Sexismus: Jetzt reden die Männer

Sexismus: Jetzt reden die Männer
Haben in der aktuellen Sexismus-Debatte auch die Männer etwas zu sagen? Ja, meinen sie und wir. Zehn prominente Österreicher erzählen, wo für sie die Grenzen zwischen Kompliment, Flirt und sexueller Belästigung liegen.

Seit Tagen wird über das Thema Alltagssexismus diskutiert. Frauen schildern ihre Erfahrungen mit übergriffigen Männern, die #Aufschrei-Aktivistinnen Anne Wizorek und Nicole von Horst touren durch deutsche Talkshows. Eine längst fällige Debatte, die aber auch zu der Frage führt: Was ist erlaubt, was nicht? Laut von Horst sei das Kompliment eines Mannes umstritten, weil „es die Frau zum Objekt macht, und sie auf das Äußerliche reduziert werde.“ Und nein, es gehe nicht um „seine“ Befindlichkeit.

Großer Mann, was nun? Es herrscht Verwirrung. Ist es für „ihn“ überhaupt noch erlaubt, etwas zum Thema zu sagen? Ist so manch locker dahergesagte Schmäh automatisch eine Schmähung? Geraten Komplimente zur aussterbenden Spezies? Höchste Zeit, dass die Frauen mit Männern darüber reden. KURIER-RedakteurInnen haben zehn prominente Männer, die viel mit Frauen zu tun haben, gefragt, wie sie mit diesem Thema umgehen. Heute und in Zukunft.

Sexismus: Jetzt reden die Männer
Stefano Bernardin
„Am Gegenüber ablesen, wie weit man gehen kann“ Stefano Bernardin, Schauspieler

Ich bin nicht gerade auf den Mund gefallen, aber ich versuche immer am Gegenüber abzulesen, wie weit ich gehen kann. Man muss das abschätzen können, das ist eine Sache des Respekts. Und wenn man jemanden wirklich anziehend findet, dann merkt man das auch ohne Worte. Furchtbar finde ich Männer, die Minirock und Nylonstrümpfe als Einladung sehen und dann sagen: ‚Na die hat’s ja so gewollt.‘ Solche Männer gibt es leider nach wie vor. Prinzipiell sollte man alles tun, um Schwächeren zu helfen, egal ob das ein Mann oder eine Frau ist. Wenn man Po-Grapschen unter Strafe stellt, dann soll das für alle gelten. Auch Männer werden sexuell belästigt.

Sexismus: Jetzt reden die Männer
APA5253944 - 15092011 - WIEN - ÖSTERREICH: Fotograf Manfred Baumann anl. der Eröffnung seiner Ausstellung "Life - Unretuschiert & Unzensiert" am Donnerstag, 15. September 2011, in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
„Spannung am ersten Blickkontakt erkennen“ Manfred Baumann, Fotograf

Ich bin sehr oft mit Erotik konfrontiert, weil in meinem Beruf natürlich viel mit dem Thema gespielt wird. Im Gegensatz zu den Casting-Couches in den 80er-Jahren sind die heutigen Damen viel emanzipierter. An einem Foto-Set ist es gar nicht so erotisch, wie man sich das vorstellt. Meist stehen so viele Stylisten und Assistenten herum, dass man gar nicht auf andere Gedanken kommt. Die Models und Schauspieler sind Vollprofis, die in diesem Umfeld trotzdem sexy wirken können. Einem Supermodel ein Kompliment zu machen, heißt nicht, ihr zu sagen, dass sie super aussieht, sondern dass sie gut arbeitet und auf den Fotos gut rüberkommt. Umgekehrt schweifen bei den Visagistinnen die Blicke eher ab, wenn da ein männliches Model vom Typ Cola-Light-Man steht. Generell sollte man sich schon beim ersten Blickkontakt auskennen, ob es eine Spannung gibt und ob der andere den Blick erwidert. Wenn das nicht so ist, muss der Mann oder die Frau zurückstecken – das ist in der Tierwelt ja nicht anders.

„Sexisten sind für junge Männer immer nur die anderen“ Philipp Ikrath, Jugendforscher

Bei meinen Interviews mit jungen Frauen und Männern zeigt sich leider, dass die alten Rollenbilder auch bei jungen Menschen noch sehr stark verankert sind. Das Problem ist, dass viele junge Männer glauben, dass sie aufgeklärt sind. Sexisten sind für die immer nur die anderen. Sie selbst sind ja charmant. Dabei wissen sie oft gar nicht, wo die Grenzen sind. Dazu kommen auch noch hormonelle Wallungen. Die meisten Mädchen und Burschen tauschen sich nur in ihren Geschlechtergruppen aus. Sinnvoller wäre es, die Dinge offen beim Namen zu nennen. Jungen Männern rate ich ganz allgemein: Es gibt einfach unterschiedlich sensible Menschen. Daher sollte man als Mann dann, wenn man sein Gegenüber noch nicht so gut kennt oder sich nicht sicher ist, mit seinen Formulierungen und seinem Verhalten nicht die Grenzen unnötig ausloten.

„Man sagt etwas und weiß nicht, wie es ankommt“ Florian Gschaider, Tanzlehrer

Ich finde, Sexismus ist ein sehr schmaler Grat. Manche Frauen werden sich wahrscheinlich geschmeichelt fühlen, wenn man ihnen sagt, dass sie eine gute Figur haben, oder dass ihnen ein Dirndl außergewöhnlich gut steht. Andere werden sagen, das ist ihnen zu viel, da wurde eine Grenze überschritten, das wollen sie nicht. In der heutigen Zeit der Emanzipation und der Frauenbewegung ist es gefährlich, wenn man sich in diesem Bereich bewegt. Wenn man eine Frau nicht gut kennt, sollte man Komplimente, die man missverstehen kann, lieber unterlassen. Erst wenn ich der Meinung bin, sie versteht das, was ich ihr sage als Spaß und damit so, wie es gemeint war, dann würde ich es tun, sonst kann das schlecht ausgehen. Ich bin grundsätzlich eher für Zurückhaltung im Umgang miteinander. Das Sexismus-Thema polarisiert immer mehr, und gerade am Arbeitsplatz wird es für Männer immer gefährlicher. Man sollte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Das Wort ist generell das Problem, man sagt etwas, und wie es beim anderen ankommt, das weiß man nicht. Es ist ein Sender-Empfänger-Problem.

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APA10898758 - 09012013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 0145 KI - Der Schauspieler Wolfgang Böck feiert am 14. Jänner 2013 seinen 60. Geburtstag (ARCHIVBILD vom 17. August 2007). APA-FOTO: GUENTER R. ARTINGER
„Die Menschen müssen mehr reden und zusammenrücken“ Wolfgang Böck, Schauspieler

Die Debatte hat ihre Berechtigung, aber so, wie sie jetzt stattfindet, halte ich sie für überzogen. Mir fehlen dabei Sachlichkeit und Ruhe. In Deutschland und Österreich sind die Medien aufgesprungen. Klar, das ist ein gutes Geschäft. Die Zeitungen und Talkshows sind voll mit dem Thema, als hätten wir keine andere Probleme. Aber man sollte das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Was ist das Nächste? Geschlechtergetrennte U-Bahn-Eingänge? Dass man anderen Menschen nicht absichtlich zu nahe tritt, ob körperlich oder verbal, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber wenn mir eine Frau sagt, nur weil ich ihr in den Mantel helfen will, dass sie auf dieses Machogehabe verzichten kann, ist man auch leicht irritiert. Und man fragt sich, ist es auch sexistisch einer Frau Feuer für die Zigarette anzubieten? Aber die Menschen sind halt unterschiedlich. Wenn alle mehr zusammenrücken, mehr miteinander reden und sich an die Menschenrechtskonvention halten würden, dann hätten wir manche Probleme so nicht. Die Menschenrechtskonvention sollte auch an den Schulen stärker gelehrt werden.

Sexismus: Jetzt reden die Männer
BILD zu OTS - Hannes Jagerhofer, Gründer und Eigentümer der Agentur ACTS
„Medien setzen oft bewusst attraktive Frauen ein“ Hannes Jagerhofer, Eventmanager

Das Thema Sexismus aufzugreifen finde ich sehr wichtig, nur die aktuelle Diskussion erscheint übertrieben. Ich glaube, man hat da etwas gefunden, wo auch andere Interessen dahinterstecken. Ich weiß, dass manche Medien oft bewusst attraktive Frauen einsetzen, um an bestimmte Informationen zu kommen. Wichtig ist ein gesunder, gegenseitiger Respekt zwischen Männern und Frauen. Ob ich jetzt als Mann Angst habe? Nein, ich glaube, dass ich das, was ich sage, sehr gut abschätzen kann. Ich habe in Amerika gelebt und weiß, dass man dort extrem vorsichtig sein muss.

Sexismus: Jetzt reden die Männer
APA3661269 - 24022011 - WIEN - ÖSTERREICH: vlnr. Sängerin Tini Kainrath und Kabarettist Reinhard Nowak, anl. einer Charity-Gala und Weinversteigerung, bei der Prominente ein 7-gängiges Menü zugunsten von Global Family und dem Therapiezentrum Weidenhof servieren, am Donnerstag 24. Februar 2011, in Wien. APA-FOTO: ANDREAS PESSENLEHNER
„Ein Schmäh ist nicht arg, wenn keine Macht ausgenützt wird“ Reinhard Nowak, Kabarettist

Ich komme aus einem Bereich, wo gerne einmal ein Schmäh gemacht wird, auch ein anzüglicher. Da sehe ich noch kein Problem. Schlimm ist es aber, wenn dabei eine Machtsituation ausgenutzt wird und sich die Frau aus Angst nicht zurückreden traut. Aber so weit gehen, dass man Frauen keine Komplimente mehr machen darf, finde ich nicht gut. Klar, Männer, die überheblich sind und jede Frau anbraten, obwohl sie diese nicht einmal kennen, sind wirklich schlimm. Mir wurde auch schon für eines meiner Stücke Sexismus vorgeworfen – und zwar von Männern. Die fanden, ich sei zu frauenfeindlich. Ich spielte eine Rolle, in der ich dieses klischeebehaftete Männerbild verkörperte. Lustigerweise fanden das Frauen, die ich gefragt habe, gar nicht sexistisch. Ich fände es gut, wenn sich Frauen verstärkt verbal wehren würden. Bei manchen Sachen, die nicht ernst gemeint sind, würde ich mir ein bisschen mehr Humor wünschen, aber das ist Geschmackssache und kommt auf die Situation an.

Sexismus: Jetzt reden die Männer
APA6815634-2 - 09022012 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Chef der Universitäts-Frauenklinik, Peter Husslein, am Donnerstag, 09. Februar 2012, im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema "Im AKH abgewiesene Schwangere" in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
„Positives auf Augenhöhe zum Ausdruck bringen“ Peter Husslein, Frauenarzt

Als Mann habe ich kein Problem, Grenzen zu respektieren. Wer sich als Gynäkologe dessen nicht bewusst ist, hat seinen Beruf verfehlt. Ich bin sehr dafür, das Thema Sexismus intensiv zu diskutieren. Es geht um Fragen eines respektvollen Umgangs, es geht um Anstand, Benehmen und Manieren. Männer müssen mehr darüber nachdenken, wie man in unserer Gesellschaft miteinander umgeht. Man darf einer Frau durchaus sagen, dass sie ein schönes Kleid trägt. Auch gute Arbeit verbal zu honorieren, ist ein Kompliment. Es geht darum, Positives zum Ausdruck zu bringen, aber in einer der Situation angemessenen Form und auf Augenhöhe. Es ist ein Unterschied, ob ich sage „Der Haarschnitt steht Ihnen gut“ oder „Sie könnten auch ein Dirndl ausfüllen“.

„Entscheidend ist ein respektvoller Umgang miteinander“ Dominik Thalhammer, Trainer der Frauenfußball-Nationalmannschaft

Generell darf es nicht angehen, dass Autoritätspositionen ausgenützt werden, weder von Männern noch von Frauen. Sexismus ist für mich und für die Sportlerinnen in der täglichen Arbeit kein explizites Thema. Ich halte mich an einen eigenen Kodex, den ich mir schon in meiner Zeit als Männer-Trainer erarbeitet habe. Ich glaube, dass eine gewisse Distanz zwischen Trainer und Spielern Probleme erst gar nicht entstehen lässt. Entscheidend ist auch ein respektvoller Umgang miteinander. So bin ich als Mann bisher auch noch nie verdächtigt worden, meine Position ausgenützt zu haben. Bei den im Fußball üblichen Einzelgesprächen achte ich darauf, mit den Spielerinnen möglichst klar und unmissverständlich zu sprechen. Mein Kommunikationsverhalten musste ich aber leicht adaptieren. Vor allem bei Generalisierungen muss man vorsichtig sein. Denn unterschiedliche Charaktere gibt es bei den Frauen ebenso wie bei den Männern. Aber ich habe gelernt, dass Fußballerinnen emotionaler sind und auch mehr Gerechtigkeitssinn entwickeln als ihre männlichen Kollegen.

Sexismus: Jetzt reden die Männer
„Flirtverhalten ist kontext- und kulturabhängig“ Karl Stifter, Sexualforscher

Unerwünschte erotische Berührungen oder Worte verletzen einen intimen und hochsensiblen Bereich. Sie werden daher als besonders respektlos empfunden, und wir alle reagieren darauf empfindlich. Als Orientierungshilfe für einen männlichen Verhaltenskodex kann gelten: Wie ginge es mir, wenn es meine Frau oder Tochter beträfe? So gesehen wollen wir alle gewisse Grenzen. Flirtverhalten ist kontext- und kulturabhängig: Auf einem Feuerwehrfest sind bei einem 60-jährigen Bauern andere Maßstäbe anzulegen als im Großstadtbüro. Und in einer schummrigen Bar in Bayern andere als im Mormonenstaat Utah. Deshalb kann sexuelle Belästigung auch nicht einseitig festgelegt werden. Außerdem ist nicht zu übersehen: Die Sexualität wird auf eine Art diszipliniert, die an alte Volksschulmethoden oder an die USA erinnert. Wir brauchen als Gegenreaktionen einen weiterentwickelten europäischen Sittenspiegel, in dem schützenswerte regionale Feinheiten wie Charme, Grandezza, Anmut, Flirt und Schmäh nicht nur Mittel zum Zweck, sondern gleichzeitig auch Ausdruck einer respektvollen Haltung dem anderen Geschlecht gegenüber sind. Gesetzliche Vorschriften würden hier geradezu zu willkürlicher Auslegung und zum Missbrauch des Gesetzes einladen.

Weiterlesen: Die KURIER-Kolumnisten Doris Knecht und Michael Hufnagl über falsch verstandene Komplimente, Dekolletés und Macht

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