Auf Kredit darf künftig nicht mehr spekuliert werden

APA10602832 - 11122012 - WIEN - ÖSTERREICH: BK Werner Faymann (r.) und VK Michael Spindelegger während des Pressefoyers nach Ende einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag, 11. Dezember 2012, im Bundeskanzleramt in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Konsequenzen: Die Finanzministerin will Zocker-Geschäfte eindämmen. Qualitätsstandard für Länder-Finanzen kommt.

Nach dem Auffliegen des Salzburger Finanzskandals will die Regierung die Länder strenger an die Kandare nehmen. Spekulieren mit günstigen Bundes-Krediten soll künftig nicht mehr möglich sein. Am Dienstag brachte Finanzministerin Maria Fekter einen entsprechenden Vorschlag im Ministerrat ein.

„Wir sind dafür, dass es ein Verbot der Veranlagung gibt, wenn man Schulden aufnimmt“, so die Finanzministerin. Es gehe nicht an, dass sich ein Land bei der Bundesfinanzierungsagentur günstig Geld hole „und dann zum Zocken beginnt.“ Fekter: „Wer Geld ausleiht, braucht keine Veranlagung.“

Geht es nach Fekters Plan, soll die Schuldentilgung künftig Vorrang vor einer Veranlagung haben. Gleichzeitig pocht Fekter auf eine Trennung von Veranlagung und Risikobewertung, eine Ausweisung von Buchverlusten im Rechnungsabschluss und ein Ende für „vermeidbare Risiken“. Zum KURIER meinte sie: „Fremdwährungsspekulationen, Swaps oder Leerverkäufe müssen unterbunden werden.“

Kein Verfassungsrang

Schon im Jänner will Fekter ein entsprechendes Gesetz dem Ministerrat vorlegen. Dabei gibt es allerdings ein Problem: Alle Gebietskörperschaften in Österreich sind in ihrer Finanzgebahrung eigentlich frei – mit Ausnahme der Sozialversicherungen.

Auf eine rasche Verfassungsänderung konnten sich SPÖ und ÖVP laut KURIER-Informationen vorerst nicht einigen. Grund: Mehrere Länder hatten schon im Vorfeld auf ihre Unabhängigkeit gepocht. Beide Parteien wollen den Streit offiziell aber nicht hochkochen. Man fürchtet um die gute Bonität des Bundes – schließlich zahlte die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) für zehnjährige Staatsanleihen am Dienstag so wenig Zinsen wie noch nie (1,71 Prozent).

Nun will Fekter die Länder indirekt zum sorgsameren Umgang mit Geld verpflichten: Die Länder sollen sich künftig nur noch über die ÖBFA oder eine „Landesfinanzierungsstelle“ refinanzieren. Für Zweitere soll es bundesweit einheitliche Qualitätsstandards geben. Fekter: „Wir werden die Standards verbindlich für alle erklären. Wie die organisiert werden, bleibt in der Verantwortung der Länder.“

Kanzler Faymann will noch weitergehen: „Wir wollen, dass der Bund einen klaren Überblick hat darüber, welche Finanzgeschäfte ein Bundesland durchführt.“ Auch Fekter bedauert, dass es keinen Überblick über die Schulden aller Gebietskörperschaften gibt. Und sie verweist darauf, dass Salzburg kein Einzelfall ist: So prozessiere etwa die Stadt Linz mit der Bawag um Swap-Verluste. „Ein allfälliges Restrisiko trägt dabei der Steuerzahler.“
 

Im Amt der Salzburger Landesregierung wurden am Montag Büros der Finanzabteilung durchsucht. „Wir haben am Wochenende das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung mit den Ermittlungen beauftragt, am Montag wurden zahlreiches Datenmaterial sichergestellt und Einvernehmen gemacht“, sagt Erich Mayer von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zum KURIER. Bisher liege der WKStA nur eine anonyme Anzeige vor, die vom Land Salzburg ist noch nicht eingelangt. Einzige Verdächtige: die Ex-Landesbedienstete Monika R.

Doch der Finanzskandal kann nicht auf die mutmaßlichen Malversationen von Monika R. reduziert werden. Denn das Land Salzburg habe sich in den vergangenen Jahren der wilden Zockerei verschrieben, kritisieren Finanzexperten. Dazu muss man wissen: Salzburg hat zumindest 1,788 Milliarden Euro Schulden: Finanzierungsschulden, Wohnbaufonds- und Leasing-Verbindlichkeiten. Zum Vergleich: Das Landesbudget 2013 ist mit 2,43 Milliarden Euro veranschlagt. Um die Zinsbelastung zu minimieren, wurden in selber Höhe riskante Zinswetten und Währungs-Termingeschäfte abgeschlossen.

2007 unter Wasser?

Diese Spekulationsgeschäfte waren schon im Jahr 2007 mit 243 Millionen Euro im Minus, also nur 100 Millionen Euro weniger als jetzt infolge des Kriminalfalles. In den Folgejahren soll das Verlustrisiko auf 74 Millionen Euro (Jahr 2011) reduziert worden sein, aber mutmaßlich nur, weil noch mehr neue riskante Geschäfte abgeschlossen wurden. Salzburg steigerte sein Finanzrisiko kontinuierlich. Von 2007 bis 2011 erhöhte sich die Zins-Zockerei um 200 Millionen auf 658 Millionen Euro, die vermeintlichen „Absicherungsgeschäfte“ stiegen von 255 Millionen auf 899 Millionen Euro.

Die 50 Derivatgeschäfte, die SP-Landesfinanzreferent David Brenner Mitte November dem Landtag auflistete, haben verschiedene Laufzeiten. Sie reichen von 2018 bis 2038. Der größte Brocken (18 Deals über 625 Millionen Euro) hat eine maximale Laufzeit von 20 Jahren. Fakt ist: Der Eintritt der Verluste hängt von der Laufzeit ab. Derzeit geht Salzburg von 340 Millionen Euro Schaden aus. Daher dürften die Angaben über die Veranlagungen , die Brenner im Vormonat bekannt gab, nicht stimmen.

Drei Lösungsszenarien

Um die Misere in den Griff zu bekommen, gibt es drei Möglichkeiten: Erstens: Das Land kann mit den Banken – darunter sind Deutsche Bank, Salzburger Landes-Hypo und Bank Austria – Verhandlungen führen, um aus den Verträgen auszusteigen. Das geht bestenfalls zum Marktwert des Zins-Tauschgeschäftes, in der Regel aber nur zu schlechteren Konditionen. Das Resultat heißt Verlust.

Zweitens: Salzburg kann die Wettgeschäfte fortschreiben. Damit wird aktuell noch kein Verlust generiert, aber es steigt das Risiko, dass der Verlust am Ende noch größer wird. „Geht es schief, könnte sich das Minus auf 700 Millionen Euro verdoppeln“, sagt ein Experte. Drittens: Das Land nimmt nochmals Zig-Millionen in die Hand und schließt zu den verlustträchtigen Zinswetten Gegenwetten ab. Ziel ist der Ausgleich des Risikos. Aber um das Ausmaß des Desasters erfassen zu können, muss in Salzburg ein aktueller Finanzstatus erstellt werden. Das kann dauern, wie die Affäre um die 400-Millionen-Euro-Zinswette „Swap 4175“ der Stadt Linz bei der Bawag belegt.

„Wir haben zwei bis drei Monate gebraucht, bis wir die Hintergründe und die Wirkungen dieses Finanzgeschäfts einigermaßen verstanden haben“, sagt Meinhard Lukas, Dekan der Juridischen Fakultät der Linzer Kepler Universität und Rechtsberater der Stadt Linz. Lukas kritisiert generell die Bilanzierung der Gebietskörperschaften. Diese seien, vereinfacht gesagt, nur Einnahmen- und Ausgabenrechner.

Krebsübel abstellen

„Das Krebsübel ist, dass die Kameralistik, also das Rechnungswesen der Öffentlichen Hand, keineswegs dafür geeignet ist, Risken aus Derivatgeschäften abzubilden“, sagt Lukas. „In der kameralen Buchhaltung werden nur Zahlungsströme abgebildet, in einem Unternehmen müssen Spekulationsrisiken in die Bilanz aufgenommen werden.“ Nachsatz: „Das Rechnungswesen der öffentlichen Hand muss dringend reformiert werden.“ (Kid Möchel, Robert Kleedorfer)

Auf Kredit darf künftig nicht mehr spekuliert werden

FAKTEN

Chronik der Zocker

2001
Salzburg schließt erstmals parallel zu den aufgenommenen Darlehen Derivate ab. Ziel der Spekulation ist die Reduzierung der Zinslast.

2007
Das Verlustrisiko beträgt damals 243 Mio. Euro, über die Vorjahre liegen keine Angaben vor.

Brisante Lage
2009 prüft der Rechnungshof die Lage: Moderate Kritik statt Forderung nach dem Ausstieg aus den Derivatgeschäften.

Juli 2012
Die dubiosen Deals der verantwortlichen Mitarbeiterin werden entdeckt. Ende November soll sie ein Geständnis abgelegt haben.

1,788 Mrd. €
Die Zockerei hat ein Aus- maß von 1,78 Mrd. Euro, etwa soviel wie die Landesschulden. Das Budget 2013 ist mit 2,345 Mrd. Euro veranschlagt.

ÖBFA
Ein Teil der Schulden wurde über die Bundesfinanzierungsagentur ÖBFA aufgenommen.

Kommentare