"Spekulationsgeschäfte endlich verbieten"

"Spekulationsgeschäfte endlich verbieten"
Der Fall einer Salzburger Landesbeamtin, die 340 Mio. Euro verspekuliert haben soll, sorgt bundesweit für Empörung. Der Gemeindebund will Spekulationsgeschäfte nun gesetzlich verbieten lassen.

Der Fall jener Salzburger Landesbeamtin, die bis zu 340 Mio. Euro verspekuliert haben soll (mehr dazu hier), sorgt bundesweit für Empörung. Als Konsequenz aus dem Finanzskandal fordert Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer nun ein Verbot von Spekulationsgeschäften für alle Gebietskörperschaften: "Man muss endlich Konsequenzen ziehen. Die Leute verstehen es nicht, wieso so etwas möglich ist, wenn das Risiko nicht abschätzbar ist"

Mödlhammer verwies darauf, dass der Gemeindebund 2009 in einer gemeinsam mit Finanzexperten erarbeiteten Richtlinie zu Finanzgeschäften den Gemeinden - allerdings unverbindlich - einen Verzicht auf Spekulationsgeschäfte empfohlen habe. Während davor Gemeinden mehrfach Spekulationsgeschäfte abgeschlossen haben, sei ihm seither kein Fall bekannt, wo diese Richtlinie von einer Gemeinde missachtet worden wäre. Anders sei das etwa bei Städten, verwies er auf das Beispiel Linz (siehe Hintergrundstory unten).

Deshalb tritt der Gemeindebund-Präsident jetzt dafür ein, Spekulationsgeschäfte gesetzlich zu verbieten. Das sollte seiner Auffassung nach nicht nur für Gemeinden, sondern auch für Städte, Länder und Bund gelten. Es müsse für die öffentliche Hand klare Richtlinien in gesetzlicher Hinsicht geben, dass so etwas nicht mehr möglich ist.

Frau drohen bis zu zehn Jahre Haft

Die Ermittlungen gegen die Salzburger Finanzmanagerin gehen aller Voraussicht nach in Richtung Untreue (Strafdrohung: ein bis zehn Jahre Haft), Amtsmissbrauch (sechs Monate bis zu fünf Jahre) und Urkundenfälschung. Das gab die Mediensprecherin der Staatsanwaltschaft Salzburg, Barbara Feichtinger, am Freitag bekannt.

Zwei Anzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft Salzburg eingelangt: Beide werden  voraussichtlich an die WKStA weitergeleitet, erklärt die Staatsanwältin. Denn wenn der Schaden einen Wert von fünf Mio. Euro übersteige und ein enormes öffentliches Interesse bestehe, sei die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zuständig.

Noch kein Antrag auf U-Haft

Ob ein Antrag auf Untersuchungshaft gestellt wird, kann die Sprecherin der Anklagebehörde derzeit noch nicht beantworten. Es müsse ein dringender Tatverdacht, Verdunkelungs-, Wiederholungs-, Flucht- oder Verabredungsgefahr bestehen. Zudem müsse geprüft werden, ob die Haftgründe - falls überhaupt welche vorliegen - durch gelindere Mittel wie etwa die Abnahme des Reisepasses substituiert werden können.

ÖVP und Grüne drängen auf U-Ausschuss

Unterdessen wird ein Untersuchungsausschuss zum Salzburger Finanzskandal immer wahrscheinlicher. "Der gestern offiziell bekannt gewordene, unfassbare Finanzskandal muss sofort und lückenlos aufgeklärt werden. Die ÖVP wird dazu die Einsetzung eines Untersuchungs-Ausschusses im Landtag beantragen. Alle Fakten müssen dabei offen auf den Tisch", fordert ÖVP-Klubobfrau Gerlinde Rogatsch.

Sie kritisiert, dass Finanzreferent Brenner (SPÖ) im Budget-Ausschuss die Mitglieder des Landtages nicht informiert habe, obwohl jene Referatsleiterin, die 340 Millionen Euro verspekuliert haben soll, schon zwei Tage vorher ein Geständnis abgelegt habe. "Vertreter aller Fraktionen außer die SPÖ haben Fragen gestellt zu Derivatgeschäften und möglichen Verlusten, aber wir haben keine befriedigende Antwort erhalten."

Ähnlich äußerten sich auch die Grünen, die einen Rücktritt Brenners fordern. "Man hat uns eine heile Welt vorgespielt, das ist unglaublich", sagte Landessprecherin Astrid Rössler.

Für FPÖ-Klubobmann Karl Schnell hingegen wäre eine Rücktrittsaufforderung an Brenner zurzeit "ein Schuss aus der Hüfte". Er fordert zunächst eine "lückenlose Aufklärung bis ins letzte Detail". Für ihn stelle sich vor allem die Frage, "wie kann eine einzelne Beamtin die Möglichkeit haben, solche Geschäfte in diesem Ausmaß abzuschließen. Das ist äußerst zweifelhaft. Das wäre genauso, wie wenn in meinem Betrieb (Schnell ist niedergelassener Arzt, Anm.) die Sekretärin die Finanzgeschäfte abwickelt, ohne dass ich darüber Bescheid weiß."

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) bezeichnete den Salzburger Finanzskandal als "Kriminalfall von erschütternder Dimension". "Das vordringliche Ziel ist es, alles daran zu setzen, dass das Land aus diesen eigenmächtig und an allen Kontrollen vorbei durchgeführten, risikoreichen Spekulationen keinen Schaden erleidet".

Die Landeshauptfrau stellte sich hinter den in die Schusslinie geratenen Parteifreund Brenner: "David Brenner hat genauso gehandelt, wie man es von einem Finanzreferenten in so einer Situation erwarten muss. Er hat, sobald genügend Indizien vorgelegen sind, die Prüfungen eingeleitet, externe Experten beigezogen, den Rechnungshof eingeschaltet, die Landesregierung und alle Landtagsparteien informiert und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht", so Burgstaller.

Rechnungshof lobte Landes-Finanzmanagement

Nicht unwichtiges Detail am Rande: Die Bombe des Finanzskandals in Salzburg platzte ausgerechnet wenige Stunden nachdem der Bundesrechnungshof im druckfrischen Bericht dem Finanzmanagement des Landes Salzburg ein gutes Zeugnis ausgestellt hatte. "Das Land Salzburg setzte fast alle Empfehlungen des Rechnungshofs um", hatten die Prüfer noch gelobt.

Was allerdings der Rechnungshof nicht wusste: Die Finanmanagerin hatte offenbar Protokolle und Unterschriften gefälscht, sodass ihre riskanten Geschäfte selbst für die Prüfer nicht zu entdecken waren.

2009 geriet die Veranlagungspolitik der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) in die Schlagzeilen. Sie hatte jahrelang kurzfristige Veranlagungen in Papiere getätigt, die von den Ratingagenturen mit dem bestmöglichen Rating bewertet waren. Die Finanzkrise brachte allerdings eine Neubewertung, die zuvor gut beleumundeten Produkte galten als "Spekulationspapiere". Entsprechend kritisch fiel auch das Urteil des Rechnungshofs aus. Unter dem Strich bleiben letztlich rund 300 Millionen Euro Verlust. Die ÖBFA verwies indes darauf, dass für die Republik langfristig über sechs Mrd. Euro an Vorteilen erwirtschaftet worden seien. Die Debatte ließ die Regierung gar im Hochsommer 2009 zu einem "Spekulationsgipfel" zusammentreten. 2010 beschloss der Nationalrat ein stärkeres Risiko-Controlling für die ÖBFA.

Ein ewiger politischer Zankapfel ist die Veranlagung der Erlöse aus dem Verkauf niederösterreichischer Wohnbaudarlehen. Während die Landeshauptmann-Partei ÖVP nicht müde wird, Wertezuwächse zu feiern, sieht die Opposition ein schwarzes Verlust-Loch. Ausführlich geprüft wurde die Causa vom Rechnungshof, und der stellte 2010 fest, dass die Performance der veranlagten Gelder bis Ende 2008 das Ergebnisziel um knapp eine Mrd. Euro verfehlt habe. Und diese Lücke sei seitdem nicht aufgeholt worden, erläuterten die Prüfer in einem erst am Donnerstag veröffentlichten Follow-up-Bericht.

In Linz beschäftigt seit geraumer Zeit die sogenannte Swap- bzw. Franken-Affäre Politik und Gerichte. Die Stadt schloss zur Absicherung einer auslaufenden Kreditlinie über 195 Mio. Schweizer Franken (damaliger Kurs: 152 Mio. Euro) 2007 mit der Bawag eine Art Kurs-Zins-Wette ab. Durch den Kursanstieg des Franken stieg der Wert des Swap auf mehrere hundert Mio. Euro, die zusätzlich zur Kreditschuld zu zahlen wären. Die Stadt beschloss in der Folge, nicht mehr zu zahlen und reichte eine Klage über 30,64 Mio. Schweizer Franken (24,8 Mio. Euro) ein. Die BAWAG wiederum kündigte den Vertrag und klagte ihrerseits auf 417,74 Mio. Euro.

Auch kleinere Gemeinden verbrannten sich am Finanzmarkt die Finger. Österreichweit berühmt wurde in dieser Hinsicht das steirische Hartberg. Dort verlor man rund 2,5 Millionen Euro mit Immobilieninvestments via Meinl European Land (MEL) und dann noch einmal 800.000 Euro mit einem Karibik-Investment. MEL bescherte auch anderen Gemeinden ein böses Erwachen, etwa Bad Vöslau (Niederösterreich) oder Oberschützen (Burgenland). Der Gemeindebund erarbeitete 2009 mit Finanzexperten eine Richtlinie zu Finanzgeschäften der Gemeinden. Darin wurde ein Verzicht auf Spekulationsgeschäfte empfohlen,

Für Aufsehen sorgte 2008 die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA mit ihren Veranlagungen, mit denen sie zwölf Millionen Euro verlor.

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