Putin auf Blitzbesuch in Wien: "Business as usual"

Haltung statt Herzlichkeit: Bundespräsident Van der Bellen blieb beim Empfang Putins in der Hofburg anders sein Vorgänger Heinz Fischer sachlich, distanziert - und inhaltlich unverbindlich
Russlands Präsident warb in Wien für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Europa und Russland und zollte Österreich Lob für nie abgerissenen Dialog.

Eine Vertrauenskrise zwischen Russland und dem Westen? Ein Glaubwürdigkeitsproblem? Laut Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen gibt es beides nicht.

„Business as usual“ nennt er den Besuch seines gestrigen Gastes. Wladimir Putin hatte sich da angesagt. Fanfaren und Hymnen im inneren Burghof, Freundlichkeiten und lächelnde Gesichter in den Rängen der österreichischen Regierung. „Alle haben ein Interesse an der Wiedererrichtung der Beziehungen“, so Putin in einem gemeinsamen Pressestatement mit Van der Bellen – nicht derer zwischen Russland und Österreich, die sind ohnehin da und gut. „Auch in den letzten Jahren ist der Dialog trotz aller Schwierigkeiten nicht abgerissen“, lobte Putin seine Gastgeber. Nein, mit der Wiedererrichtung der Beziehungen sind die zwischen Europa und Russland gemeint. Ein Glaubwürdigkeitsproblem? Ein solches gebe es nicht. Russland sei offen für den Dialog. Dass die Beziehungen zwischen der EU und Moskau angekratzt seien, das liege ja nicht an Russland.

Putin in Wien

Offene Türen

Damit rennt der russische Staatschef in Wien anscheinend offene Türen ein. Um 14 Uhr scheppert die russische Nationalhymne bei brütender Hitze durch den inneren Burghof. Geblasen von der Gardemusik. Die österreichische Bundesregierung hat entlang des roten Teppichs Aufstellung bezogen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfängt Russlands Staatschef formvollendet, wie es sich unter Staatschefs gehört. Vor vier Jahren noch hatte das Van der Bellens Vorgänger Heinz Fischer getan – betont herzlich. Van der Bellen zeigte sich da etwas reservierter.

Weitaus mehr Lächeln dafür bei den am Roten Teppich vertretenen Regierungsmitgliedern. Da ist es Außenministerin Karin Kneissl, die Putin betont herzlich begrüßt. „Unsere Ministerin“, wie ein russischer Journalist sagt.

Putin in Wien – das bedeutet Absperrungen und reges Treiben am Ballhausplatz zwischen Präsidentschaftskanzlei und Bundeskanzleramt: Schwarze Anzüge, Mappen unter dem Arm, Gardesoldaten und Polizisten. Hinter einer Polizeiabsperrung am Heldenplatz haben sich um die zehn Menschen mit Transparenten eingefunden. Als „Bastion für den Frieden“ in der Welt wird der russische Präsident da bezeichnet.Dazu knistert die russische Nationalhymne in kaum zu vernehmender Lautstärke durch ein Megaphon. „Speichellecker“ sagt ein Passant. Ein junger Mann mit Transparent und Georgsband an der Brust antwortet mit einem hämischen Grinsen. Ebenso einer mit einem T-Shirt auf dem steht: Die Krim gehört zu Russland.

Heikles ausgespart

Kein Wort über solch heikle Punkte wie Krim, Ostukraine oder Syrien. Zumindest nicht im gemeinsamen Statement von Van der Bellen und Putin. Vom Abschuss des Fluges MH17 über der Ostukraine durch ein aus den Beständen der russischen Armee stammendes Waffensystem gar nicht zu reden. Der österreichische Staatschef spricht lieber mehrmals den gigantischen Markt an, den Russland biete und die Chancen für die österreichische Wirtschaft. Oder er gibt sich als Liebhaber russischer Literatur zu erkennen. Besprochen habe man einen Ausbau der Beziehungen, kulturelle Zusammenarbeit und Austausch sowie einen zivilgesellschaftlichen bilateralen Dialog, der in Russlands Hauptstadt für weiche Themen, Sotschi, steigen soll.

„Schädlich für alle“

Ohne die Auslöser anzusprechen, kamen schließlich aber doch die Sanktionen gegen Russland zur Sprache – und zwar ausgiebig. Mit wenig überraschender Tendenz. „Sanktionen sind schädlich für alle“, sagte Putin, „wir sind alle daran interessiert, dass die Sanktionen aufgehoben werden“ – wer immer die „alle“ sind. Offenbar doch Österreich, denn, so Putin weiter: Er verstehe, dass es für jedes einzelne EU-Land „ziemlich schwierig“ sei, das Thema anzusprechen. Das werde Russland aber nicht daran hindern, seine Beziehungen zu Österreich zu entwickeln.

Van der Bellen sagte, es sei „so, dass Österreich im Einklang mit der Europäischen Union handelt und handeln wird“. Das hatte auch schon Außenministerin Karin Kneissl Tags zuvor gesagt, nachdem Vizekanzler Heinz-Christian Strache wieder Tags zuvor ein Ende der Sanktionen gefordert hatte. Kurz konkretisierte das schließlich nach seinem Treffen mit Putin: Als Mitglied der EU gestalte Österreich auch die Außenpolitik der EU mit – und trachte danach die Beziehungen zu Moskau zu verbessern. Und auch hier das Thema Sanktionen: Einen „schrittweisen Abbau“ derselben wünscht sich Kurz.

Wegen der Wirtschaft

Es war Putins erste Auslandsreise in die EU seit seiner Wiederwahl im vergangenen März. Auf dem Plan standen Gespräche mit Gastgeber Van der Bellen und der Bundesregierung, vor allem aber auch mit Wirtschaftstreibenden.

 

Putin auf Blitzbesuch in Wien: "Business as usual"

Putin bei der Kranzniederlegung am Schwarzenbergplatz.

Nach den Terminen am Ballhausplatz begab sich der Tross zur Kranzniederlegung am Schwarzenbergplatz, danach folgte Putins Teilnahme an einem Wirtschaftsforum in der Wirtschaftskammer. Am Abend wollte er zusammen mit Van der Bellen zudem eine Ausstellung im Kunsthistorischen Museum eröffnen.

Ende, Heimreise.

Gute Stimmung

Als Putin vor vier Jahren in Wien war – die Krim war da gerade annektiert worden, in der Ostukraine kochte der Konflikt zu einem Krieg hoch – hatte es bei seinem Auftritt in der Wirtschaftskammer stehende Ovationen für Putin gegeben. Damals hatte es zumindest formell geheißen, kritische Themen seien angesprochen worden.

Vonseiten Österreichs Seite sind die Präferenzen bei diesem Besuch klar: Beziehungen verbessern. Auf Wirtschaftsbeziehungen zu setzen sei dabei durchaus vernünftig, so ein österreichischer Diplomat. Den Besuch Putins wertet man in den diplomatischen Rängen Wiens dementsprechend als „politisches Signal“. Freilich im Einklang mit der EU-Außenpolitik und keinesfalls mit der Absicht, die EU zu polarisieren.

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