Klimaministerin Gewessler: "Wir haben es mit einer unsicheren Situation zu tun"

Klimaministerin Gewessler: "Wir haben es mit einer unsicheren Situation zu tun"
Alarmstufe wird nicht ausgerufen, Großverbraucher sollen auf Öl umsteigen. Gewessler und Urbantschitsch rufen Haushalte dazu auf, Heizungen zu warten.

Nachdem die Gas-Einspeicherungen zuletzt deutlich zurückgegangen sind, hat sich die Bundesregierung am Montag und Dienstag über die aktuelle Lage und das weitere Vorgehen mit Experten beraten. Die Regierung will die Speicher bis zum Beginn der Heizsaison auf 80 Prozent füllen. Dazu müssten noch mehr als 32.000 GWh Gas eingespeichert werden.

"Genau vor einer Woche wurden die Gasspeicher nur mit sehr wenig Gas befüllt", schickt Gewessler bei einer Pressekonferenz mit E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch voraus. Die Regierung habe sich bereits am Montagabend mit Energie-intensiven Unternehmen beraten. Am Sonntag gab es den höchsten "Einspeicherwert", so die Ministerin, es gebe deshalb auch keinen Grund, die Alarmstufe auszurufen.

Derzeit gebe es 43,9 Terrawattstunden Erdgas, das entspricht der Hälfte des österreichischen Jahresverbrauchs respektive 46 Prozent. Dieses Gas gehört, so Gewessler auf mehrfache Nachfrage, im Notfall Österreich. Für Kunden sei vorgesorgt. Derzeit gehöre indes ein Teil Ländern wie Slowenien, ein Teil Unternehmen, ein Teil Haushalten. "Es gibt keine Verpflichtung von Unternehmen, bekanntzugeben, wo sie eingespeichert haben", so die grüne Ministerin, die weder Prozentangaben machen noch Namen nennen will. Nur so viel:  "Wir haben es mit einer unsicheren Situation zu tun".. 

"Wir haben es mit einer unsicheren Situation zu tun".

Die Ministerin könne nicht prognostizieren, wie es weiter gehe. Am 11. Juli wird North Stream 1 für eine weitere Wartung stillgelegt, so Gewessler. Niemand wisse, wie es danach weitergehen wird. Nur so viel sei sicher:  "Russland setzt Energielieferungen als Waffe ein".  Am 21. Juli werde man sehen, ob die Pipeline wieder in Betrieb geht. 

"Technische Ertüchtigung" - Anlagen sollen mit Energieträgern wie Öl beschickt werden können

Das Ministerium wird eine Verordnung mit Maßnahmen in Begutachtung schicken, die vorsieht, dass Industrien und Kraftwerke, die auch mit Öl beschickt werden können, selbiges tun werden müssen. Die Umrüstung werde nicht in allen Fällen machbar sein, gesteht die Klimaministerin ein. "Alles, was beim Gas sparen hilft, hilft die Abhängigkeit zu reduzieren."

15 Prozent weniger Energie beim Heizen kann eingespart werden

Gewessler appelliert, wie ihr deutscher Amtskollege Robert Habeck, an die heimischen Haushalte, bereits jetzt Energiespar-Vorkehrungen zu treffen. Die Wartung von Thermen bis hin zum Abdichten von Türen werde in der Heizperiode helfen, 10 bis 15 Prozent Energie zu sparen. Eine Bewusstseinskampagne werde es erst Ende des Sommers, Anfang der Heizperiode geben, so die Klimaministerin. 

Urbantschitsch weist darauf hin, dass im Sommer in Österreich noch genug Wasserkraft und Windkraft zur Verfügung stehe. Nebst der Einspeicherung von Gas helfe die Substitution. Vor allem von Großverbrauchern. Nebst Öl sei auch erneuerbare Energie eine Alternative.

"Ein erheblicher Teil von Haidach ist nicht mit Gas befüllt", sagt Urbantschitsch auf Nachfrage. Durch eine Gesetzesnovelle sei es nun auch möglich, strategische Reserven zu beschaffen.

"Wir sind in einer kritischen Situation, da gibt es nichts herumzureden", betont Gewessler erneut und verweist auf die Substitutionsverpflichtung der Industrie. Die Voraussetzungen für die Alarmstufe liege dennoch noch nicht vor. E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch sagte, dass wegen des kaum befüllten Speichers in Haidach bei Salzburg nach Inkrafttreten des Use-it-or-Lose-it-Prinzips ein Verfahren eingeleitet worden sei und „sehr zeitnah“ mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Gewessler bekräftigte, dass Haidach noch dieses Jahr an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden soll. Der Großteil des Speichers in Haidach gehört der Gazprom-Tochter GSA. Insgesamt lagert in Haidach nur wenig Gas. Urbantschitsch sprach von Terawattstunden im niedrigen, einstelligen Bereich.

Am Abend, um 18.00 Uhr, wird der Nationale Sicherheitsrat zum Thema Gasversorgung zusammentreffen. Die FPÖ hatte dessen Einberufung beantragt.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried warf der Regierung Dilettantismus und Untätigkeit vor. Man schaue weiterhin zu, womit zu befürchten sei, dass Österreich eines der wenigen Länder sein werde, das unter Umständen ohne Gas da stehen werde. Leichtfried regte etwa an, dass die Regierung direkt am Gasmarkt einkaufen und sich an Terminals beteiligen sollte. Nicht viel hält er davon, Gasreserven anderer Staaten, die in Österreich lagern, einzubehalten. Solch ein "Gas-Nationalismus" würde irgendwann auf Österreich zurückfallen.

Der stellvertretende Neos-Klubchef Nikolaus Scherak warf der Regierung vor, es nicht geschafft zu haben, die Abhängigkeit von russischem Gas zu senken. In Deutschland sei dies dagegen gelungen. Er hoffe nun, dass zumindest bald ein detaillierter Notfallplan vorgelegt werde.

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