Sloterdijk: "Die falsche Unendlichkeit der Brennstoffe"

Sloterdijk: "Die falsche Unendlichkeit der Brennstoffe"
Der deutsche Philosoph über Klimakrise, Migration und künstliche Intelligenz.

KURIER: In Ihrem Buch „Die Reue des Prometheus“ sagen Sie, Prometheus würde es heute, angesichts der Klimakrise bereuen, den Menschen das Feuer gebracht zu haben. Nun steht aber die Tat des Prometheus mythologisch gesehen an der Wiege von Zivilisation und Aufklärung. Ist Ihr Buch demnach eine Abkehr davon?

Peter Sloterdijk: Nein, im Gegenteil. Zivilisation und Aufklärung sind unbedingt wertvoll, solange sie sich innerhalb bestimmter Maßverhältnisse vollziehen. Mit dem modernen pyrotechnischen Titanismus wird aber eine pseudo-rationale Revolte gegen die Vorstellung des Maßes vollzogen. In der klassischen oder vormodernen Welt sind Brennstoffe knapp, Holz ist ein langsamwüchsiges Gut. Und dass man jedes Holzscheit nur einmal verbrennen kann, liefert das Axiom der maßvollen Energie-Vernunft. Nachdem aber die Menschen seit dem 18. Jahrhundert mittels der Kohle und vom 20. Jahrhundert an durch Erdöl und Gas eine Art falsche Unendlichkeit von Brennstoff in die Zivilisation eingeschleust haben, sieht Prometheus den Vertrag, den er mit den Menschen geschlossen hatte, gebrochen.

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