SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sowie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig machten kein Hehl daraus, dass sie es für die SPÖ als wichtiges Ziel erachten, die Kanzlerin zu stellen, und zwar, indem sie ein Bündnis ohne die ÖVP anführen. Wie dieses „Bündnis“ im Detail aussehen könnte – ob eine Duldung einer rot-grün-pinken Ampel durch die FPÖ oder gleich eine Vierparteienkoalition mit FPÖ-Ministern –, das wurde von Rendi-Wagner in der Sitzung weder im Detail erklärt, noch gab es tiefere Vorgespräche mit Neos, Grünen oder FPÖ. Deshalb hat FPÖ-Chef Herbert Kickl auch so ablehnend reagiert, er hat von der Aufhebung der SPÖ-Quarantäne gegen die FPÖ angeblich aus dem Fernsehen erfahren.
Mehrere Jahre oder nur wenige Monate?
Einer der Punkte, über den im SPÖ-Präsidium heftig diskutiert bzw. gestritten wurde, war die Dauer eines möglichen Bündnisses unter Duldung oder Mitwirkung der FPÖ. Rendi-Wagner, Ludwig und Doris Bures machten klar, dass dieser Pakt möglichst bis zur regulären Nationalratswahl 2024 und somit mehrere Jahren halten sollte, damit sich Rendi im Kanzleramt profilieren könne. Dagegen erhoben wesentliche SPÖ-Länder ihre Stimme: Doskozil, der steirische Parteichef Anton Lang, Niederösterreichs Franz Schnabl und dem Vernehmen nach auch Kärntens Peter Kaiser.
Sie warfen – in unterschiedlicher Intensität – das Argument in die Runde, dass ein solches Vier-Parteien-Bündnis wohl nur ein „Übergang zu Neuwahlen“ sein könne. Ihr Argument: Eine Regierung aus SPÖ, FPÖ und Grünen würde auf Dauer keinen Erfolg haben, weil man sich in so gut wie keiner wesentlichen Frage (Corona, Migration) einigen werde, und damit würde man erst recht wieder der ÖVP in die Hände spielen.
"Anti-ÖVP" als Klammer
Anders gesagt: Doskozil, Lang und Schnabl wollten, dass das Kurz-Abwahl-Bündnis maximal sechs Monate amtiert. In diesen wenigen Monaten sollte man die ÖVP-Skandale aufklären, denn dafür hätte die gemeinsame Klammer der vier Parteien gereicht, und dann sollte "selbstverständlich ein neuer Nationalrat gewählt werden". Davon hielten Rendi-Wagner und Ludwig wenig bis gar nichts: „Man darf die Menschen jetzt nicht mit Neuwahlen belästigen“, lautete sinngemäß ihre Antwort auf die Skeptiker.
Kein Beschluss wegen Patt
Laut KURIER-Recherchen ließ sich diese Patt-Stellung nicht auflösen – weshalb das Präsidium keinen formalen Beschluss fasste. Doskozil hat die Frontstellung später öffentlich bestätigt: „Es gab Befürworter und Gegner der Mehrparteien-Koalition. Die Befürworter waren in der Mehrheit, daher war das die Linie der SPÖ. Es ist dokumentiert, dass ich dagegen war. Und ich will das auch gar nicht leugnen.“
Hinter dem Streit steckt einmal mehr der Machtkampf zwischen Rendi und Doskozil: Sie wollte sich zur Kanzlerin machen lassen, und sei es von Kickls Gnaden, um ihre Position zu festigen. – Er will hingegen Nationalratswahlen und dabei als SPÖ-Spitzenkandidat antreten.
Das Absurde: Nun ist Rendi-Wagner plötzlich die Verbindungsfrau zur FPÖ; und Doskozil, der von der Bundespartei für Rot-Blau im Burgenland gerügt worden war, ortet nun einen Verlust an Glaubwürdigkeit der Bundes-SPÖ.
Türkise Planspiele bestätigen Doskozil-Linie
Tatsächlich hat sich Rendi-Wagner zu einem Zeitpunkt mit Kickl getroffen, als in der ÖVP schon längst Schallenberg als Kanzler und somit die Fortsetzung von Türkis-Grün feststand. Die SPÖ verkauft jetzt als ihren Erfolg, dass ihr Techtelmechtel mit der FPÖ Kurz zum Rückzug bewegt hätte. Türkise Planspiele für ein Kurz-Comeback legen jedoch nahe, dass die Argumente von Doskozil und Co die richtigen waren. Die Türkisen setzten darauf, dass Rendi-Wagner mit Kickl sehr bald straucheln würde, ganz besonders in der Pandemiebekämpfung. Der ÖVP-Wahlslogan war schon geboren: „Kurz oder das Chaos“.
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