Wer muss bezahlen, wenn kein "Russen-Gas" mehr fließt?
Österreich bezog in den vergangenen Monaten mehr als 90 Prozent seines Erdgases aus Russland. Eine gefährliche Abhängigkeit: Ein kriegsbedingter Lieferstopp ist immer möglich, denn die betroffenen Gas-Pipelines laufen durch die Ukraine. Dazu kommt, dass der Gas-Durchliefervertrag Russlands mit der Ukraine Ende 2024 ausläuft und nicht verlängert wird.
Was passiert also, wenn plötzlich kein russisches Gas mehr nach Österreich fließt? Wer müsste für mögliche Schäden aufkommen: Versorger oder Kunde?
Gasversorgern droht großer finanzieller Schaden
Zu Beginn des russischen Angriffskriegs konnten sich Österreichs Gasversorger auf das Vorliegen "höherer Gewalt" berufen. Also auf ein außergewöhnliches, seltenes Ereignis, das nicht zu erwarten war. Mit dem Verweis auf höhere Gewalt konnten sie ihrer Lieferverpflichtung und einer allfälligen Schadenersatzleistung entgehen.
Das gilt heute mit "hoher Wahrscheinlichkeit" nicht mehr.
Zu diesem Ergebnis kommt ein neues Gutachten im Auftrag des Energieministeriums (BMK), erstellt von den Rechtanwälten Niederhuber & Partner. Dieses liegt dem KURIER vor. Ein Stopp oder eine mengenmäßige Einschränkung der Gasimporte aus Russland sei heute nicht mehr unvorhersehbar und auch nicht unvermeidbar, heißt es. Begründung: Die Versorger hätten die Möglichkeit, sich rechtzeitig Ersatz in Form von nicht-russischem Gas zu beschaffen.
Falls das Energieunternehmen das unterlässt und im Ernstfall kein Gas mehr liefern kann, hat der Käufer die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten oder Schadenersatz zu fordern. Bei einem kriegsbedingten Lieferausfall oder -engpass droht den Versorgern also ein großer finanzieller Schaden.
"Zu wenig, sich darauf zu verlassen"
"Die Hoffnung ist natürlich, dass die Gasversorger vor diesem Hintergrund selbst vorsorgen und sich Gas aus alternativen Quellen sichern", sagt Energieexperte Walter Boltz zum KURIER. Sich darauf zu verlassen, sei für die Politik aber zu wenig, so Boltz. Er gehe nämlich nicht davon aus, dass auch weniger finanzstarke oder verantwortungsvolle Versorger auf das Gutachten reagieren. "Einzelne Unternehmen werden sich weiterhin darauf verlassen, dass der Lieferausfall ohnehin nicht eintritt."
Würden diese im Ernstfall dennoch von vielen Kunden geklagt, müssten sie wohl Konkurs anmelden. Dann bringe eine Klage dem Haushalt oder dem Kleingewerbe, das auf leistbares Gas angewiesen ist, eher wenig. Und: Für die Versorgung der Kunden ist schlussendlich das BMK verantwortlich. "Deshalb ist aus Sicht des Kunden und der Ministerin die Diversifizierungspflicht so wichtig", sagt Boltz.
ÖVP-Position zum Gas-Ausstieg "ein Schauermärchen"
Diese, von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) vorgeschlagene Gesetzesänderung, sieht unter anderem einen schrittweisen Ausstieg aus russischem Gas bis 2028 vor. Die ÖVP lehnt den Gesetzesentwurf ab. Sie verweist in ihrer Begründung auf 30 Prozent höhere Energiepreise, sollte Österreich auf russisches Gas verzichten.
Boltz kann die ÖVP-Position nicht nachvollziehen und spricht von einem "Schauermärchen". "Es gibt genügend alternative Gas-Kapazitäten, auch die OMV ist hier sehr entspannt. Wenn wir mit einem klaren Zeitplan und der nötigen Vorbereitung aus russischem Gas aussteigen, hat das fast gar keinen Preiseffekt", sagt Boltz. Würden die Lieferungen aus Russland plötzlich und ohne Vorbereitungen unterbrochen, sei hingegen mit Preissprüngen von 15 bis 20 Prozent zu rechnen.
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