Messenger-Überwachung: Auf diese Details hat sich Türkis-Rot-Pink geeinigt

PK ZU GEFÄHRDER-ÜBERWACHUNG: KARNER
Nach viel Kritik, insbesondere von den Neos, hat sich die Regierung auf ein Modell zur Messenger-Überwachung geeinigt.

Dass Behörden Unterhaltungen auf Messengerdiensten überwachen können, ist international Standard. Das hat einen guten Grund, denn potenzielle Terroristen tauschen sich mittlerweile in erster Linie über Dienste wie Telegram oder Signal aus. Österreichs Behörden dürfen derzeit lediglich Telefonate und SMS überwachen. Den Bundestrojaner, 2019 von Türkis-Blau eingeführt, kippte der Verfassungsgerichtshof aber, bevor er zur Anwendung kam. Hauptgrund: Der Eingriff in die Privatsphäre sei zu schwerwiegend.

Jetzt folgt der nächste Versuch: Die Bundesregierung hat sich beim Ministerrat am Mittwoch auf die Überwachung von Messenger-Diensten bei konkreter Gefährdung geeinigt. Dem zuvor gegangen waren lange Verhandlungen, die an den Neos zu scheitern drohten. Zudem gab es massive Expertenkritik bei der Begutachtung des Gesetzesentwurfs.

Karner: "Wir haben es geschafft"

Wie sieht der finale Kompromiss aus? Darüber haben Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), sein Staatssekretär Jörg Leichtfried und Neos-Klubchef Yannick Shetty am späten Mittwochvormittag informiert. 

"Ich will nicht pathetisch klingen, aber heute ist ein ganz besonderer Tag für die Polizei, ein ganz besonderer Tag für den Verfassungsschutz", sagt Karner eingangs. Man habe lange um die Messenger-Überwachung gerungen und: "Wir haben es geschafft." Klares Ziel der Maßnahme sei es, Terror zu verhindern und "für die Sicherheit der Bevölkerung da zu sein". Zu den Details:

Ab wann dürfen die Behörden künftig "Gefährder" überwachen? 

Bei drohenden verfassungsgefährdenden Delikten mit einer Obergrenze von Freiheitsstrafen von mindestens zehn Jahren, so Karner. Die Regierung hat mehrere Maßnahmen eingebaut, die den Rechtsschutz gewährleisten sollen. Voraussetzung für eine Überwachung: die Einbindung eines Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium. Ein Dreier-Senat beim Bundesverwaltungsgericht muss die Überwachung zudem genehmigen. Besonderer Rechtsschutz gilt für Journalisten, Priester oder Rechtsanwälte. Ein Wert wurde im Vergleich zum Begutachtungsentwurf herabgesetzt: Das Parlament muss ab 30 Überwachungen pro Kalenderjahr eingebunden werden, nicht "erst" ab 35.

Welche Software dürfen die Behörden dann einsetzen? 

Das war ein großer Streitpunkt, ist aber noch nicht klar. Datenschutzrechtler bezweifeln, dass es eine Software gibt, die nur auf spezifische Chat-Unterhaltungen auf einem Smartphone zugreifen kann - ohne gleichzeitig nicht auf weitere, private Daten zuzugreifen. Das Gesetz sieht das nun aber vor: Die Software soll ausschließlich im genehmigten Zeitraum und Umfang auf klar definierte Apps zugreifen, ohne das System zu beschädigen. Am Ende der Überwachung muss die Software gelöscht werden. Laut Türkis-Rot-Pink soll die Gefährder-Überwachung jedenfalls erst dann angewandt werden, wenn die Software "intensiv geprüft" worden ist. 

Hinterlässt die Software Sicherheitslücken?

Auch diesem Kritikpunkt kommt das Gesetz nun zuvor: Es sei ausgeschlossen, dass Sicherheitslücken offen gehalten oder neue Lücken geschaffen werden müssen, um den Einsatz der Software zu ermöglichen. Heißt: Die Ermittler sollen lediglich bereits vorhandene Sicherheitslücken ausnutzen. Die Änderungen im System müssen zudem lückenlos dokumentiert werden.

Wer entscheidet, welche Software zum Einsatz kommt?

Nun starte die "Vorbereitung einer Ausschreibung" für die Software, so Karner. Dabei werde man Expertise aus dem In- und Ausland einbeziehen, um modernste Mittel zu verwenden aber auch die "engen", rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, meint der Minister. Der Rechtsschutzbeauftragte hat drei Monate Zeit, um den Einsatz eines Programms abzunicken. Im Gesetzesentwurf waren dafür nur zwei Wochen vorgesehen, was mehrere Verbände und NGOs kritisierten.

Ab wann kommt die Maßnahme zum Einsatz?

Geplantes Inkrafttreten der Messenger-Überwachung: Anfang 2027.

Was geschieht, wenn die Maßnahme missbraucht wird?

Beamten drohen in diesem Fall Konsequenzen, bis hin zum Verlust ihres Amtes. Für Personen, die anonym Verfehlungen melden wollen, will die Regierung eine Whistle-Blower-Plattform einrichten.

Was passiert, wenn bei der Überwachung zufällig andere Straftaten aufgedeckt werden?

"Zufallsfunde" dürfen erst ab einer Strafandrohung von zumindest drei Jahren Freiheitsstrafe an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Davon komplett ausgenommen: Vermögensdelikte.

Warum stimmen die Neos nun doch zu?

Weil es eben die zuvor beschriebenen Verschärfungen beim Rechtsschutz, den Voraussetzungen zur Überwachung und der Software gibt. Aber: Zumindest die Neos-Abgeordneten Nikolaus Scherak und Stephanie Krisper, auf deren Drängen mehrere Punkte auch nachgeschärft wurden, werden auch dem überarbeiteten Gesetz laut KURIER-Informationen nicht zustimmen. 

Die Mehrheit für die Zustimmung im Parlament ist damit aber nicht gefährdet.

Scherak (Neos): "Nicht verfassungskonform" 

Für Scherak habe sich mit dem vorliegenden Entwurf nichts an seinen grundlegenden Bedenken geändert, betont er gegenüber dem KURIER. So sei es technisch nach wie vor nicht gewährleistet, dass ausschließlich auf die Messenger-Dienste zugegriffen werden könne. „Und das ist nicht verfassungskonform“, betont er und verweist darauf, dass in 80 Prozent der Stellungnahmen entsprechende Kritik geübt wurde. 

Für ihn ist die Messenger-Überwachung zudem unverhältnismäßig, da die DSN - mangels Kapazitäten - nicht alle bereits bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen könne. Zudem gäbe es gelindere Mittel, etwa die Überwachung offener Messenger-Kanäle mittels KI. 

Er, so Scherak, habe versucht, fraktionsintern all seine Expertise einzubringen. "Aber offensichtlich bin ich nicht gehört worden." 

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