Der Besuch des starken Mannes

Österreichs freundliches Verhältnis zu Wladimir Putin ist kein Zufall. Der Respekt ist übertrieben.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Wladimir Putin mag Österreich, und Österreich mag Wladimir Putin. Es ist kein Zufall, dass sich der russische Präsident in Wien hofieren ließ, während ihm halb Europa zürnt: Wegen der Ukraine, wegen des Militäreinsatzes in Syrien, wegen eines mysteriösen Attentats auf einen Ex-Doppelagenten in Großbritannien. Vom Präsidenten über den Kanzler bis zur Kammerspitze gab sich hingegen die Republik die Ehre und sonnte sich im Glanz der geheimnisvollen Sphinx, die schon mit Karl Schranz Ski fahren war, Thomas Klestil Hundewelpen schenkte und 2014 von Heinz Fischer empfangen wurde – drei Monate, nachdem sich Putins Truppen die Krim gekrallt hatten. Auch gestern machte Putin überfreundliche Miene: Schließlich steht in zwei Monaten die nächste Entscheidung der EU in Sachen Russland-Sanktionen an – unter Österreichs EU-Vorsitz.

Zum betont freundlichen Verhältnis, das Österreich zu Putin unterhält, passen Umfragen der vergangenen Jahre. Sie belegen eine wachsende Affinität der Österreicher zu einem „starken Mann“ in der Politik, der per Handschlag agiert und sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss. Mindestens jeder Vierte denkt so. Würde man fragen, welcher Typ dem Österreicher da vorschwebt, wäre es kaum die erratische Präsidentenkarikatur Donald Trump, sondern ein „Zar“ wie Putin.

Das sehen Rechtspopulisten vom früheren Front National bis zur FPÖ ebenso, die einen Kooperationsvertrag mit Putins „Geeintes Russland“ geschlossen hat. Es ist egal, was Henne und was Ei war, die Stimmung oder die Populisten. Fest steht nur: Die Putin-Liebe ist keine Erfindung der FPÖ, das konnte Österreich schon vorher.

Mit Augenzwinkern gegen die DemokratiePutin wiederum ist scheinbar egal, was die übrige Welt von ihm denkt. Er macht sein Ding. In Russland, wo es „keinerlei Zweifel an der Demokratie gibt“ (O-Ton Putin), was nicht einmal die hartgesottensten Putin-Fans glauben. Aber auch das ist Putin: Mit einem Augenzwinkern lässt er Oppositionelle im besten Fall verhaften und schafft ein Klima, in dem freie Medien und wirkliche Demokratie keinen Platz haben. Und er macht sein Ding im Ausland, vom ehemaligen Sowjetgebiet bis in den Nahen Osten. Wenn es Europa nicht passt, dann orientiert er seine Interessen eben nach China, die Europäer werden schon sehen, was sie davon haben.

Genau hier liegt ein fundamentaler Irrtum im blinden Respekt vor Putin. Dem Präsidenten ist die Wiederherstellung alter russischer Größe ein Primärziel. Aber es ist ihm mitnichten egal, was die restliche Welt von ihm denkt. Denn Russland, das kaum über innovative Wirtschaft und Industrie verfügt, braucht die Welt und da vor allem (Öl- und Gasabsatz) den Westen – Putin weiß, dass sich China ausschließlich von expansionistischem Eigeninteresse lenken lässt. Genau weil das so ist, versucht Russland, auf Wahlen im Ausland Einfluss zu nehmen, von den USA über Frankreich bis Deutschland.

Dieses Wissen könnte den Westen stark gegenüber Putin machen, der nur Stärke versteht. Weil dem starken Mann kraft Definition Kotau stets als Schwäche gilt. andreas.schwarz

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