Sie schrubbt und schrubbt, aber der Boden ist immer noch nicht sauber. Und da kommt auch schon der Ehemann nach Hause. Doch es steht – oh Graus – noch kein Essen auf dem Tisch. Vor lauter Schrubben ist sie nicht rechtzeitig mit dem Kochen fertig geworden. Der vom Arbeitstag geschaffte Ehemann ist zornig. Die Lösung, um den Haussegen wiederherzustellen: ein neuer Staubsauger. Denn damit spart sie Zeit und kann ihrem Mann ab nun strahlend die Türe öffnen, wenn er nach Hause kommt. Alle sind zufrieden.
Glückliche Männer, gerettete Ehen – alles nur, weil die Wohnung sauber, die Torte geglückt, oder das Hemd faltenfrei ist.
Solche oder so ähnliche Geschichten erzählen unzählige Werbespots aus den Anfangszeiten des Farbfernsehens bis in die 80er Jahre. Heute sind derlei Bilder kaum mehr zu sehen. Im Gegenteil: Firmen, die sich bei potenziellen Kunden beliebt machen wollen, lassen die Finger von abgedroschenen Rollenbildern. Immer öfter schwingen in der Werbung die Männer den Besen, saugen euphorisch die Wohnung oder interessieren sich brennend dafür, wie sie Flecken aus der Tischdecke bekommen. Daneben die Kinder, oder zumindest ein Golden Retriever.
Dieser Wandel in der Werbung verrät nicht nur einiges über unsere Gesellschaft, sondern setzt neue Standards in verschiedenen Bereichen. Auch auf die Politik habe es sich ausgewirkt, wie Politberater Lothar Lockl erklärt: „Männer in Führungsfunktionen, die Gleichberechtigung nicht leben, werden immer mehr zu Dinosauriern – zu einer aussterbenden Art“, sagt er. Denn die Zeit der alten Männerklüngel sei auch in der Politik vorbei.
Bewusstsein für Inklusivität
Begonnen habe die Veränderung aber in der Wirtschaft. Auf den Finanzmärkten könnten Unternehmen, die keinen Wert auf Gleichberechtigung und Diversität legen, heute nicht mehr bestehen. Internationale Investoren haben kein Interesse an Firmen, die keine Diversitätskonzepte vorlegen können.
Aber warum eigentlich? Millennials und die sogenannte Generation Z, also Menschen, die in und nach den 1980ern geboren wurden, „haben ein ganz anderes Bewusstsein für Inklusivität und Gleichberechtigung“, meint Kommunikationsexpertin Anna Vetter. Politik und Unternehmen müssen ihre Botschaften anpassen, um diese Zielgruppe zu erreichen. „Werbung ist pragmatisch und möchte in erster Linie ihr Produkt anbringen“, sagt Vetter. Aktivistisches Werben könne zwar Erfolg haben – genannt sei etwa die Black-Lives-Matter-Kampagne von Nike – muss aber exakt zu den Werten passen, die ein Unternehmen oder eine Politikerin vorlebt.
Insgesamt sei die Politik jedenfalls „immer ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt Vetter. Sie presche nicht voran, sondern partizipiere an gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, „sonst wird sie nicht gewählt“.
Social Media als Schutz?
Ein neues Kapitel wurde mit Social Media aufgeschlagen. Nachrichten verbreiten sich rasend schnell, die Resonanz ist im Vergleich zu klassischen Massenmedien eine unmittelbare. „Wenn ich mir die Werbungen der 90er und Nuller Jahre anschaue: Das würde heute nicht mehr gehen. Wenn sich ein Politiker einen Fehltritt erlaubt, wird auf Social Media sofort geteilt“, sagt Vetter.
Schützt diese neue, interaktive Öffentlichkeit und mit ihr die universelle Möglichkeit, sich zu beschweren, also vor Sexismus?
Mitnichten. Frauen seien nun zwar sichtbarer, betont Vetter, aber: „Die Downside dieser Sichtbarkeit ist, dass es durch Social Media eine ganz andere Angriffsfläche gibt.“ Eine Reuters-Studie von 2019 zeigt, dass Politikerinnen auf Twitter ungleich öfter beleidigt oder sexistisch angegriffen werden als ihre männlichen Kollegen.
Obwohl eine Veränderung im Gange ist, die mitunter schon sichtbar wird, sind wir also noch lange nicht so weit, dass Klischees, traditionelle Rollenbilder und Sexismus in Werbung und Politik der Vergangenheit angehören.
Laut Ulli Weish, Kommunikationswissenschaftlerin an der Uni Wien, existiere heute einfach viel Verschiedenes nebeneinander: Reine Produktwerbungen, sexistische Werbungen, aber auch eine betont „korrekte“, also nicht sexistische bis bewusst diverse Darstellung. Das sei zwar gut, werde allerdings auch oft bewusst kommuniziert und instrumentalisiert. „Manchen geht es darum, ihren Ruf zu verbessern, andere wollen so Aufmerksamkeit erzeugen“, sagt Weish.
Durch das Umdrehen des traditionellen Rollenbildes werde eine Story erzählt. Nicht unbedingt eine Liebesgeschichte zwischen Männern und dem Putzen. Aber die Geschichte einer Gesellschaft im Wandel.
Kommentare