Das hieße: Die Staatsanwaltschaft soll künftig einen Ex-Kanzler (wie vergangenes Jahr Sebastian Kurz) anklagen dürfen, wie sie derzeit auch jeden Normalbürger anklagt – ohne langwierige Berichtspflicht und Kontrolle „von oben“. Ob die Anklage richtig war, entscheidet sich dann in der Gerichtsverhandlung.
Die von der Kommission kritisierte „Zwei-Klassen-Justiz“ und das „30-Augen-Prinzip“ wären damit Geschichte.
Rechtswahrer
Was macht dann die General- bzw. Bundesstaatsanwaltschaft, die von der Kommission so dringend als „unabhängige Weisungsspitze“ eingefordert wird? Sie wäre, erklärt Kreutner auf KURIER-Nachfrage, für ungeklärte Rechtsfragen zuständig, könnte sich aber in ihrer Geschäftsordnung noch andere, näher zu definierende Aufgaben geben.
Ihre Entscheidungen würden für alle Staatsanwaltschaften in Österreich Klarheit schaffen. Ein Beispiel wäre die kürzlich geführte Debatte, ob der Spruch „From the river to the sea“, der bei Anti-Israel-Demos gerufen wird, strafbar ist oder nicht.
Gebildet werden könnte die Generalstaatsanwaltschaft aus der Generalprokuratur, die schon jetzt als „Rechtswahrer“ fungiert, und leitenden Oberstaatsanwälten. Auch die WKStA könnte einen Vertreter stellen.
Kreutner betont dabei, dass die Kommission kein ausgefeiltes Modell vorlegt. Es gehe um Denkanstöße, um das System zu verbessern.
Was wollen die Parteien?
Fraglich ist, ob diese auf fruchtbaren Boden fallen. Türkis und Grün sind beim Thema Bundes- bzw. Generalstaatsanwalt in einer Sackgasse. Nicht einmal beim Namen ist man sich einig: Die Grünen wollen einen Generalstaatsanwalt, die ÖVP will einen Bundesstaatsanwalt.
Nun ist Sommerpause, danach bleiben nur noch wenige Wochen bis zur Nationalratswahl. Aber wie stehen die Chancen, dass das Projekt in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt wird? Wer möchte welches Modell?
Die ÖVP will einen Bundesstaatsanwalt, der als Einzelperson entscheidet – und damit auch zur Verantwortung gezogen werden kann. „Parlamentarische Kontrolle“ ist für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zentral. Der Bundesstaatsanwalt soll auch vom Parlament bestellt werden.
Die SPÖ hat schon 2003 ein Modell vorgelegt, das ebenfalls eine Einzelspitze vorsieht. „Aber daran soll’s nicht scheitern“, sagt Justizsprecherin Selma Yildirim. Die SPÖ sei für Gespräche offen. Der Bundesstaatsanwalt solle mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gewählt werden – damit wäre eine breite Akzeptanz sichergestellt. Die Amtszeit soll auf zwölf Jahre begrenzt und eine Wiederbestellung nicht möglich sein.
Die FPÖ ist konsequent dagegen. Ein Generalstaatsanwalt wäre „mächtiger als der Justizminister“, sagt der blaue Justizsprecher Harald Stefan. Vorstellen könnte sich die FPÖ allenfalls die Wiedereinführung des 2008 abgeschafften Untersuchungsrichters, der im Ermittlungsverfahren Entscheidungen trifft.
Die Grünen folgen dem Bericht einer Arbeitsgruppe, die 2021 von Justizministerin Alma Zadić eingesetzt wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft solle aus zwei Dreiersenaten bestehen, die entscheiden. Die Macht wäre damit aufgeteilt. Dieses „innovative Element“ ist für Zadić „nicht verhandelbar“, wie sie vor einem Jahr im KURIER-Interview betonte. Über alles andere – Bestellmodus und parlamentarische Kontrolle – „können wir reden“.
Die Neos wollen im Wesentlichen dasselbe Modell wie die SPÖ: eine „unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft, die an der Spitze der Strafverfolgungsbehörden steht“. Kontrolliert werden solle diese durch das Interpellationsrecht im Parlament.
Fazit: Die ÖVP könnte sich mit der SPÖ einigen, die Neos könnten mitziehen. Die SPÖ könnte auch mit den Grünen auf einen Nenner kommen. Wenig Chancen gibt es für den Bundesstaatsanwalt, wenn Türkis und Blau eine Koalition bilden. Der Vorschlag der Kommission wird im Detail erst diskutiert werden können, wenn der Bericht vorliegt.
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