ÖVP-Landeshauptmann Haslauer: "Die politische Stimmung ist sehr verpestet"
Der ÖVP-Politiker bezeichnet sich als „wertetreu“ und kritisiert die allgemeine „Kriminalisierung der Politik“, weil damit auch die Wähler das Gefühl bekommen, im falschen System zu leben.
KURIER: Sie sind jetzt exakt 20 Jahre in der Politik, elf davon als Landeshauptmann. Bereuen Sie es schon, nach der Landtagswahl im vorigen Jahr weitergemacht zu haben?
Wilfried Haslauer: Nein, gar nicht. Es war eine bewusste Entscheidung, anzutreten und die Wahl zu gewinnen, was ja auch gelungen ist.
Sie haben eine schwierige Koalition mit den Freiheitlichen geschlossen, und man hat seither den Eindruck, dass Sie die Politik nicht mehr so interessiert.
Das ist sicher ein falscher Eindruck und hängt möglicherweise damit zusammen, dass ich mich etwas zurücknehme, im Inneren aber dennoch die Zügel in der Hand habe. Ich bin nicht der Typ, der immer auf der Titelseite sein muss. Ich lasse auch anderen Raum.
Es gibt ja sogar schon einen Kronprinzen, Stefan Schnöll, den Sie selbst dazu ernannt haben. Warum tun Sie sich das Amt noch an?
Ich habe vor der Wahl gesagt, dass ich noch lange bleiben werde in der neuen Regierung, daran halte ich mich.
Ihnen wird auch Mitschuld an der krachenden Niederlage der Salzburger Stadt-ÖVP gegeben.
Als Parteiobmann ist man letztverantwortlich – egal, ob man etwas dafür kann oder nicht. Positives wird seltener erwähnt: Wir stellen ja immerhin wieder 75 Prozent aller Bürgermeister. Insgesamt war das Ergebnis nicht so schlecht. In der Landeshauptstadt sind wir auf ein Stimmenniveau zurückgefallen, das im langjährigen Durchschnitt liegt. Salzburg ist keine schwarze Stadt. Das ist nicht zufriedenstellend, aber aus jeder Niederlage keimt die Möglichkeit für Erneuerung und künftige Siege.
Ihr Vater war bereits Landeshauptmann. Da hätten Sie eigentlich schon sehen können, dass Politik kein Honigschlecken ist. Sie selbst haben ja durchaus etwas „Richtiges“ gelernt.
Ja, ich bin Anwalt und die Politik kam für mich zunächst gar nicht infrage. Bei meinem Vater habe ich gesehen, wie ein Politiker quasi im Besitz der Öffentlichkeit ist. Aber ich bereue meine Entscheidung nicht, im Gegenteil: Es ist Ehre und Aufgabe meines Lebens, Landeshauptmann sein zu dürfen.
Ist es härter geworden in der Politik?
Ja, die Sprache ist rauer geworden. Früher wurde auch gestritten, aber nie so, dass man sich am nächsten Tag nicht mehr die Hand reichen konnte. Es gibt eine Kriminalisierung der Politik, und man gönnt dem anderen keinen Erfolg mehr. Das hat auch die Medien ergriffen: Die Politik hat überhaupt keine Chance, irgendetwas gut zu machen oder gar gelobt zu werden. Das halte ich für hochproblematisch, weil über die Jahrzehnte auch die Wähler das Gefühl bekommen haben, im falschen System zu leben. Darüber muss man reden: Wie kommen wir wieder zu einem von Wertschätzung geprägten Diskurs, ohne die eigene Position aufzugeben?
Bräuchte es dafür nicht einen Schulterschluss der Parlamentsparteien gerade in einem Wahljahr?
Das wäre wünschenswert. Die Stimmung ist leider sehr verpestet. Das schadet dem demokratischen System. Und dann gibt es einzelne Persönlichkeiten, die die Grenzen immer noch weiter ausdehnen, immer besonders zuspitzen. Wenn schon die Politik diese Rohheit vorlebt, dann wird das anderswo auch selbstverständlich.
Wobei Sie nun eine Koalition mit jener Partei geschlossen haben, die für die Zuspitzung besonders verantwortlich ist. Die Frage ist: Soll man solche Kräfte hereinnehmen oder eher ausgrenzen?
Dazu haben wir auch erhebliche Entscheidungsschmerzen gehabt. Es ist ein Versuch, aber die Koalition funktioniert gut – auch zu meiner eigenen Überraschung. Die FPÖ hat sich in der Tonalität zurückgenommen. Die Frage ist ja: Kann man eine Gruppierung, die möglicherweise bis zu 30 Prozent der Wählerschaft auf sich vereinigen kann, auf Dauer in die Schmuddelecke stellen oder kann man sie mit in die Verantwortung nehmen mit der Auflage, eine Art Verhaltenskodex einzuhalten? Wir versuchen das – auch mit dem Vorwurf, die Freiheitlichen damit salonfähig zu machen.
Wäre das auch eine Empfehlung für die Bundespolitik?
Die Freiheitlichen in Salzburg und Oberösterreich sind nicht gleichzusetzen mit der Bundes-FPÖ, weil Herbert Kickl sehr speziell für diese Radikalität in der Politik steht, die ich zutiefst ablehne.
Ihre Partei, die ÖVP, hat eine Politik der Mitte ausgerufen, doch diese Mitte zerbröselt ihr unter den Fingern.
Ja, wir sind in einem Findungsprozess. Ein erfolgreiches Land braucht eine aktive Mitte, und wir sind die einzige Partei, die dafür steht.
Kommunikativ ist einiges aber nicht so gut gelaufen: Siehe die Leitkulturdebatte, wo man mit Maibaum und Blasmusik geworben hat, was einiges an Häme in den sozialen Medien erzeugt hat.
Wir haben seit Jahrzehnten starke Zuwanderung. Da muss man schon Pflöcke einschlagen im Sinne einer westlichen Demokratie, die die Menschenrechte aufrechterhält, wo es Gleichberechtigung der Geschlechter gibt, wo jeder Chancengerechtigkeit haben soll und das Gewaltmonopol beim Staat und nicht bei irgendwelchen Banden liegt. Das ist unsere Leitkultur, die man natürlich nicht reduzieren kann auf Maibaum, Lederhose und Dirndl, obwohl ich selbst Tracht sehr mag.
Der gelernte Anwalt (67) amtiert seit 2013 an der Spitze des Landes. Sein gleichnamiger Vater regierte von 1977 bis 1989.
30,4 Prozent: Auf dieses Ergebnis kam die ÖVP bei der Landtagswahl vor genau einem Jahr. Das bedeutete minus 7,4 Prozentpunkte.
Schwarz-Blau: Haslauer schloss zur Überraschung vieler eine Koalition mit der FPÖ unter Marlene Svazek. Davor regierte Schwarz-Grün-Pink.
Also war es schlecht gemacht?
Das ist eine Frage der Werbespezialisten. Natürlich müssen wir eine Debatte darüber führen, wofür unser Land steht, welche Rechte der Einzelne hat, wie Entscheidungen gefunden werden, und wie wir mit anderen Kulturen umgehen.
Schauen Sie selbst in Social Media hinein?
Damit belaste ich mich nicht. Natürlich bekomme ich auch sehr viele Zuschriften mit zum Teil recht unflätigem Inhalt. Wenn es geht, suche ich das Gespräch mit den Absendern. Die sind dann total überrascht und glauben zunächst oft an einen Fake-Anruf.
Ist das Festspielpublikum und sind Künstler nach Ihrem Zusammengehen mit den Blauen ferngeblieben?
Nein, international wird das nicht stark wahrgenommen – jedenfalls nicht vergleichbar mit dem kommunistischen Kandidaten in einer vermeintlich bürgerlichen Stadt Salzburg.
In Salzburg herrscht offenbar das Gefühl der Wohnungsnot.
Wohnen ist relativ teuer in Salzburg. Rund 40 Prozent des Landes stehen unter Naturschutz, daher haben wir begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten. Aber wir sind dabei, die Wohnbauförderung neu aufzustellen.
Sie sind in dritter Ehe verheiratet. Darf man das denn als ÖVP-Landeshauptmann?
Das ist eben die Lebenswirklichkeit. Konservative Parteien sind übrigens generell ein bisschen versucht, an traditionellen Dingen festzuhalten, vollziehen dann aber auch konsequent Änderungen, zum Beispiel bei der öffentlichen Kinderbetreuung.
Sind Sie konservativ?
Ich würde mich als werte-treu bezeichnen, aber auch als aufgeschlossen neuen Entwicklungen gegenüber.
Sie zählten zu den Unterstützern von Sebastian Kurz. Sind Sie rückblickend enttäuscht von ihm?
Er war ein guter Bundeskanzler, hat die Regierung straff geführt und sehr gut kommuniziert. Das Problem bei solchen Persönlichkeiten liegt oftmals am Umfeld. Schade, dass es so ausgegangen ist. Aber das kann man nicht mehr zurückdrehen.
Reizen Sie nach der Politik noch Aufgaben wie Festspielpräsident oder Hofburg-Kandidat?
Nein, das kommt für mich alles nicht infrage.
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