Projekt schon gestorben? Front gegen Sicherungshaft wächst

Am Freitag wurden in Traiskirchen die Schilder getauscht: Aus dem Erstaufnahmelager wurde ein "Ausreisezentrum".
Nach klarem Nein der SPÖ zur "Sicherungshaft" fehlt Verfassungsmehrheit. Auch Kirche und Rechtsanwälte sind wütend.

Das Thema Sicherungshaft erhitzt weiter die Gemüter. Derzeit versuchen Beamte des Justizministeriums und des Innenministeriums einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, wonach "straffällige" Asylwerber in Schutzhaft genommen werden können - ein konkreter Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor.

Um die Sicherungshaft einführen zu können, braucht die Regierung aber jedenfalls eine Verfassungsmehrheit, also zwei Drittel der Stimmen im Nationalrat.

Keine Verfassungsmehrheit

Das wäre mit den Stimmen der Neos oder der SPÖ möglich.

Die Neos waren die ersten, die klar Nein gesagt haben.

Rendi-Wagner will Klage in den kommenden Wochen einbringen

Bei der SPÖ gab es lange Verwirrung um eine klare Position zu der heiklen Frage (mehr dazu hier). Am Freitag stellte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner klar: „Was ich ablehne – und das habe ich von Anfang an gesagt – , ist eine generelle Präventivhaft. Hier ziehe ich eine rote Linie. Eine generelle Präventivhaft und jede Art von Maßnahme, die nicht den Europäischen Menschenrechtsstandards entspricht, lehne ich entschieden ab und ist nicht verhandelbar.“

Damit dürfte das Vorhaben der Regierung keine Chance auf Umsetzung haben - zumindest solange weder SPÖ noch Neos ihre Haltung ändern.

"In Diktaturen werden Menschen auf Verdacht verhaftet" - Kirche gegen Sicherungshaft

Widerstand auch in der Regierung

Justizminister Josef Moser (ÖVP) – er soll ja gemeinsam mit Innenminister Kickl ein konkretes Gesetz formulieren – war von Anfang an skeptisch, eine Sicherungshaft einzuführen: Solche Maßnahmen erfordern „große Vorsicht und Fingerspitzengefühl“, mahnte Moser vor wenigen Tagen. Es müssten unbedingt die Menschenrechte eingehalten werden.

Aber auch Bildungsminister Heinz Faßmann äußerte seine Skepsis. Es sei moralisch „nicht richtig“, jemanden auf Verdacht einzusperren, sagte er gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten. „Haft auf Verdacht geht nicht. Es muss konkrete Anlasspunkte geben, vielleicht auch eine Vorgeschichte, etwa ein Aufenthaltsverbot. Dann kommen wir schon in einen Kriterienkatalog hinein, der zu diskutieren ist. Aber auf Verdacht und ohne Beweise, das ist zu wenig.“

Man müsse „sehr vorsichtig“ sein, Grundrechte verfassungsrechtlich zu beschneiden. „Weil diese Grundrechte entsprechen letztlich der Idee des Menschen als freies Individuum. Diese zu beschneiden, dafür braucht es wirklich, wirklich gute Gründe. Es schwirren alle möglichen Ideen herum. Es ist die Aufgabe von jenen, die diese Ideen in die Welt gesetzt haben, diese auch zu konkretisieren.“

Moser: "Keine Sicherungshaft für Österreicher."

Rechtsanwälte warnen vehement

Rechtsanwaltskammer-Präsident Rupert Wolff warnte am Freitag davor, die durch das Ende des Totalitarismus in Europa vor 30 Jahren gewonnenen Freiheiten infrage zu stellen.

2019 sei ein wichtiges Gedenk- und Jubiläumsjahr, so Wolff, denn vor 30 Jahren seien der Eiserne Vorhang und die Berliner Mauer gefallen. Totalitarismus und Unterdrückung seien friedlich überwunden, rechtsstaatliche Strukturen in ganz Europa etabliert worden. Heute sei aber eine schleichende Abkehr von diesen Werten zu erkennen.

Das rechtsstaatliche Prinzip sei eines der Grundprinzipien der österreichischen Verfassung, so Wolff weiter. Es schütze vor Willkür bei der Anwendung staatlicher Gewalt, und der Gesetzgeber sei, abgesichert durch den Verfassungsgerichtshof, an höherrangiges Recht gebunden.

Leider gebe es in Europa und auch Österreich derzeit „Tendenzen, die besorgniserregend sind“. Hier spricht Wolff konkret die Äußerungen von Innenminister Kickl an, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, sowie an dessen Forderung nach einer Sicherungshaft für Asylwerber. Manch ein Politiker wünsche sich eine Präventivhaft gleich für alle Bürger, wenn ein psychologisches Gutachten Gefährlichkeit attestiere.

Wolff hält dies nicht nur für bedenklich aus rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Sicht, „sondern schlichtweg für brandgefährlich“. Wer so etwas 30 Jahre nach Ende des Totalitarismus in Europa fordere, benötige „schleunigst Nachhilfe in Geschichte“.

Projekt schon gestorben? Front gegen Sicherungshaft wächst

Kardinal Christoph Schönborn.

Schönborn sagt, "soweit darf es nicht kommen"

Und auch Kardinal Christoph Schönborn und die Österreichische Bischofskonferenz wenden sich entschieden gegen die Pläne zur Einführung einer „Sicherungshaft“. Sie warnen vor unabsehbaren Folgen für die grundrechtlich garantierte persönliche Freiheit.

„Wenn wir uns einmal daran gewöhnen, dass Menschen im Vorhinein 'vorsorglich' eingesperrt werden können, wohin führt das?“, fragte der Kardinal in einer Zeitungskolumne.

Österreich sei „einer der besten Rechtsstaaten der Welt“ und eines der sichersten Länder weltweit. Schönborn: „In allen Diktaturen der Welt werden Menschen aus bloßem Misstrauen in Haft genommen. Morgen könnte es auch dich und mich treffen. Soweit darf es nicht kommen!“

Skeptisch zeigte sich der Kardinal, dass der Vorschlag von Innenminister Kickl, eine „Sicherungshaft“ einzuführen, lediglich auf Asylwerber beschränkt sei. Wenn das Kriterium für die präventive Haft „Gefährlichkeit“ sei, dann treffe das auch auf „Inländer“ zu.

Seine Ablehnung der „Sicherungshaft“ begründet der Wiener Erzbischof zudem damit, dass man Personen bloß zutraut, was sie vielleicht irgendwann einmal tun könnten. „Wer entscheidet darüber, ob jemand einmal gefährlich werden kann?“, fragte der Kardinal und schreibt: „Kein Psychiater kann mit Sicherheit voraussagen, ob jemand tatsächlich ein Verbrechen begehen wird. Genügt es, wenn jemand seinen Nachbarn für gefährlich hält, um ihn zur Sicherheit hinter Gitter bringen zu lassen?“

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