Salzburg: Zockerin einvernommen, U-Haft offen

Die Justiz hat die Beamtin mehrere Stunden befragt, Ihr Anwalt weist die Vorwürfe zurück: Seine Mandatin sei unschuldig.

Jene Salzburger Landesbeamtin, die in den vergangenen Jahren 340 Millionen Euro verspekuliert haben soll, wurde von der Justiz bereits befragt: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft bestätigte dem KURIER am Dienstag, die Beamtin Monika R. sei am Montag „ausführlich“, sprich mehrere Stunden lang, einvernommen worden; und es werde nicht bei dieser Befragung bleiben. Flucht-, Verdunkelungs- oder Tatbegehungsgefahr bestehe nicht, daher gebe es vorerst keinen Grund, die Beamtin in U-Haft zu nehmen, heißt es in der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Nachsatz: „Das kann sich aber jederzeit ändern.“

„Meine Mandantin ist zu 100 Prozent unschuldig. Sie hatte für alle Geldgeschäfte Vollmachten seitens ihrer Vorgesetzten. Ich rechne nicht einmal mit einer Anklage“, sagte derweil Anwalt Herbert Hübel. „Es gab regelmäßige Treffen, sowohl die Vorgesetzten als auch die Politik waren über alle Geschäfte informiert.“ Von einem Geständnis sei keine Rede.

Entlassung

Dienstagnachmittag wurde Monika R. laut ihrem Anwalt die Entlassung zugestellt. „Die ist erstens sachlich ungerechtfertigt und kommt zweitens zu spät“, sagt Hübel. Eine Entlassung müsse unverzüglich ausgesprochen werden. „In diesem Fall hat man meiner Mandantin im Juli gesagt, sie brauche nicht mehr zu kommen und ihr ein Burn-out angedichtet.“

Politik und Verwaltung blieben dabei: Die Beamtin habe enorme kriminelle Energie aufgewendet, um ihre Umgebung zu täuschen.
Waren die Spekulationen nicht doch politisch gedeckt? Anfangs ja. Im Februar 2003 genehmigte der damalige ÖVP-Finanzlandesrat Wolfgang Eisl risikoreiche Finanzgeschäfte, etwa Future-Optionsscheine und Zinsderivate. Der frühere Salzburger Raiffeisen-Chef Manfred Holztrattner erklärte im ORF-Fernsehen, er habe die Politik schon damals vor hoch riskanten Geschäften im Ausland gewarnt – ohne Erfolg.

Monika R., die 2000 im Alter von 28 Jahren zur Leiterin des Budget-Referats ernannt worden war, begann zu spekulieren. Als der neue Finanzreferent Othmar Raus (SPÖ) im Juni 2007 „Richtlinien für das Finanzmanagement“ erließ, die spekulativen Geschäften Grenzen setzen sollten, waren die ersten Verluste bereits passiert. Finanzreferent Brenner und der Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, sollen schon im Herbst 2008 von Zinsverlusten von mehr als 30 Millionen Euro gewusst haben. Brenner bestreitet das. Faktum ist: Die Dimension der Verluste blieb lange verborgen. Warum? Monika R. galt als hochintelligent. Sie war Workaholic, ging nie auf Urlaub. Wohl auch, damit niemand ihre Geschäfte durchforsten konnte. Sie fälschte Unterschriften, Protokolle und Berichte. Und sie soll das laut Finanzlandesrat Brenner so gut gemacht haben, dass selbst der Rechnungshof keine Auffälligkeiten entdeckte.
Wie kam man Monika R. auf die Spur? Im Mai 2012 wurde die Frau erstmals ermahnt, weil sie ein nicht bewilligtes Geschäft abgeschlossen hatte. Im Juli ließ Brenner ihr alle Vollmachten entziehen und sie bis 17. September beurlauben.

Gleichzeitig untersuchte ein neuer Mitarbeiter alle Transaktionen der Frau – und entdeckte weitere Geschäfte, die sie offenbar an allen Kontrollen vorbei gemacht hat.

Wann erfuhr die Politik vom Ausmaß der Verluste?
Brenner wurde laut eigenen Angaben am 15. Oktober über das finanzielle Ausmaß der problematischen Geschäfte informiert. Am 26. November gestand Monika R. einen möglichen Buchverlust von 340 Millionen Euro, am 6. Dezember wurde die Öffentlichkeit informiert.

Die Salzburger Bürger werden 2013 einen neuen Landtag wählen. So viel steht seit Montagabend fest. Wann der Urnengang genau stattfinden wird, ist aber noch nicht klar. Die ÖVP wird zwar, wie Montagabend angekündigt, bei einer Sonderlandtagssitzung am 16. Jänner einen Neuwahlantrag einbringen, der Noch-Koalitionspartner SPÖ ist aber weiterhin gegen vorgezogene Wahlen („Neuwahlen verhindern die Aufklärungsarbeit“) – und die Blauen lassen die Schwarzen noch ein bisschen zappeln.

FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache plädiert für Wahlen „vor dem Sommer“. Salzburgs FP-Obmann Karl Schnell sagte am Montag zum KURIER: „Die Regierung ist am Ende, keine Frage, aber die ÖVP wird noch ein bisschen Geduld aufbringen müssen.“ Zunächst gehe es darum aufzuklären, wie hoch der Schaden sei und wer die Verantwortung für die verspekulierten Landesmillionen trage. „Es kann sein, dass wir am 16. Jänner schon so weit sind, es kann aber auch sein, dass es erst einen Monat später so weit ist“, sagt Schnell. Die Grünen werden den Antrag der ÖVP am 16. Jänner unterstützen, haben aber nur zwei Mandate – zu wenig für eine Mehrheit. Nächstmöglicher Termin für einen Neuwahlbeschluss wäre der 6. Februar. An diesem Tag findet die erste planmäßige Landtagssitzung im Neuen Jahr statt.

Kreuzverhör

Auch am Mittwoch tritt der Landtag zusammen. Ursprünglich hätte das Budget für die Jahre 2013/14 beschlossen werden sollen. Das wird nach Auffliegen des Finanzskandals nicht passieren. Stattdessen wird SPÖ-Finanzlandesrat David Brenner von den Polit-Gegnern ins Kreuzverhör genommen werden. Es stehen einen aktuelle Stunde zur Spekulationsaffäre und dringliche Anfragen auf dem Programm. Neben der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass 340 Millionen Euro verzockt wurden, geht es auch darum zu klären, wer wann über die Zockereien informiert wurde.

ÖVP, FPÖ und Grünen stoßen sich überdies daran, dass Brenner die Firma Ithuba Capital von Investmentbanker Willi Hemetsberger engagiert hat. „Es kann nicht sein, dass sich der Ressortchef die Berater aussucht“, befindet ÖVP-Klubobfrau Gerlinde Rogatsch. Die SPÖ verteidigt sich. Man könne nicht tagelang zuwarten – und nichts tun. Außerdem habe Brenner vorgeschlagen, dass jede Partei Experten in eine Kommission entsenden könne. Und zudem sollen Rechtsexperten und der Landesrechnungshof eingebunden werden.

Eine Finanzbeamtin verspekuliert 340 Millionen Euro Steuergeld, stürzt das Land Salzburg in Aufregung und drohende Neuwahlen.

Waren die Spekulationen politisch gedeckt?

Anfangs ja. Im Februar 2003 genehmigte der damalige Salzburger ÖVP-Finanzlandesrat Wolfgang Eisl risikoreiche Finanzgeschäfte, etwa Future-Optionsscheine und Zinsderivate. Monika R., die 2000 im Alter von 28 Jahren zur Leiterin des Budget-Referats ernannt worden war, begann zu spekulieren. Als der neue Finanzreferent Othmar Raus (SPÖ) im Juni 2007 „Richtlinien für das Finanzmanagement“ erließ, die den Geschäften Grenzen setzen sollten, waren die ersten Verluste schon passiert.

Wer wusste davon?

Laut Angaben von mehreren Informanten sollen Finanzreferent David Brenner (SPÖ) und der Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, schon im Herbst 2008 von Zinsverlusten von mehr als 30 Millionen Euro gewusst haben. Insgesamt waren 34 Banken in die Salzburger Geschäfte involviert.

Wie konnte die Mitarbeiterin die Verluste so lange geheim halten?

Monika R. galt als hochintelligent, hochkompetent und hochangesehen. Sie war ein Workaholic, ging nie auf Urlaub. Wohl auch deshalb, damit niemand ihre Geschäfte durchforsten konnte. Sie fälschte Unterschriften, Protokolle und Berichte und täuschte selbst den Rechnungshof – zuletzt im Mai 2012: Im Prüfungsbericht wurde dem Finanzmanagement des Landes Salzburg ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Wie kam man Monika R. auf die Spur?

Im Mai 2012 wurde die Frau erstmals ermahnt, weil sie ein nicht bewilligtes Geschäft abgeschlossen hatte. Am 13. Juli informierte die Finanzabteilung die Personalabteilung, dass die Verdächtige erneut risikoreiche Geschäfte ausgehandelt habe. Vier Tage später, am 17. Juli, wurde Brenner davon in Kenntnis gesetzt. Brenner erteilte die Weisung, der Mitarbeiterin „die Handlungsvollmachten für alle Finanzgeschäfte des Landes zu entziehen“ und sie bis 17. September zu beurlauben. Auch das Handy wurde ihr abgenommen. Als sie aus dem Urlaub zurückkehrte, blieben ihr die Vollmachten entzogen. Gleichzeitig untersuchte ein neuer Mitarbeiter alle Transaktionen der Frau – und entdeckte Geschäfte, die sie an den Kontrollen vorbei tätigte.

Wann erfuhr die Politik von den Verlusten?

Finanzlandesrat Brenner wurde laut eigenen Angaben am 15. Oktober über verborgene Geschäfte informiert, die gegen die Richtlinien des Finanzmanagements verstoßen. Er gab daraufhin den Auftrag zu prüfen, ob ein Ausstieg möglich sei – und welche Kosten damit verbunden wären. Am 26. November gestand Monika R. einen möglichen Buchverlust von 340 Millionen Euro, am 6. Dezember wurde die Öffentlichkeit informiert.

Warum informierte Brenner den Landtag nicht früher über die Causa?

Das weiß wohl nur Brenner selbst. Tatsächlich ließ Brenner die Beschuldigte am 28. November, zwei Tage nach ihrem Geständnis, an den Budgetberatungen des Landtag-Ausschusses teilnehmen. Die Angaben der Frau seien widersprüchlich und nicht verifizierbar gewesen, rechtfertigt er sich. „Es wäre unverantwortlich gewesen, zu diesem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit zu gehen.“ Von den gefälschten Dokumenten habe man erst am 5. Dezember erfahren.

Monika R. drohen bis zu zehn Jahre Haft – warum sitzt sie nicht in U-Haft?

Laut Staatsanwaltschaft Salzburg besteht in der Causa weder eine Wiederholungs- noch eine Verdunkelungsgefahr – die Verdächtige hat keinen Zugang mehr zu ihrem Büro. Auch die Fluchtgefahr kann vorerst ausgeschlossen werden, die Verdächtige sei „sozial integriert“. Die Justiz muss in den nächsten Tagen entscheiden, ob die Beschuldigte doch noch festgenommen wird.
 

Salzburg: Zockerin einvernommen, U-Haft offen
Wichtige Wahltermine (Volksbefragung, Landtag, Nationalrat) bis Ende 2013 - Tabelle, Landkarte Grafik 0945-12-Wahlen.ai, Format 42 x 90 mm

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