Wie hat der ehemalige Neos-Politiker die bisherigen Lockdowns überbrückt? Er habe „Präsenz gezeigt“: Den Online-Shop umgestellt, öffentliches Kochen veranstaltet, Mitarbeiter konsequent weiterbeschäftigt. Corona-Hilfen wie die Umsatzsteuersenkung, die nun mit Jahresende ausläuft, hätten geholfen, lobt Schellhorn Ex-Finanzminister Gernot Blümel. Dieser habe wenigstens zugehört, nachgefragt, sei konstruktiv gewesen. Und die anderen Minister? Die Corona-Politik sei ein „Hü-Hott“ aus „PR-getriebenen“ Versprechungen gewesen. Tiefpunkt: als ÖVP und Grüne öffentlich über den Lockdown stritten.
Da habe er sich sogar die türkise Message Control zurückgewünscht, scherzt Schellhorn: „Als Unternehmer bin ich ja nur mehr Passagier. Es wäre mir schon wurscht gewesen, ob sie A oder B beschließen. Hauptsache A oder B, aber nicht A und B.“ Ja, in den vergangenen Tagen habe es ihn immer wieder gejuckt, „ihnen auf Twitter eine reinzutuschen“.
Noch hält er die Twitter-Finger eher still: Am 24. Juni hatte Schellhorn seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Neben der zunehmend „toxischen“ Sprache habe ihn das Dasein als Oppositioneller frustriert: Anträge werden vertagt, Vorschläge nicht einmal diskutiert. „Das ist von dieser Kurz-Köstinger-Partie ausgegangen, die einfach die Parole ausgegeben hat: Wurscht, welche guten Ideen die haben, wir wollen von denen einen Schulterschluss, und dass sie die Papp’n halten.“ Am Tag seines Rücktritts sei er im Kulturausschuss gewesen – und habe eine „Vertagungsorgie“ erlebt. „Als ich hinausgegangen bin, hab ich gesagt: Jetzt habe ich den richtigen Schritt gemacht.“
Gibt es dennoch Comeback-Pläne? Was, wenn die Neos in der nächsten Regierung sitzen? Laut aktuellen Umfragen durchaus möglich.
„Ich bin nicht in der Position, Forderungen zu stellen“, sagt Schellhorn. Wichtig sei, auch ohne ihn, den Fokus auf Zukunftsfragen zu legen anstatt auf Vergangenheitsbewältigung in U-Ausschüssen: „Wie stellen wir das Krisenmanagement neu auf? Wie gehen wir mit diesen Wahnsinnsschulden nach der Krise um?“ Niko Alm, bis 2017 Neos-Abgeordneter und Schellhorn eng verbunden, sagt: „Ich glaube ja nicht, dass er völlig mit der Politik abgeschlossen hat.“ Klar ist: Ohne Schellhorn fehlt den Neos als Wirtschaftspartei im Parlament ein waschechter Unternehmer. „Natürlich geht er uns ab. Er ist eine Marke, ein Original“, sagt Schellhorns Nachfolger als Wirtschaftssprecher, Gerald Loacker.
Sozial, aber nicht christlich
Doch dieser Spagat – Politik in Wien, Unternehmertum in Salzburg – war auch Teil des Problems. Vor allem der erste Lockdown, im März 2020, sei „eine enorme Belastung gewesen“, so Schellhorn. Er pendelte zwischen seinen Lebenswelten, fuhr Tausende Kilometer, beantwortete eine Flut an Mails besorgter Unternehmer, hatte aber gleichzeitig Sorge um die eigenen Betriebe, die eigenen Angestellten – und schlaflose Nächte: „Ich habe gewusst: Ich muss jetzt bei meinen Mitarbeitern sein, sonst bricht alles auseinander.“
Auch die Fülle an Funktionen könnte toxisch gewesen sein. Schellhorn war parallel stellvertretender Neos-Chef, Wirtschafts-, Tourismus- und Kultursprecher, Landessprecher in Salzburg: „Ich frage mich sowieso, wie er das angestellt hat“, sagt Alm. Dazu noch zivilgesellschaftliches Engagement, etwa 2015 in der Flüchtlingskrise.
Er hat Mitarbeitern als Überbrückung und Flüchtlingen als Starthilfe Geld geliehen. „Manches hab ich nicht mehr zurückgekriegt, bei manchen hat es sich aber ausgezahlt“, sagt Schellhorn.
Was ist seine soziale Triebfeder? Für Wirtschaftsliberalismus stehen ja eher Slogans wie „Geiz ist geil“. Und Christlich-sozial ist er auch nicht. „Das, was die Religionen im Großen und Ganzen an uns anrichten, ist absurd“, sagt Schellhorn. Das irdische Glück, „in einem Land wie Österreich leben zu dürfen“, inspiriere ihn als Liberalen, sozial zu sein. „Sepp ist einer, der sich immens um andere kümmert“, erzählt Alm. „So ruppig er nach außen manchmal aufgetreten ist, so einen weichen Kern hat er“, sagt Loacker.
Aktuell kann sich selbst Schellhorn keine großen Spendierhosen leisten. Seine Betriebe stünden zwar gut da, aber: „Wenn’s jetzt noch einmal einen Lockdown gibt, weiß ich nicht, wie es weitergeht. Das muss ich sagen.“
Schellhorn befürchtet, dass der Fachkräftemangel zunimmt, dass künftig noch mehr Mitarbeiter nach Südtirol, Deutschland oder in die Schweiz abwandern. In Österreich gebe es rund 40.000 Gästebetten zu viel. „Wir sind – das verwundert wahrscheinlich viele – im Winter das billigste Urlaubsland in den Alpen.“ Es brauche eine Marktbereinigung, und zwar über eine Abwrackprämie, die touristischen Zombieunternehmen das Zusperren erleichtere.
Schellhorn muss gleich wieder los, der Terminkalender ist dicht: nach Salzburg auf den Mönchsberg zu seinem Szenelokal, dem M32. Vorher wird er noch einmal etwas lauter: „Dieses oft geäußerte Bekenntnis der Regierung, dass sie die Klein- und Mittelbetriebe unterstützt, hab’ ich noch nie gespürt. Die KMU ziehen den Karren aus der Scheiße. Das wissen die Politiker, aber sie verarschen sie tagtäglich.“
Was bräuchte es? „Mitarbeiter müssen mehr verdienen und weniger kosten. Der Kostenfaktor Arbeit muss entlastet werden, das wäre die größte Wirtschaftshilfe“, sagt Schellhorn.
Eigentlich ist er immer noch zu politisch, um bloß ein Ex-Politiker zu sein.
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