einen Teil des Vertrauensplus’ vom März bis heute herüberretten, während alle anderen Institutionen wieder auf Vorkrisenniveau zurückgefallen sind.
Man „sudert“ wieder
Das trifft auch auf die Bundesregierung zu. Im März hatte das Lob für die Krisenbewältigung der Regierung außergewöhnliche 80 Prozent betragen. Anfang Oktober bewerteten hingegen nur noch 46 Prozent der Bevölkerung das Krisenmanagement der Regierung positiv. „Im März gab es eine Burgfriedensituation, einen Schulterschluss. Jetzt ist wieder die übliche Suderei eingekehrt“, sagt Barth. Wobei die „Zukunftsmilieus“ – die jüngeren, digital-affinen Individualisten – besonders unzufrieden mit der Regierung sind. Barth: „Sie bangen um ihre Jobaussichten und ihre Ausbildung.“
Ampel fällt durch
Auch die Corona-Ampel ist ein Beispiel für schlechtes Krisenmanagement. Von nur 26 Prozent bekommt die Ampel eine positive Note, von 44 Prozent eine negative.
Insgesamt wächst die Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Regierung. Im März waren sie 13 Prozent der Bevölkerung zu wenig streng und 12 Prozent zu streng. Satte 75 Prozent waren damals jedoch zufrieden.
Zu viel oder zu wenig?
Seither wächst vor allem das Lager derer, denen die Maßnahmen zu weit gehen: Inzwischen beträgt es schon fast ein Drittel. Aber auch diejenigen, denen zu wenig geschieht, werden mehr: nämlich schon ein Fünftel.
Zufrieden mit dem Kurs der Regierung ist die Hälfte der Bevölkerung. Übertrieben viel ist das nicht.
Unter den Unzufriedenen gibt es – wie zu erwarten – viele FPÖ-Wähler, aber auch Haushalte mit Kindern. Ein Indiz, dass die Kombination aus Homeschooling und Homeoffice Eltern überfordert.
Beliebtes Homeoffice
Das Integral-Institut hat auch die Erfahrungen mit dem Homeoffice erforscht. 45 Prozent der Bevölkerung haben seit dem Lockdown zumindest teilweise im Homeoffice gearbeitet. Und von diesen war es für 71 Prozent eine neue Erfahrung.
Jeder Zweite, der im Homeoffice arbeitet, ist damit überwiegend zufrieden. Nur für elf Prozent überwiegen die Negativa – und auch da sind es Frauen mit Kindern, die etwas kritischer sind – ein weiteres Indiz für Mängel beim Homeschooling.
Der KURIER bat die Forscher von Integral, auch zu erheben, wie viele Menschen bereit sind, aus Rücksicht auf gefährdete Personen persönliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Das Ergebnis stellt den Österreichern ein gutes Zeugnis aus: 27 Prozent würden sich „stark“ einschränken, 52 Prozent „etwas“ einschränken. Also sind 79 Prozent bereit, persönlich für andere zurückzustecken. Sieben Prozent lehnen das ganz ab, 14 Prozent eher ab. Unter den letzteren 21 Prozent befinden sich erneut überdurchschnittlich viele FPÖ-Wähler.
Vorurteil über Jugend
Das Bild, das die Österreicher von ihren Mitmenschen haben, ist schlechter, als die Menschen sind. Obwohl sich die Jungen zu 75 Prozent zu persönlichen Einschränkungen bereit erklären, meinen 82 Prozent aller Befragten, „die Jungen wollen lieber Partys feiern“. Immerhin 62 Prozent glauben, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen in der Corona-Krise gestiegen ist.
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