Definitiv. Und es geht über die WKStA hinaus. Ich halte das für eine sehr, sehr gefährliche Entwicklung. Wenn die Politik dauernd behauptet, dass die Justiz nicht korrekt arbeite, dann bleibt bei der Bevölkerung irgendwann etwas hängen. Zu verbreiten, dass unser Rechtsstaat nicht mehr funktioniere, ist der erste Stein, den man rausklopft auf dem Weg zu einer anderen Staatsform. Wenn die Menschen zweifeln, ob es gerecht zugeht, wird die Moral untergraben. Und es wird der Wirtschaftsstandort geschädigt, wenn Firmen glauben, dass sie in Österreich nicht mehr zu ihrem Recht kommen.
Wie wollen Sie die Situation ändern?
Das Wichtigste ist, dass wir die saubere Trennung von Justiz und Politik schaffen, sodass man uns nicht weiter vorwerfen kann, dass wir politisch agieren würden. Das ist genau die Aufgabe, die die neue Weisungsspitze schaffen muss. Wir hoffen sehr darauf.
Sie sprechen von der neuen Bundesstaatsanwaltschaft, die die Justizministerin als oberste Weisungsbehörde ablösen soll. Wie soll sie denn aussehen?
Sie soll ein Gremium aus drei Personen sein. Alle drei Stimmen sollen gleich viel zählen, und sie sollen weisungsfrei entscheiden können. Wenn eine Person neu zu besetzen ist, soll ein Senat aus neun Richtern und Staatsanwälten einen Dreiervorschlag für die Nachbesetzung erstellen. Der Bundespräsident soll davon eine Person auswählen und ernennen.
Wer soll die Bundesstaatsanwaltschaft kontrollieren?
In laufenden Einzelverfahren soll die Arbeit der Staatsanwaltschaft vom Gericht kontrolliert werden. Nur so kann die dringend erforderliche Trennung von Justiz und Politik gelingen. Nach Abschluss der Verfahren soll das Parlament jedoch alle nötigen Informationen bekommen, um beurteilen zu können, ob es Gesetze ändern will. Die Verwaltung der Staatsanwaltschaften würde zum größten Teil bei der Justizministerin verbleiben und damit der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.
Die Zahl der politischen Verfahren ist gestiegen. Woran liegt das? Wird mehr angestellt? Oder fliegt mehr auf?
Durch die digitalen Spuren, die jeder jeden Tag hinterlässt, kann man mehr entdecken. Es gibt aber auch die Tendenz, mehr anzuzeigen, teilweise berechtigt, teilweise aus politischem Kalkül.
Politiker stehen Ermittlungen der Justiz oft verständnislos gegenüber, weil sie sagen: Das hamma immer so gemacht, wieso ist das auf einmal kriminell? Hat sich die Gesetzgebung geändert? Ist die Sicht auf österreichische Gebräuche seit dem EU-Beitritt strenger geworden?
Insbesondere im Bereich der Korruption wurde das Strafrecht ausgeweitet. Auch wird international vieles anders gesehen als hierzulande.
Warum dauern Ermittlungen der Justiz oft so lange?
Fast alle Kriminalitätsformen spielen sich inzwischen im Internet ab. Daher sind Unmengen an Daten auszuwerten. Auch dauert es bis zu sechs Monate, um ein gesperrtes Handy zu knacken, bis der Algorithmus den Code gefunden hat. Hinzu kommt, dass es bei internationalen Verfahren, die über die EU hinausgehen, sehr viel Bürokratie gibt. Da brauchen wir dringend engere Kooperation.
Wie viel Prozent Ihrer Arbeit nimmt die Bürokratie ein?
Einen sehr hohen Anteil. Wir haben den internen Spruch: „Dokumentierst Du noch, oder ermittelst Du schon?“ Das ist der Vorsprung, den die Täter im Internet haben. Sie wissen, wir sind langsam. Daher müssen wir besser vernetzt sein.
Die Rechtsanwälte fordern Restriktionen beim Auswerten beschlagnahmter Handys. Die Staatsanwälte sind skeptisch. Warum?
Normalerweise vernichten wir, wenn wir ein Handy sicherstellen, alle Daten, die für das Strafverfahren irrelevant sind. Im speziellen Fall Ibiza jedoch müssen wir laut Verfassungsgerichtshof auch Daten an den Untersuchungsausschuss liefern, die über den Strafakt hinaus gehen. Das Parlament bekommt sohin mehr Informationen, als es normalerweise in einem Strafverfahren gibt. Ich bin mir daher nicht sicher, ob wir uns die richtigen Fragen stellen, wenn wir in diesem Zusammenhang über Änderungen der Strafprozessordnung diskutieren. Es gilt zu bedenken, dass die Sicherstellung von Handys bei der Aufklärung von Kinderpornografie oder Suchtgiftkriminalität eine große Rolle spielt.
Was würden Sie für die Zukunft wünschen, wenn U-Ausschuss und Strafverfahren wieder parallel laufen?
Dass wir uns besser abstimmen und so gemeinsam das Beste für den Staat herausholen.
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