Rechnungshof prüfte Corona-Impfungen: Zu viel und zu wenig

Die Corona-Impfpflicht befeuerte Verschwörungstheorien.
Prüfer: Wechselnde Minister und oft wenig nachvollziehbare Grundlagen für Entscheidungen.

Der Rechnungshof bemängelt die Beschaffung von Corona-Impfungen in Österreich. Laut einer am Freitag veröffentlichten Sonderprüfung hat die Republik zuerst zu wenig und dann zu viele Impfstoffe zur Bekämpfung der Pandemie besorgt. Die Kostenberechnungen waren wenig transparent.

Im Jahr 2020 verständigten sich die 27 EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen. In Österreich stand ab Juni 2021 genügend Impfstoff von verschiedenen Impfstoffherstellern zur Verfügung. Aber: Zu Beginn der Impfstoffbeschaffung ab Juni 2020 fehlten laut RH detaillierte Kalkulationen zu den voraussichtlichen Ausgaben. Bei weiteren Beschaffungen existierten zudem unterschiedliche Bedarfsberechnungen ohne dokumentierte nachvollziehbare Grundlage. Überprüft wurden im Wesentlichen die Jahre 2020 und 2021.

So unterschritt man bis 30. Juni 2021 die mögliche Bestellmenge laut Bevölkerungsschlüssel (das wären 12 Prozent gewesen).

Damals bestellte das Gesundheitsministerium verbindlich 24,32 Millionen COVID-19-Impfdosen verschiedener Impfstofftechnologien. Laut einer Berechnung des Rechnungshofes hätte sich die hypothetische Durchimpfungsrate der Bevölkerung erhöht, wenn Österreich gemäß Bevölkerungsschlüssel bestellt hätte. Je nach Berechnungsart hätte sich die Rate zum 30. Juni 2021 bei Erstgeimpften von 53,6 Prozent auf 56,9 Prozent beziehungsweise 56,2 Prozent erhöht.

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Im Herbst desselben Jahres zeigte sich dann die umgekehrte Vorgehensweise: Ab Oktober 2021 erfolgten Impfstoffbestellungen über dem Bevölkerungsschlüssel im Ausmaß von 14,65 Millionen Dosen. Den Beschaffungen lagen unterschiedliche Annahmen zugrunde.

So fehlte dem Rechnungshof „häufig eine dokumentierte nachvollziehbare Grundlage, etwa in Beschlüssen oder Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums“. Beispielsweise sei das Gesundheitsministerium in einer Bedarfsberechnung von einer Durchimpfungsrate von 100 Prozent aller Personen ab zwölf Jahren ausgegangen.

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Die Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen auf EU-Ebene erfolgte durch die EU-Kommission und wurde durch den EU-Lenkungsausschuss begleitet, in dem auch Österreich vertreten war. Für die gemeinsame EU-weite Beschaffung schloss die EU-Kommission im Auftrag und im Namen von Mitgliedstaaten Vorkaufverträge mit den Herstellern ab. Darin waren die wesentlichen Parameter für die Impfstoffkäufe (etwa die Produktbeschreibung, der Preis und die Liefermodalitäten) bereits festgelegt. Gemäß EU-Strategie sollte der Zugang der EU-Mitgliedstaaten zu den gemeinsam beschafften Impfdosen im Verhältnis der jeweiligen Bevölkerung zur Unionsbevölkerung erfolgen. Auf Österreich entfielen dabei rund zwei Prozent. Es war möglich, Impfstoffe über und unter dem Bevölkerungsschlüssel zu bestellen.

Die konkrete Bestellung führten die einzelnen Mitgliedstaaten – in Österreich das Gesundheitsministerium – eigenständig durch. Dadurch hatten sie einen gewissen Ermessensspielraum insbesondere bei der Bestellmenge.

"As much as possible" wegen Impfpflicht

Auch in Hinblick auf die geplante Impfpflicht etwa wurde im Dezember 2021 auf politischer Ebene vereinbart, vom Impfstoff Novavax "as much as possible" abzurufen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Haltbarkeit der Impfstoffe begrenzt war.

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Kosten stiegen um eine Milliarde

Im Juli 2020 betrug der Rahmen für die Gesamtkosten bis zu 200 Millionen Euro. Der Rechnungshof beurteilt kritisch, dass das Gesundheitsministerium „keine Kalkulationen zu den voraussichtlichen Ausgaben erstellte, obwohl es über voraussichtliche Preisbänder informiert war“. Der Gesamtkostenrahmen erhöhte sich im Juli 2021 auf bis zu 1,252 Milliarden Euro.

Der Rechnungshof hält der Regierung jedoch zu gute, „dass sich im Verlauf der Pandemie der Erkenntnisstand über die Wirksamkeit der Impfungen laufend veränderte und etwa das Nationale Impfgremium seine Anwendungsempfehlungen laufend dem aktuellen Erkenntnisstand anpasste“. Die Prüfer empfehlen, bei Beschaffungsvorhaben von Impfstoffen aktenmäßig dokumentierte Bedarfsberechnungen auf Basis nachvollziehbarer Annahmen zugrunde zu legen.

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