Peter Kaiser: "Kärntens Reputation ist gefährdet"

Es war eine ereignisreiche Woche in Kärnten: Erst sorgte der Polizeieinsatz auf dem Peršmanhof für Empörung. Nun zeichnet sich eine Klärung der Nachfolge von Landeshauptmann Peter Kaiser ab. Der KURIER sprach dazu mit ihm.
KURIER: Herr Landeshauptmann, der Polizeieinsatz bei der Gedenkstätte Peršmanhof sorgt für massive Empörung. Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie die Bilder der Polizeiaktion gesehen haben?
Peter Kaiser: Das darf doch bitte nicht wahr sein! Nach der mühsamen, aber erfolgreichen Verständigungs- und Versöhnungsarbeit der letzten über zwölf Jahre, in denen wir es gemeinsam geschafft haben, dass sich die Beziehungen zwischen deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten und auch die nachbarschaftlichen Beziehungen zu Slowenien um so viel verbessert haben, wird das alles und die Reputation Kärntens insgesamt durch so einen bedauerlichen Vorfall gefährdet.
Der stv. Landespolizeidirektor Markus Plazer hat in der ZiB2 das Vorgehen der Polizei aus seiner Sicht erklärt. Sind seine Ausführungen für Sie plausibel?
Für mich zählt, was er bei dem von mir zur Aufrechterhaltung der Dialogbereitschaft einberufenen Runden Tisch gesagt hat: Da hat er auch gegenüber Bernard Sadovnik, dessen Vorfahren am Peršmanhof von der SS-Polizei brutal ermordet wurden und der zutiefst erschüttert ist, glaubwürdig sein zutiefst empfundenes Bedauern über diesen Vorfall ausgedrückt.
Was bedeuten die Vorkommnisse für die künftige Abhaltung von Veranstaltungen auf Gedenkstätten?
Ich denke, und das habe ich als ein Ergebnis des Runden Tisches bereits in Auftrag gegeben, dass zu prüfen ist, ob es nicht insgesamt besondere gesetzliche Normen und Verhaltensweisen zum Schutz von Gedenkstätten geben sollte.
Themenwechsel: Nach dem Verzicht von Philip Kucher wird Landesrat Daniel Fellner mit großer Wahrscheinlichkeit Ihr Nachfolger als Parteichef und Landeshauptmann. Was macht ihn für diese Aufgaben geeignet?
Vorweg: Bis Ende August und auch noch am Parteitag selbst haben potenzielle Interessenten die Möglichkeit, ihre Kandidatur abzugeben. Ich habe Fellner in die Politik geholt, ihn zum Landesgeschäftsführer gemacht und später in die Landesregierung geholt. Er hat als Katastrophenschutz-, Gemeinde- und Bildungsreferent sein Gespür für die Anliegen und Sorgen der Menschen schon oft unter Beweis gestellt. Eine Tugend, die ihn auszeichnet und die man braucht, um als Politiker erfolgreich zu sein, ist seine Fähigkeit, zuzuhören, Probleme schnell und direkt anzugehen, wenn es sein muss auch unkonventionell.
Fellner betont, dass die FPÖ in vielen Ansätzen ein Partner sei, mit dem man zusammenarbeiten könne. Teilen Sie diese Einschätzung?
Der Parteitag wird über seine und allfällige weitere Kandidaturen befinden. Es wird dann an ihm und dem neu zusammenzusetzenden Parteivorstand liegen, sowohl personelle als auch inhaltliche Weichenstellungen vorzunehmen. Bis dahin werden die Dinge dort diskutiert, wo sie hingehören: intern.
Sie haben in einem APA-Interview betont, Sie hätten die SPÖ Kärnten in ruhige Fahrwasser gebracht. Ist Ihnen das mit dem Land Kärnten auch gelungen?
In der Amtszeit von Jörg Haider war Kärnten mit allen möglichen Dingen in den Schlagzeilen – öfter, als es manchen lieb war. Ich war im Verhältnis dazu die eher ruhigere Variante, stand für eine gewisse Entschleunigung anstelle von High Life. Ich bin von Anfang an den Weg der breiten Konsolidierung gegangen, der nach der Hypo-Krise notwendig war. Obwohl sich eine Zweierkoalition ausgegangen wäre, habe ich 2013 die erste Dreierregierung auf Länderebene gebildet. Ganz bewusst, weil wir damals Haftungen in Milliardenhöhe hatten. Als dann ausgerechnet am 10. Oktober 2016, also dem Kärntner Landesfeiertag, der notwendige perzentuelle Satz der Gläubiger angenommen wurde, war das Damoklesschwert verschwunden, dass das Land Konkurs anmelden muss – wir hatten Kärnten aus der Hypo-Heta-Haftungszwangsjacke der Vorgänger befreit. Das war für mich einer der schönsten Tage, gleichsam ein zweiter 10. Oktober.
Begriffe wie entschleunigen und sanieren werden auch mit Christian Stocker verbunden. Sind Sie einander ähnlich?
Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung sich was den Stil betrifft, am erfolgreichen Kärntner Weg orientiert (schmunzelt). Ich habe im Gegensatz zu ihm einen großen Teil schon hinter mir. Er hat Parteien an seiner Seite, die sich ihrer Staatsverantwortung bewusst sind. Ich verhehle nicht, dass mich die Art, wie diese Regierung arbeitet, sehr positiv stimmt. Sie ist der Kärntner Form des ruhigen Arbeitens sehr ähnlich: Dass man nicht alles mit eitel Wonne machen kann, sondern auch sparen, auf manches verzichten und Strukturreformen einleiten muss.
Zurück zu den Finanzen: 2024 sind die Schulden auf vier Milliarden Euro geklettert. Nach wie vor ist Kärnten das Bundesland mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Können Sie wirklich zufrieden sein?
Als wir die Regierung übernommen haben, lag der Schuldenstand bereits bei über drei Milliarden. Wir haben dann fünf Budgets mit Überschuss produziert, aber auch viele schwierige Situationen gehabt – von der Hypo über den HCB-Skandal bis hin zur Pandemie und zahlreichen verheerenden Unwettern.
Die Regierung plant eine Verwaltungsreform. Welche Ideen haben Sie dazu?
Wovon wenig geredet wird: Wir brauchen in der Verwaltung einen stärkeren Einsatz von Künstlicher Intelligenz, um Abläufe schneller zu machen und Ressourcen freizubekommen. Vieles ließe sich auch durch eine Vernetzung von Daten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abkürzen.
Von diversen Seiten kamen zuletzt Vorschläge, die bisher Zuständigkeiten für Gesundheit oder Bildung zentral beim Bund zu bündeln. Ist das für Sie denkbar?
Ja, Bildung ist Bundessache. Dazu zählt für mich auch der immens wichtige Bereich der Elementarpädagogik, wo es um bundesweit einheitliche Standards geht. Es soll österreichweit jedes Kind die Möglichkeit eines kostenfreien Platzes zumindest ab dem dritten Lebensjahr haben. In Kärnten haben wir den Gratis-Kindergarten von 0 bis 6 Jahren realisiert.
Und in anderen Bereichen?
Neben der Gesundheit sollte die Verwaltungsreform auch im Bereich Energie ansetzen. Hier geht es auch um die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Was die Senkung der Preise betrifft, haben wir derzeit nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
Sind Gemeindezusammenlegungen denkbar?
Man sollte überlegen, bei manchen Bereichen enger als bisher zusammenzuarbeiten. Etwa beim Fuhrpark oder bei der Müllentsorgung. Aber auch bei der Bildung etwa im Rahmen von Bildungszentren. Gegen sie gab es in Kärnten viel Widerstand. Jetzt hat man erkannt, dass bei einer vernünftigen Planung die Kostenreduzierung enorm ist und gleichzeitig die Vorteile für die Kinder und Jugendlichen überwiegen.
Der wohl schwierigste Moment Ihrer Amtszeit war der Terroranschlag in Villach. Wie sehr prägt er nach wie vor die Bevölkerung?
Keiner konnte sich vorstellen, dass so etwas jemals in Kärnten passiert. Es ist passiert, weil sich jemand über vier Monate in den sozialen Netzwerken radikalisiert hat. Umso wichtiger ist es, dem Staat mehr Möglichkeiten in die Hand zu geben, solchen Gefahren früher auf die Spur zu kommen. Dazu gehört auch die Messenger-Überwachung. Es müssen aber auch die Plattformbetreiber dafür Verantwortung übernehmen, dass keine Anarchie im Netz herrscht.
Ihr Parteichef Andreas Babler war lange internen Querschüssen ausgesetzt. Wie sind Sie mit seiner Performance zufrieden?
Der Übergang in seine Regierungsfunktion ist ihm sehr gut gelungen. Was mir an ihm gefällt: Er hat Grundwerte, die er nach außen trägt, aber auch eine Kompromissfähigkeit, die ihm wahrscheinlich viele nicht zugetraut haben.
Was halten Sie von dem Gerücht, FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte nach Kärnten wechseln?
Rein analytisch betrachtet würde ich darin keinerlei Vorteile für ihn sehen.
Und wo sehen Sie sich selbst in einem Jahr?
Auf jeden Fall irgendwo in Kärnten. Ich liebe die Kärntner Seen, mein Lieblingsplatz ist auf der Bootshausbrücke im Strandbad Klagenfurt. Ich werde sicher irgendwo dort sein, egal in welchem Status.
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