Bundesstaatsanwalt: Das steht im Bericht der Experten
Die Arbeitsgruppe im Justizministerium, die seit Ende Mai über die Einrichtung des neuen Bundesstaatsanwalts berät, hat die erste Etappe abgeschlossen. Ein 14-seitiger Zwischenbericht, der heute an die Parlamentsfraktionen geht, liegt auch dem KURIER vor.
Seit Jahrzehnten sorgt das Weisungsrecht der jeweiligen Justizminister in Österreich für Diskussionen. Es geht um die Tatsache, dass eine politische Spitze in letzter Konsequenz darüber entscheidet, ob nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingestellt oder zur Anklage gebracht wird. Weil es dabei um Verfahren geht, die die (Medien-)Öffentlichkeit beschäftigen, ist das besonders heikel.
2016 war der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter um eine Lösung bemüht - und schuf einen Weisungsrat, der berät und eine Empfehlung abgibt. Hält sich der Minister nicht an diese Empfehlung, müsste er das vor dem Parlament rechtfertigen. Ein Fall, der noch nie eingetreten ist. Die Debatte um die politische Weisungsspitze riss aber trotzdem nicht ab.
Als Lösung wurde bereits vor Jahren ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt angedacht, damit das Weisungsrecht auf eine parteipolitisch neutrale Stelle verlagert wird. Die ÖVP war lange dagegen. Erst, seitdem vermehrt Politiker ihrer Partei in den Fokus der Justiz gerückt sind, sympathisieren auch die Türkisen mit der Einrichtung dieser unabhängigen Stelle.
Anfang des Jahres gab es einen Ministerratsvortrag von ÖVP und Grünen in diese Richtung. Das war der Startschuss für das Projekt Bundesstaatsanwalt bzw. Generalstaatsanwalt - oder wie auch immer der Posten dann heißen mag.
In dem Papier werden noch keine abschließenden Entscheidungen getroffen, anhand der "zu klärenden Eckpunkte" lässt sich aber eine Richtung erkennen:
- Der Ernennungsmodus:
Die Ernennung der neuen Weisungsspitze sollte laut Expertengremium "jedenfalls durch den Bundespräsidenten" erfolgen. Zu klären sei noch, "welches Ernennungsverfahren die Unabhängigkeit und Legitimation der Weisungsspitze bestmöglich gewährleistet und welche fachlichen und persönlichen Qualifikationen notwendig sind, um sich für das Amt zu qualifizieren". Darüber hinaus sei der Modus einer vorzeitigen Abberufung zu klären - also die Frage, wie man den Bundesstaatsanwalt wieder absetzt, wenn er sich Verfehlungen leistet.
- Die Bestellungsdauer:
Die Bundesstaatsanwaltschaft solle möglichst unabhängig und nicht „auf Zuruf“ arbeiten. Daher sei abzuklären, auf welche Dauer das Organ bestellt werden soll, um die Unabhängigkeit bestmöglich zu gewährleisten. Hier geht es darum, zu vermeiden, dass ein Bundesstaatsanwalt in dem Bemühen, seinen Job zu behalten, korrumpierbar wird.
- Die Kontrolle:
"Die rechtliche Verantwortlichkeit und parlamentarische Kontrolle der Weisungsspitze ist auch weiterhin sicherzustellen", steht in dem Papier. Hier wurde man sich offenbar noch nicht einig im Gremium. "Die konkrete Ausgestaltung ist noch zu definieren", steht da. Zum Hintergrund: Die ÖVP hat zuletzt eine laufende Kontrolle durch einen Unterausschuss im Parlament gefordert. Die Grünen und viele Experten sind aber der Meinung, dass Strafverfahren erst im Nachhinein - also nach Abschluss - kontrolliert werden sollten, um zu vermeiden, dass sich die (Partei-)Politik einmischt.
- Die Organisation:
Zu klären sei außerdem noch, ob die Bundesstaatsanwaltschaft als "unabhängige Dienststelle" des Justizministeriums oder als "eigenes oberstes Organ" einzurichten ist. Zudem müsse das Verhältnis der bestehenden Strukturen zum neuen System geklärt werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Überlegt wird, wie der KURIER erfuhr, dass die Bundesstaatsanwaltschaft in der Generalprokuratur aufgeht, die derzeit schon Aufgaben einer "obersten Staatsanwaltschaft" erfüllt.
Angemerkt wird: Justizministerin Alma Zadic habe bereits bei der Auftaktsitzung am 27. Mai betont, dass die Arbeitsgruppe frei von politischen Einflüssen über die Möglichkeiten beraten solle - und zwar "ergebnisoffen".
Den Vorsitz hat Christian Manquet aus der Sektion Strafrecht im Justizministerium. Mitglieder sind unter anderem Elisabeth Lovrek, Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Generalprokurator Franz Plöchl, Ilse Vrabl-Sanda, Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Leiter der vier Oberstaatsanwaltschaften.
Dazu kommen noch weitere Vertreter der Staatsanwaltschaften, der Richtervereinigung und des Rechtsanwaltskammertags sowie Vertreter des Justizministeriums, des Bundeskanzleramts, des Innenministeriums und Experten aus der strafrechtlichen Praxis.
Insgesamt hat das Gremium 27 Mitglieder.
Verfassungsänderung nötig
Zum Diskussionsstand: Es bestehe in der Arbeitsgruppe Einigkeit darüber, dass es für die Schaffung einer neuen Weisungsspitze eine Verfassungsänderung braucht. Die Frage der parlamentarischen Kontrolle und des verfassungsrechtlichen Rahmens sei schwer darzustellen. Das will man in weiteren Sitzungen "gesondert und vertieft" diskutieren.
Ansonsten wurden noch folgende Vorschläge gemacht:
- Es brauche eine Verfassungsänderung. Dieses neue Organ, das in der Verfassung etabliert wird, soll aber nicht zur Gänze an die Stelle der Justizministerin treten, sondern nur Weisungsspitze innerhalb der Gerichtsbarkeit werden.
- Die neue Spitze übernimmt die Fachaufsicht. Weisungen im Instanzenzug nach unten und Berichtspflichten nach oben sollen bei den Staatsanwaltschaften weiterhin bestehen.
- Der neue Instanzenzug sieht dann folgendermaßen aus: Staatsanwaltschaften ermitteln und berichten an die Oberstaatsanwaltschaft, diese dann an die Bundesstaatsanwaltschaft. Das wird laut Zwischenbericht "mehrheitlich befürwortet".
- Es soll keine Weisungen (weder individuell noch generell) zur Ermittlungs- und Anklagepraxis von der Justizministerin geben. Lediglich "bindende Erläuterungen, Handbücher und Empfehlungen als Hilfsmittel". Das sei laut Bericht die "überwiegende Meinung". Heißt: Die Ministerin hat bei Strafverfahren tatsächlich nichts mehr mitzureden.
- Die Dienstaufsicht soll hingegen bei der Ministerin bleiben. Hier geht es um Personalagenden oder Disziplinarverfahren. Dienst- und Fachaufsicht sollen "sauber getrennt" werden.
- Auch das Vorschlags- bzw. Ernennungsrecht soll - wie bei Richtern - im Ministerium bleiben, ebenso Entscheidungen über den Einsatz von Personal oder Dienstzuteilungen.
- Die Ministerin bleibt außerdem "haushaltsleitendes Organ", hat also die Hoheit über das Budget.
- Bei der Medienarbeit sieht man "Verbesserungspotential": Sie solle über die "fallführenden Staatsanwaltschaften" laufen, nicht über das Ministerium. Für übergeordnete Themen und für Fälle, in denen Einzelpersonen einer Behörde angegriffen werden (wie zuletzt die ÖVP bei der WKStA), soll eine zentrale Medienstelle bei der Bundesstaatsanwaltschaft eingerichtet werden.
Die Arbeitsgruppe tritt Ende November wieder zusammen, dabei soll es unter anderem um die Frage der parlamentarischen Kontrolle, die Organisationsstruktur, die Dienstaufsicht der Ministerin und den Bestellmodus gehen.
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