Natürlich kann man auch daran denken, dass Nehammer als Chef seiner Partei zurücktritt. Da kursieren längst Namen wie Altkanzler Sebastian Kurz oder der noch wenig bekannte Wolfgang Hattmannsdorfer aus Oberösterreich. Die Frage ist, wie schnell das geht und wäre das in der Partei mehrheitsfähig. Aber klar gibt es einige Leute in der ÖVP, die das gut fänden und machen könnten. Das bleibt aus meiner Sicht aber im Konjunktiv.
Die Verhandlungen könnten zwischen Schwarz und Rot aber auch einfach weitergehen, die haben ja eine Mehrheit, wenn auch nur mit einem Mandat.
Diese dünnste aller möglichen Mehrheiten, es wäre ja keine GroKo sondern eine KleinKo, eine kleinstmögliche Koalition, ist ebenso hochriskant. Aus Sicht von Nehammer wäre das aber eine Möglichkeit, den Kanzlersessel zu retten. Aber eben schwierig - mit Blick auf das parteiinterne Gefüge, Stichwort Wirtschaftsbund, der ohnehin schon unzufrieden über die Verhandlungen war, und mit Blick auf einige Länder wie zuletzt die Steiermark oder jetzt Niederösterreich und Oberösterreich, die Verluste befürchten müssen.
Also doch Blau-Schwarz?
Wie gesagt, das ist alles Skylla und Charybdis (Anmerkung: in einer Zwickmühle sein, sich in einer schwierigen, ausweglosen Situation befinden). Eine schlechte Variante jagt da die nächste. Die ÖVP muss ja wissen, wenn sie als Juniorpartner dann ohne Nehammer in eine Regierung geht, geht das immer mit einem Minus nach der nächsten Wahl aus.
Und die dritte Variante?
Neuwahlen. Das ist aus Sicht der ÖVP ebenfalls keine gute Option. Mit wem dann an der Spitze der Partei, wenn es nicht viel zu gewinnen gibt? Weil Neuwahlen heißt auch Niederlage für die Volkspartei, die ja an den Verhandlungen gescheitert sind.
ÖVP-General Stocker hat in einer ersten Reaktion recht deutlich der SPÖ die Schuld am Ausscheiden der Neos aus den Regierungsverhandlungen gegeben, das ist doch auch kein gutes Zeichen?
Ich war ja nicht dabei, aber auch Meinl-Reisinger hat ja angedeutet, dass mit SPÖ-Chef Andreas Babler alles sehr schwierig gewesen sei. Babler ist nicht nur für die Neos, sondern vor allem für die ÖVP eine nur schwer zu umschiffende Person. Das bleibt auch so. Das wäre mit anderen Personen, etwa mit dem Wiener Peter Hanke, vielleicht leichter, so eine Hochrisikokonstellation zu wagen mit nur einem Mandat Überhang. Empfehlen kann man sowas aber nicht, sowas kann ja recht schnell wieder platzen.
Meinl-Reisinger hatte den Verhandlungspartnern ÖVP und SPÖ in ihrem Statement ziemlich die Leviten gelesen, ohne konkret zu sagen, was das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wie sehen Sie das?
Ich denke, sie hat versucht die Vertraulichkeit der Gespräche zu wahren, es gab nur Andeutungen, keinen konkreten Anschuldigungen. Es war keine persönliche Abrechnung, das spricht auch für Meinl-Reisinger. Sie hatte aber auch intern Druck aus der Partei, nicht in diese Regierung zu gehen. Denn wenn man mit einem halbweichen Kompromiss in eine Regierung geht, ist die Gefahr riesengroß, dass es bei der nächsten Wahl um den Wiedereinzug der Neos in den Nationalrat geht, wenn dann das Reformimage weg ist. Den kleinsten Partner erwischt es immer am schnellsten.
Also sind Neuwahlen am wahrscheinlichsten?
Das nicht, aber sie sind definitiv wahrscheinlicher geworden. Dann wäre vieles in der Luft, dann müssen sich alle Parteien fragen, mit welchem Spitzenkandidaten sie in eine Wahl gehen wollen. Klar ist, dann gäbe es auch in der ÖVP Spekulationen, wer weitermachen soll. Nehammer hat sein politisches Schicksal ja am Zustandekommen einer ÖVP geführten Regierung geknüpft. Aber auch bei der SPÖ würden wohl sofort Diskussionen losgehen, man wollte ja Babler schon nach der letzten Wahl loswerden, was nicht geklappt hat. Und bei den Grünen müsste der Bundeskongress eiligst vorverlegt werden, um einen Kandidatinnenwechsel zu vollführen. Das wäre wohl eine Entscheidung in Richtung Leonore Gewessler, denke ich, das hätte auch eine Logik, auch wenn sie thematisch noch an Breite zulegen müsste.
Und wie könnten die Wähler die Vorgänge vom Freitag bewerten, was heißt das alles?
Ich würde sagen: Je nach Parteipräferenz unterschiedlich. Der ÖVP hilft das alles nicht. Der FPÖ spielt das alles am ehesten in die Hände. Die Neos könnten auch profitieren, weil sie ihr Reformimage nachweislich schärfen können. Es wird aber vor allem darauf ankommen, wer für welche Partei antritt.
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