Es kann nicht so schwierig sein, auf eine Frage eine klare Antwort zu geben, direkt kommunikativ anzuschließen. Wer das wiederholt nicht tut, der zerstört die Diskurskultur und letztlich schadet das der Politik. Die Ministerin antwortete kaum auf Fragen, sagte indessen zweimal dieselbe Satz-Abfolge, produzierte mehrere sprachliche Hoppalas. Dies verrät auch einem Nicht-Rhetoriktrainer, dass Gesagtes hier nicht mit Bedeutung und Reflexion, sondern nur mit Wiedergabe von Eingelerntem korrelierte. Da war der Entschluss gefallen, sich die Magisterarbeit anzusehen. Budget dafür: 0 Euro. Auftraggeber: keiner.
Was bedeutet dieser politische Rücktritt für die Wissenschaft? Werden die Standards gehoben werden müssen?
Aschbachers Dissertation vereint all das, wogegen ich seit 18 Jahren ankämpfe: Eine Eitelkeitspromotion ohne Inhalt mit Forschungsfragen, die keine sind. Falsche Zitate, unzureichende Belege, zweifelhafte empirische Befragung. Unlektorierte Nonsens-Sätze, die sich wie Experimentalprosa lesen. Natürlich ist so etwas die Spitze des Eisbergs, aber wir sollten uns jetzt wirklich für den Eisberg interessieren und da genau hinsehen.
Können Sie sich erklären, warum weder auf der FH Wiener Neustadt noch an der TU Bratislava die Mängel aufgefallen sind?
Weil die Arbeiten von den Betreuern nicht gelesen werden. Auch das ist ein offenes Geheimnis an Unis und gehört endlich abgestellt. Professoren sollten nicht 30 Dissertanten betreuen, deren Arbeiten sie nicht lesen, sondern lieber nur 5 und diese ordentlich betreuen. Wir hätten dann zwar weniger, aber besser ausgebildete Akademiker – ein Gewinn für die Gesellschaft! Die Gründe für diese Fehlentwicklung sind vielfältig: Faulheit, Abstumpfung über die Jahre, aber auch die Redundanzen in den Arbeiten. Oft ist es auch falsche Didaktik: Wenn man die Studierenden modular über ein Semester hinweg oder länger Kapitel für Kapitel schreiben lässt, hebt das die Qualität der Arbeiten enorm. Leider geben viele einfach irgendwann ein End-Konvolut ab und fertig. Über allem steht natürlich immer der falsche Anreiz, möglichst viele Akademiker "produzieren“ zu müssen.
Wer beauftragt Sie und welche Kosten sind damit verbunden?
Vorwiegend Anwaltskanzleien, dann Privatpersonen und selten Universitäten. Ich prüfe mittlerweile nicht nur auf Plagiat, sondern auch auf Autorschaft. Dazu verwende ich eine neuartige Stilometrie-Software eines Wiener Developers. Und ich mache sogenannte Meta-Gutachten, etwa Gutachten über Gerichtsgutachten. Bei der Plagiatsprüfung gibt es einen Fixpreis von 4 Euro pro Prüfseite, alle anderen Leistungen müssen von Fall zu Fall kalkuliert werden.
Die Software scannt digitalisierte Arbeiten nach Plagiaten. Was ist Ihre Leistung?
Die Software findet Textübereinstimmungen und keine Plagiate. Ich entscheide bei jeder Text-Markierung, ob es sich um eine zulässige oder eine unerlaubte Übereinstimmung handelt. Zulässig wären etwa Zitate in Anführungszeichen, außer diese wurden wiederum aus anderen, nicht-genannten Quellen abgeschrieben. Unzulässig sind, wie etwa bei Aschbacher, absatzweise bis seitenlange wortwörtliche Übernahmen, die dann irgendwo nur mit einer Fußnote enden. Das ist Betrug.
Wie viele Arbeiten, die nicht digitalisiert sind, könnten Ihrer Meinung den wissenschaftlichen Standards nicht entsprechen?
Man muss unterscheiden zwischen Arbeiten mit studienrechtlich relevanten Plagiaten und mit Plagiaten, die zwar wissenschaftliches Fehlverhalten darstellen, aber nicht studienrechtlich relevant sind, also nicht zur Aberkennung eines Titels führen würden. Etwa, weil die Plagiate nicht werkprägend sind oder nur Randbereiche der Arbeit betreffen. Dazu kommen aber andere Delikte wie Ghostwriting, Ghostcoding (d.h. der Ghostwriter macht auch die statistischen Auswertungen), Collusion (verborgene Zusammenarbeit) und die vielzähligen Manipulationsmöglichkeiten bei der Datenauswertung. Fragen Sie mich nicht nach dem Gesamtwert. Ich weiß ihn nicht. Da es keine zentrale Erfassung und Kontrolle wie etwa bei den Vorwissenschaftlichen Arbeiten gibt, haben wir keine Zahlen. Aber internationale Meta-Analysen sagen, dass jeweils ca. 3,5 Prozent plagiieren. Rechnen Sie das mal auf die Studierendenanzahl in Österreich um – das wären dann mehr als 10.000!
"Plagiatsjäger“ – können Sie mit der Bezeichnung etwas anfangen und verstehen, warum Sie manch Kritiker als Querulant tituliert?
Ein "Querulant“ war früher einer, der etwas beklagt, der einen Missstand aufzeigt. Nun, das ist nur die eine Seite. Die andere ist, dass ich seit Jahren eine Vielzahl von Vorschlägen mache, wie man die Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem verbessern könnte, mit gesetzlichen Änderungen, mit flächendeckendem intelligenten Software-Einsatz, mit Pflicht-Einführungslehrveranstaltungen in die "gute wissenschaftliche Praxis“, mit klareren und verbindlicher kommunizierten Zitierleitfäden. Wir haben mit dem Projekt 2020 mit Null Budget begonnen und hoffen auf eine Mittelzuwendung, um die Sache vorantreiben zu können. Ich strebe zudem eine Änderung meines Fokus vom Plagiatsjäger zum Plagiatsforscher an. Um etwas zu verändern, muss man Missstände in den öffentlichen Diskurs bringen. Erst die breite Bewusstseinsbildung dafür, dass wir ein strukturelles Problem haben, und es sich nicht um Hirngespinste einer Einzelperson handelt, eröffnet die Möglichkeit zur Veränderung.
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