Von Mumbai nach Wien: Wie ein Start-Up indische Köche nach Österreich bringt
Die Wirtschaft sucht dringend geschultes Personal. Unter den 110 Mangelberufen sind auch Gastro-Köche. Eine Österreicherin vermittelt diese – und klagt über bürokratische Hürden
„Guten Tag, auf Wiedersehen, Bitte, Danke – und ein bisschen Hausverstand“, so beschreibt ein Gastro-Firmenchef seine Mindestanforderung für neue Arbeitskräfte. Erfüllt wird das bei Weitem nicht immer.
Im Inland bleibt die Suche ohnehin sehr oft erfolglos – 6.417 offene Stellen für Köchinnen und Köche werden aktuell über die Jobbörse des AMS gesucht. Was dazu führt, dass sich die Betriebe inzwischen bei oft nur mittelmäßig begeisterten Mitarbeitern bewerben, und nicht mehr umgekehrt.
Kein Wunder also, dass Gastro-Koch einer von 110Mangelberufen in Österreich ist (Hier die ganze Liste). Die Liste wird jährlich vom Arbeitsminister für jene Berufe erstellt, in denen ein signifikanter Fachkräftemangel besteht. Theoretisch können Fachkräfte aus der ganzen Welt nach Österreich geholt werden, sofern sie die Anforderungen erfüllen.
Start up-Idee
In der Praxis stehen qualifizierte Bewerber aus dem Ausland aber vor zahlreichen und hohen bürokratischen Hürden, wenn sie den Sprung nach Österreich wagen. Genau da setzt das junge Start-up "chefsgate" von Sophie Radtke an, die gemeinsam mit ihrem indischen Partner und Koch Sandeep Sreedharanausgebildete Köche aus Indien (1,4 Milliarden Einwohner) nach Deutschland und Österreich vermittelt: „Durch Sandeep habe ich 2022 hinter die Kulissen des Restaurant- und Cateringbusiness blicken können. Ich sah, mit welcher Leidenschaft und Professionalität die Menschen dort arbeiten – hervorragend ausgebildet, freundlich und unglaublich fleißig.“
Gleichzeitig sei ihr bei ihren Reisen nach Indien bewusst geworden, wie begrenzt deren Perspektiven in Indien sind: „Der Verdienst ist mit etwa 200 bis 500 Euro monatlich gering, die Tage und Wochen sind lang und Indien hat so gut wie keinen Arbeitnehmerschutz“, erzählt Radtke. Sie und Sreedharan hätten da die Chance der einzigartigen Kombination erkannt, die Märkte Indien, Deutschland und Österreich zu verbinden. Ein Win-win-für alle.
Vorab-Screening
Radkte hat inzwischen ein Pool von 500 qualifizierten Köchen, die alle ein Screening durchlaufen haben, sie prüft aber auch potenzielle Arbeitgeber in Europa, ob eine Arbeitsvermittlung sinnvoll ist. Radtke: „Es war dann ein gutes Gefühl, zu sehen, dass unsere indischen Talente sogar sehr skeptische Gastronomen überzeugen und überraschen, weil die derart enthusiastische Bewerbungsgespräche schon lange nicht mehr gewohnt sind.“
Aber wie kommt der indische Koch in die österreichische Wirtshausküche? Nach der Auswahl der Talente beginne der bürokratische Prozess, erklärt die Unternehmerin, der sich in zwei Bereiche unterteilen lässt: Arbeitsgenehmigung und Visum.
Für die Arbeitserlaubnis erfolgt in Österreich der Antrag für die Rot-Weiß-Rot-Karte (RWR-Karte). Die Liste der Dokumente ist lang: neben Antragsunterlagen müssen sämtliche Zeugnisse, Vertragswerk, Qualifikationen, Anerkennungen, Stellenbeschreibung, Anschreiben und so weiter gesammelt werden. Zudem sind oft weitere Schritte erforderlich, wie die Anerkennung von Zeugnissen sowie die Beantragung behördlicher Dokumente in Indien wie Führungszeugnis, Apostillen (das sind Echtheitsbestätigung nach dem „Haager Beglaubigungsübereinkommen“) und beglaubigte Übersetzungen. Radtke kritisiert, dass die Bearbeitungsdauer, offiziell mit sechs Wochen angegeben, auch deutlich überschritten wird.
Erst dann kann die ausländische Fachkraft ein Visum („Visum D“) für Österreich beantragen. Die „Zettelwirtschaft“ bleibe da einerseits ein Thema, das andre Problem bleibe, dass in den Botschaften „das Ausreiseaufkommen stetig steigt, und häufig keine Termine verfügbar sind. Es gibt an allen Enden zu wenig Fachkräfte, die in der Verwaltung arbeiten, und viele Prozesse laufen immer noch nicht digital ab.“
Und sobald die Fachkräfte einreisen, müssen die Anmeldungen am Wohnort vorgenommen und mit diversen Dokumenten beim Magistrat vorgesprochen werden, wo zuletzt Fingerabdrücke abgenommen werden. Erst dann wird die RWR-Karte gedruckt und ausgehändigt. Derzeit sind laut Ministerium mehr als 10.000 Zugewanderte mit RWR-Karte beschäftigt.
Dazu kommen noch regionale Unterschiede: Manche Landesbehörden verlangen Apostillen, diese zu erhalten, könne jedoch langwierig und für die Talente kostspielig sein. Die fehlende einheitliche Regelung sei da eine ziemliche Herausforderung.
„Chefsgate“ vermittelt Arbeitskräfte nicht nur aus Indien nach Österreich, sondern auch nach Deutschland: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Prozesse der beiden Länder und die Zusammenarbeit mit den Behörden zwar im Detail unterscheiden, aber letztlich doch ein und derselbe Riesenhaufen Zettelwirtschaft sind, der ein enormes Maß an Zeit und Geduld erfordert“, sagt Radtke.
Unverständlich sei, dass auch in den Behörden ein Personalmangel herrsche, Hotlines ständig nicht erreichbar seien, und sich internationale Fachkräfte deshalb meist alleine (nicht) durchschlagen würden. „Wir gehen davon aus, dass an vielen Stellen des Budgets gekürzt werden wird. Wie soll sich hier also in Zukunft etwas verbessern oder vereinfachen?“
Um nicht nur negative Erfahrungen weiterzugeben, legt die Unternehmerin Wert darauf, dass die Hilfe der staatlichen Austrian Business Agency (ABA) durchweg professionell und hilfreich sei.
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