Warnung vor heißem Herbst: Wie Rechtsextreme die Krise nutzen wollen
Angst ist ein großes Wort. Und dennoch ist sie momentan zu spüren. Einerseits bei jenen Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bei steigender Inflation bezahlen sollen. Andererseits: auf Behördenebene.
Denn so düster das Szenario klingt, für hochrangige Polizeibeamte in Österreich wird es immer realistischer, dass der Herbst – spätestens der Winter – Aufstände der Bürger gegen den Staat mit sich bringen könnte.
Angeheizt von Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern und Staatsverweigerern, die sich thematisch immer weiter von der Anti-Corona-Hetze entfernen, um strategisch bei Energiekrise, Teuerungswelle und Inflation anzudocken.
Radikalisieren mit Angst als Triebfeder
Dadurch sollen neue Mitglieder radikalisiert und mobilisiert und Stimmung gegen den Staat gemacht werden. Insider nennen diesen Trend „demokratiegefährdend“.
In Deutschland wurde das Thema bereits vor mehreren Wochen ausführlich vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“ beleuchtet. Jörg Müller, Verfassungsschutzchef aus Brandenburg, lässt da etwa mit folgendem Satz aufhorchen: „Extremisten träumen von einem deutschen Wutwinter. Sie hoffen, dass Energiekrise und Preissteigerungen die Menschen besonders hart treffen, um Stimmung aufzugreifen und Werbung für ihre staatsfeindlichen Bewegungen zu machen.“
Staatsschutz beobachtet Szene genau
Auch in Österreich ist man sich der Gefahr bewusst. Auf KURIER-Anfrage bestätigt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), dass der Staatsschutz die Szene und ihr Tun genau beobachtet. „Viele Österreicher sorgen sich derzeit über die Versorgung mit Gas und Strom und über die hohen Preise. Diese Sorgen nehmen wir als Bundesregierung sehr ernst. Ich appelliere aber an alle, sich bei Demonstrationen nicht von Extremisten einspannen zu lassen, denen es nicht um die Sorgen der Menschen geht, sondern nur um ihr eigenes, schmutziges Geschäft“. Beratungen und Informationen sollen bereits bis ins Kanzleramt laufen.
Rechte suchen neue Themen
Eindeutige Worte findet auch Bernhard Weidinger, Experte für Rechtsextremismus und Neonazismus vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW): „Es ist ganz klar, dass die Corona-Protestbewegung versucht, neue Themen zu erschließen. Als im Frühjahr die Corona-Demos ausgelaufen sind, haben wir online bereits beobachten können, wie ausprobiert wurde, welche Themen sich dafür eignen könnten“, sagt der DÖW-Experte.
Telegram als zentrales Kommunikationsmittel
Kommuniziert wird von den Rechtsextremen dabei vor allem auf dubiosen Telegram-Kanälen. „Es wurde dort regelrecht Marktforschung betrieben. Die Antwort hat sich nun mit Teuerung, Inflation und der Gaskrise klar herauskristallisiert“, sagt Weidinger.
Wie groß die neuen Demonstrationen ausfallen könnten, wagt der DÖW-Experte nicht einzuschätzen. Klar ist jedoch, es wird sie geben. „Wie bei Corona sind die Menschen von den Themen unmittelbar betroffen und es wurden im Vorfeld entsprechende Strukturen und flankierende Erzählungen aufgebaut, die nun reaktiviert werden können.“
Profitieren von Unsicherheit
Noch ein Trend sei laut DÖW zu beobachten. Dass sich die „extreme Rechte“ bereits in Stellung bringt, um ihre eigenen Themen (der Traum ethnischer Homogenität, Anm.) mit jenen von Teuerung, Inflation und Gasknappheit zu verknüpfen. So seien in Österreich und Deutschland bereits Grafiken in einschlägigen rechten Foren aufgetaucht, in denen genau aufgeschlüsselt wird, wie viel Gas jene Menschen verbrauchen, die eigentlich abgeschoben werden müssten. „Vor wenigen Tagen wurde in München eine Banneraktion unter dem Slogan „Abschieben schafft Wohnraum„ durchgeführt“, berichtet Weidinger.
Alles Entwicklungen, die die Demokratie gefährden? „Es geht weniger um die Frage, ob die extreme Rechte Rekrutierungserfolge erzielt, als darum, inwieweit sie mit ihren Botschaften in den Herzen und Köpfen der Menschen landet.“
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