Regieren ohne Kurz: Welche Szenarien möglich sind
Die einen werden jubeln, die anderen werden es bedauern - klar scheint, die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz geht wohl dem Ende zu. Die Vorwürfe wiegen zu schwer: Steuergeldmissbrauch, um sich mit gekauften Berichten an die Macht schreiben zu lassen. Verdacht auf Bestechlichkeit und Untreue im engen Umfeld des Kanzlers, Kurz selbst unter Verdacht der Beitragstäterschaft, des "Anstiftens". Das geht sich für einen Regierungschef in einer entwickelten Demokratie wie Österreich nicht aus.
Was passiert nun gerade? Was sind die möglichen politischen Szenarien? Was sind die verfassungsrechtlich möglichen Auswege?
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Ist Sebastian Kurz zu halten?
Das hängt von der ÖVP und den Grünen ab, denn auf diese beiden Parteien stützt sich seine parlamentarische Mehrheit. Am kommenden Dienstag wird es eine Sondersitzung des Nationalrats und einen Misstrauensantrag der Opposition geben. Da braucht Kurz eine Mehrheit, ansonsten wäre er vom Parlament abgewählt. Die Grünen haben bereits am Donnerstag in der Früh erklärt, dass sie die Handlungsfähigkeit des Kanzlers nicht mehr gegeben sehen. Damit werfen sie ihn praktisch raus.
Kann man ohne Kurz weiter regieren?
Ja. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Es findet sich eine parlamentarische Mehrheit ohne ÖVP. Dazu müssten allerdings hohe Hürden überwunden werden, denn es müssten SPÖ und FPÖ und Grüne oder Neos eine Regierung bilden.
Die Grünen regieren weiter mit der ÖVP - aber mit einem anderen Kanzler. Angesichts der Bedrohung durch Variante A, dass die ÖVP das Kanzleramt verliert, steigt der Druck auf die ÖVP, Kurz fallen zu lassen und einen anderen ÖVP-Politiker als Regierungschef zu nominieren.
Geht ein Kanzlerwechsel ohne Neuwahl?
Ja. Es gibt zwei Varianten: Der Kanzler tritt von sich aus zurück. Dann nominiert der Bundespräsident einen neuen Kanzler und gelobt ihn an. Oder der Kanzler wird durch Misstrauen des Parlaments abgewählt, dann muss der Bundespräsident einen neuen suchen und angeloben.
Besteht die Möglichkeit eines Beamtenkabinetts?
Grundsätzlich ja. Da nicht davon auszugehen ist, dass die ÖVP mit einem solchen Schritt einverstanden ist, müsste der Bundespräsident die Beamten- bzw. Expertenliste für die Ministerien mit den verbleibenden vier Parteien, die im Parlament eine Mehrheit haben, abstimmen.
Kann es trotzdem zu Neuwahlen kommen?
Theoretisch ja, höchstwahrscheinlich aber nicht. Für Neuwahlen braucht es eine parlamentarische Mehrheit. Wenn die ÖVP einen Neuwahlantrag im Nationalrat einbringen sollte, dann müsste entweder die SPÖ oder die FPÖ oder die Grünen zustimmen, damit er eine Mehrheit bekommt. Derzeit hat aber keine Partei gesteigerte Lust auf Neuwahlen.
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