"Wir brauchen kein FSK14"
Das Video wird durch die Bearbeitung quasi "jugendfrei". Für die Opposition im U-Ausschuss kommt das einer Zensur gleich - eine, über die die Neos-Fraktionschefin Stephanie Krisper sogar lachen kann. "Wir sind alle über 40 Jahre, also alt genug, wir würden das schon aushalten", sagt sie. "Abgesehen davon steht es uns zu, das gesamte Rohmaterial zu sehen."
Ähnlich reagiert Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionschef: "Wir brauchen kein FSK14, wir brauchen eine vollständige Aufklärung der Umstände." Das Vorgehen rieche nach einer "Vertuschung, weil der ÖVP etwas unangenehm ist", sagt Hafenecker. "Wenn sich die Behörden diesem Vorwurf nicht aussetzen wollen, müssen sie endlich das ganze Video liefern. So, wie wir es seit Beginn fordern."
Die ÖVP mit Fraktionschef Wolfgang Gerstl hat ebenso Interesse am Ibiza-Video, sagt aber: "Kein Ministerium kann über das Gesetz hinaus gehen." Alles, was "abstrakt relevant" für den U-Ausschuss sei, müsse aber vorgelegt werden. In Richtung Staatsanwaltschaften sagt er: "Ich erwarte mir, dass das umgehend passiert."
SPÖ für höhere Klassifizierung
Die Aufbereitung des Videos soll dem Vernehmen nach noch bis Ende August dauern, dann schickt die SOKO die Clips an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und die Staatsanwaltschaft Wien (StA). Diese legt sie in den Strafakt und die Oberstaatsanwaltschaft bestimmt dann, was davon an den U-Ausschuss geliefert wird - inklusive Geheimhaltungsstufen.
Auf diese Geheimhaltungsstufen beruft sich die SPÖ, die ebenfalls nicht akzeptiert, dass der U-Ausschuss nur eine "zensierte Version" des Videos erhält.
Mittels höherer Klassifizierung könnten heikle Szenen, die etwa die Privatsphäre der Protagonisten oder anderer genannter Personen (zum Beispiel Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern) berühren, geschützt werden. Schwärzungen seien nicht zulässig - es habe bereits genügend Streitfälle gegeben, die zugunsten der Parlamentarier ausgegangen seien, mahnt die SPÖ.
"Brauchen einen Gesamtüberblick über das Material"
Tatsächlich sei das Thema Schwärzungen recht gut ausjudiziert, sagt Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz. Der Verfassungsgerichtshof habe festgestellt, dass sie dann unzulässig sind, wenn sie im Rahmen des Untersuchungsgegenstands stattfinden. Es ist also nicht erlaubt, verfahrensrelevante Passagen unkenntlich zu machen.
Fragt sich nun: Was ist der Untersuchungsgegenstand? An sich ist es richtig, dass schmutzige Gerüchte aus dem Privatleben von Politikern nicht in einen parlamentarischen U-Ausschuss gehören und auch nichts mit den bekannten Vorwürfen des Postenschachers und der Bestechlichkeit zu tun haben dürfen.
Neos-Abgeordnete Krisper verweist aber auf Punkt 5 der Themenliste: Politische Einflussnahme auf die Ermittlungen. Und da spiele zwar nicht der Inhalt des Videos an sich, aber ein Gesamtüberblick über das vorliegende Material für die Abgeordneten sehr wohl eine Rolle.
"Wir müssen bewerten, wie die SOKO und die Behörden mit diesem Beweismittel umgegangen sind. Deshalb steht uns das Rohmaterial zu - und zwar das ganze: Ton und Bild, ohne Verpixelung", betont Krisper.
Höchstgericht als "gescheiteste Lösung"
Ihre Fraktion plant einen ergänzenden Beweismittelbeschluss, um formal noch einmal ihre Forderung zu bekräftigen. Kommen Justizministerium und Innenministerium der Forderung nicht nach, "dann gehen wir zum Verfassungsgerichtshof".
Diesen Weg hielte Parlamentarismus-Experte Zögernitz im Endlos-Streit um das Ibiza-Video für "das Gescheiteste". "Nur der VfGH könnte das wohl zweifelsfrei klären."
Dass die Behörden den Appellen der Opposition schon jetzt nachgeben, hält er für unwahrscheinlich. "Sie würden sich der Gefahr aussetzen, Amtsmissbrauch zu begehen", erklärt Zögernitz. Sprich: Das Eis ist zu dünn - deshalb lieber auf Nummer sicher gehen.
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